Schwäbische Zeitung (Biberach)
Interview „Sich auf das Geld des Mannes zu verlassen, ist naiv“
Finanzberaterin Constanze Hintze erklärt, was Frauen bei der Geldanlage beachten müssen
Wie viel weniger?
Bei gleichwertigem Beruf und gleicher Arbeitszeit verdienen Frauen etwa sieben Prozent weniger. Das klingt wenig, summiert sich aber für ein Arbeitsleben betrachtet auf den Wert eines Einfamilienhauses. Im Alter haben Frauen im Schnitt deshalb ungefähr 35 Prozent weniger Rente zur Verfügung. Deswegen lautet mein Rat für junge Frauen: Fangt früh mit dem Sparen für später an! Die Vermögensbildung beginnt mit dem Start in den Beruf.
Wie ist denn der erste Schritt? Wie fängt man an?
Der allererste Schritt, den ich empfehle, ist die Absicherung der eigenen Arbeitskraft durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Das hat jetzt weniger etwas mit Vermögensbildung unmittelbar zu tun, sondern mit einer Risikovorsorge. Aber das macht Sinn. Denn wenn ich nicht mehr arbeiten kann, dann kann ich auch nichts auf die Seite legen. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann diese Lücke schließen. Im Anschluss steht dann ein ganzes Bündel an Möglichkeiten offen wie die Riester-Rente, die betriebliche Altersvorsorge oder eben das Aktiensparen.
Viele Finanzbloggerinnen raten Frauen zu breit gestreuten ETFs, also börsengehandelten Indexfonds, die die Wertentwicklung eines Index, wie beispielsweise des Dax, abbilden. Ist das ein guter Ratschlag?
Ein ETF ist mit Verlaub ein eher dummes Investment, weil er nur etwas abbildet, was da ist. Der Deutsche Aktienindex (Dax) besteht aus 30 Aktien. Und ein ETF auf den Dax ist im Grunde genommen nur eine Blaupause dieses Index. Natürlich, wenn der Dax um zehn Prozent steigt, haben wir diese zehn Prozent als positive Rendite. Aber die meisten vergessen, dass es umgekehrt genauso ist. Ein ETF-Dax-Anleger hätte im vergangenen Jahr mit dieser Art der Geldanla
Für Constanze Hintze, Finanzberaterin aus München, sind Frauen im Vergleich zu Männern die besseren Anleger. Sie müssen es nur tun.
ge 18 Prozent Minus gemacht. Ich rate stattdessen zu Aktienfonds, die breit gestreut, die vor allen Dingen global ausgerichtet sind, und die dazu aktiv gemanagt werden. So schaffe ich es, dass mein Vermögen von erfolgreichen Volkswirtschaften profitiert und in fallenden Märkten das Fondsmanagement klug eingreift und das Risiko minimiert. Denn schließlich ist die langfristige Wertentwicklung von Aktieninvestments allen anderen liquiden Anlageformen deutlich überlegen.
Aber die Gebühren für aktiv gemanagte Fonds sind deutlich teurer als für ETFs. Sollten Frauen wirklich auf das teurere Produkt setzen – vor allem vor dem Hintergrund, dass sie sowieso nicht so viel Geld zur Verfügung haben wie Männer?
Qualität hat auch in der Finanzwelt ihren Preis. Wenn das Anlageergebnis gut ist und das Risiko begrenzt werden konnte, rechtfertigt das auch höhere Kosten. Aber es geht hier auch noch um etwas anderes, nämlich, ob eine Frau das verdient, was sie verdient. Man sollte als Frau mutig bei Gehaltsverhandlungen vorgehen und ruhig nach den großen Sternen greifen.
Gibt es einen Betrag, ab dem es sich überhaupt erst lohnt ihn anzulegen?
100, 200 Euro sollten es schon sein. Man muss es daran festmachen, was man netto verdient, welche Ausgaben anstehen und wie das eigene Absicherungsziel lautet. Zehn Prozent vom Nettoeinkommen sollten mindestens auf die Seite gelegt werden. Dieser Betrag sollte im Laufe des Berufslebens natürlich angepasst werden.
In einer Umfrage des Sozialforschungsinstituts Delta mit teilzeitbeschäftigten Frauen sagen 72 Gibt es Vorteile, die Frauen bei der Geldanlage haben?
Ja. Aufgrund ihrer eher defensiven Positionierung bei der Vermögensanlage haben viele Frauen in den vergangenen Jahren zu klassischen Lebens- und Rentenversicherungen gegriffen. Diese Art der Altersvorsorge war lange als unflexibel und teuer verschrieen. Doch jetzt, wo sich das Zinsniveau auf einem sehr niedrigen Level bewegt und wir alle immer älter werden, da rücken diese sicherheitsorientierten Geldanlagen wieder ins Interesse der Anleger. Zum anderen setzen Frauen auch nicht alles auf eine Karte. Sie investieren dann eben nicht nur alles in einen Aktienfonds oder in eine Aktienstrategie oder ETFs, sondern auch in Mischfonds oder aktiv gemanagte oder vermögensverwaltende Fonds. Vergangenes Jahr war ein sehr kritisches Jahr, denken Sie nur an die Sorgen rund um den Handelskonflikt. Frauen haben mit ihrer Vorgehensweise und Strategie weitaus weniger verloren als der Markt. Dass Frauen nicht mit Geld umgehen können, ist für mich ein Ammenmärchen!