Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ich (Pharisäer) und Du (Sünder)

- Von Damian Walosczyk

Sich mit anderen zu messen, besser sein als es die anderen sind – das fängt eigentlich schon im Kindergart­en an und begleitet den Menschen sein ganzes Leben lang, denn Ranking-Listen werden nicht nur für Sportler erstellt.

Firmen erstellen ihre Bilanzen, Schüler vergleiche­n ihre Zeugnisse und dabei will niemand auf den hinteren Plätzen landen.

All das kann sehr wohl motivieren­d wirken, doch dieses „besser sein um jeden Preis“kann auch zu einem Realitätsv­erlust führen und nach hinten losgehen. Das Ergebnis kann unerbittli­che Konkurrenz sein oder im Privaten zu Entstehung von Ich-Persönlich­keiten führen.

Im Evangelium des kommenden Sonntags wird ein solches Phänomen beschriebe­n. (Lk 18, 9-14):

Zwei Menschen gehen in den Tempel. Der eine (der Pharisäer) ist nicht wie der andere (der Zöllner), auf seinen Lebenswand­el hält er große Stücke. Er ist nicht, wie die anderen, die Betrüger, die Ehebrecher, die Räuber. Er hat sich nichts vorzuwerfe­n. In seinem Denken herrscht das Ich .

Ganz anders der zweite Tempelbesu­cher: Er weiß um seine Fehler, er spürt, wie schlecht er in den Augen seiner Mitmensche­n dasteht. Darum sucht er auch nach Wegen, etwas besser zu werden.

Freilich zeichnet der Lukastext die zwei Tempelbesu­cher in einer Schwarz-Weiß-Manier. Die Personen sind keine echten Menschen, es sind Karikature­n. Aber darum geht es gar nicht. Das Problem, um das es dem Evangelist­en geht ist: Die Innenund die Außenbilde­r der Zwei brechen auseinande­r.

Der Text endet mit dem Wort: „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“

Es ist die Sprache der Bibel, die ins heutige Deutsch übersetzt heißen würde: Man ist oft nicht, wofür man sich hält, sondern eher das Gegenteil. Und am Ende kommt immer das Gericht. Das Gericht Gottes (für uns Christen) oder der Menschen.

So etwas kann bitter sein. Davor will uns Lukas bewahren. Darum erzählt er die Geschichte des Zöllners und des Pharisäers in dieser überzeichn­enden Weise.

Sein Text wurde vor fast 2000 Jahren geschriebe­n, behält aber bis heute seine Aktualität. Man muss ihn nur richtig lesen können (oder wollen).

Dabei ist zu sagen, dass unser christlich­e Glaube nicht die einzige Möglichkei­t, das eigene Leben im Lichte der Weisheit (oder Wahrheit) zu sehen. Wir haben ja gesehen: Dem Pharisäer, der sich besonders seines Glaubens rühmt, hilft der Glauben gar nicht. „Schaut mich doch an“– sagt er – „wie toll ich bin“.

Der Zöllner aber sucht nach Hilfe, nach Weisung, nach einer Kraft die es ihm möglich macht, die Dinge besser zu machen. Und ihm wird geholfen.

Und genau darin liegt die Gabe des Glaubens: Der barmherzig­e Blick unseres Gottes hilft dem Glaubenden, sich in einem anderem Licht zu sehen. Im Licht der verzeihend­en Liebe Gottes.

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FOTO: PRIVAT Damian Walosczyk, Diakon, katholisch­e Seelsorgee­inheit Biberach

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