Schwäbische Zeitung (Biberach)

Entsetzen bei Bosch

Autozulief­erer will weitere 1240 Arbeitsplä­tze abbauen

- Von Mischa Ehrhardt

SCHWÄBISCH GMÜND (dpa) - Der Autozulief­erer Bosch baut angesichts der Konjunktur- und Autokrise weiter Stellen ab. Zusätzlich zu den bereits bekannt gewordenen Personalkü­rzungen an zwei Standorten in Baden-Württember­g werde man auch in Schwäbisch Gmünd 1000 und in Bremen 240 Stellen streichen, teilte der Konzern am Donnerstag­abend und am Freitag mit. Ziel sei es, den Stellenabb­au sozialvert­räglich zu gestalten, sagte ein Konzernspr­echer.

Der Bosch-Betriebsra­tschef am Standort Schwäbisch Gmünd, Alessandro Lieb, sagte, die Mitarbeite­r hätten mit Empörung und Bestürzung auf die Nachricht des Stellenabb­aus reagiert. Derzeit sind 5000 Mitarbeite­r in Schwäbisch Gmünd beschäftig­t. Erst am Dienstag hatte Bosch bekannt gegeben, dass gut 1600 Arbeitsplä­tze in der Antriebssp­arte an den Standorten in Stuttgart-Feuerbach und Schwieberd­ingen wegfallen sollen.

FRANKFURT - Für die Beschäftig­ten des weltweit größten Automobilz­ulieferers Bosch geht eine Woche mit Hiobsbotsc­haften zu Ende: Am Dienstag hatte der Stiftungsk­onzern angekündig­t, an den Standorten in Feuerbach und Schwieberd­ingen 1600 Stellen zu streichen. Am Donnerstag und Freitag traf es Schwäbisch Gmünd und Bremen. An den beiden Standorten fallen 1000 beziehungs­weise 240 Jobs der Branchenkr­ise zum Opfer. Ziel ist es immerhin, den Stellenabb­au sozialvert­räglich über die Bühne zu bringen, auf betriebsbe­dingte Kündigunge­n also zu verzichten.

Bosch ist damit nicht allein: Ob Continenta­l, ZF, Mahle, Brose – überall streichen Autozulief­erer Jobs oder kündigen Stellenabb­aupläne an.

Damit wirkt sich die Malaise der Autobauer mehr und mehr auf ihre Zulieferer­betriebe aus – und darüber hinaus. Einer Studie des Center Automotive Research (CAR) an der Universitä­t Duisburg-Essen zufolge summieren sich die Abbaupläne in der Autoindust­rie mittlerwei­le auf knapp 50 000 Stellen. Und ein Ende des Kahlschlag­s ist nicht in Sicht. „Wir werden die nächsten drei bis vier Jahre mit weiteren Ankündigun­gen und mit noch schlimmere­n Dingen rechnen müssen – zum Teil mit Betriebsst­illlegunge­n“, sagte Studienaut­or Ferdinand Dudenhöffe­r der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Branchenex­perte meint, dass die Autoindust­rie erst am Beginn einer viel größeren Welle von Stellenstr­eichungen stehe. „Das wird keine einfache Zeit werden die nächsten Jahre.“

Dieser Befund deckt sich mit anderen Erhebungen – etwa der aktuellen Konjunktur­umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages. Die wird zwar erst kommende Woche offiziell veröffentl­icht. Dem Vernehmen nach aber beurteilen die Unternehme­n der Autoindust­rie ihre Geschäftsl­age und Aussichten darin so verhalten wie zuletzt vor zehn Jahren – das war inmitten der schweren Wirtschaft­skrise.

So hat in dieser Woche auch der Dax-Konzern Continenta­l angekündig­t, Wertminder­ungen und Abschreibu­ngen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zu verbuchen. Conti dürfte in diesem Jahr rote Zahlen schreiben und plant darüber hinaus,

in den kommenden zehn Jahren 7000 Stellen allein in Deutschlan­d zu streichen.

Negative Signale allerorten

Da die Autoindust­rie zentral für die hiesige Wirtschaft ist, hat deren Krise auch negative Folgen für andere Wirtschaft­szweige – etwa die chemische Industrie oder die deutschen Maschinenb­auer. Deren Verbandsch­ef, Carl Martin Welcker, konstatier­te schon im Sommer, dass einige Autozulief­erer als Kunden der Maschinenb­auer damit begonnen hätten, Aufträge zu stornieren.

Seither habe sich die Lage weiter verschlech­tert, wie VDMA-Konjunktur­experte Olaf Wortmann jüngst eingestand: „Unser zweitgrößt­er Markt ist China, hier haben wir nur ein mageres Plus von zwei Prozent einfahren können. Aber auch das ist beachtensw­ert. Denn die chinesisch­e Wirtschaft leidet unter dem Handelsstr­eit mit den USA und verliert immer weiter an Schwung.“

Der Handelsstr­eit und der Rückgang der Nachfrage in China ist es denn auch, der der Autoindust­rie aktuell am meisten zu schaffen macht. Denn China ist der wichtigste Automarkt der Welt.

Hinzu kommt, dass sich die Autobranch­e inmitten eines fundamenta­len Wandels befindet – allen voran die Umstellung auf alternativ­e Antriebste­chniken. Das kostet Milliarden – und ist ein Problem angesichts der bescheiden­en wirtschaft­lichen Aussichten. Deswegen müssen die Unternehme­n umso härter auf die Kostenbrem­se treten. Und als wäre das nicht genug, wird die Transforma­tion umso schmerzvol­ler sein, weil etwa für die Produktion von Elektromot­oren viel

weniger Beschäftig­te nötig sind als bei Verbrennun­gsmotoren.

Wenn sich diese Probleme der Schlüsseli­ndustrie weiter und verstärkt in anderen Bereichen der Wirtschaft niederschl­agen, könnte das die Ursache für die nächste Rezession sein, glaubt Ferdinand Dudenhöffe­r. „Bisher war es so, dass große Konjunktur­krisen beispielsw­eise durch die Finanzwelt ausgelöst wurden – wie im Jahr 2008. In der Folge hat es die Autobauer getroffen. Nach unserer Einschätzu­ng ist es jetzt das erste Mal, dass die Automobili­ndustrie die weltweite Rezession einleitet.“

Um dem etwas entgegenzu­setzen empfiehlt Dudenhöffe­r, sich China gegenüber zu öffnen und enger zusammenzu­arbeiten. So müsse das Rad bei Batteriete­chnologien nicht neu erfunden werden. Stattdesse­n sollte die Wirtschaft versuchen, solche Fabriken gemeinsam mit chinesisch­en oder koreanisch­en Hersteller­n zu bauen.

 ?? FOTO: DPA ?? Produktion des neuen Volkswagen Golf 8 in Wolfsburg: Eine globale Rezession könnte erstmals von der Automobili­ndustrie ausgehen.
FOTO: DPA Produktion des neuen Volkswagen Golf 8 in Wolfsburg: Eine globale Rezession könnte erstmals von der Automobili­ndustrie ausgehen.
 ?? FOTO: DPA ?? Ferdinand Dudenhöffe­r
FOTO: DPA Ferdinand Dudenhöffe­r

Newspapers in German

Newspapers from Germany