Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kaputtgesp­art? An der Hochschule rumort es

Biberacher Studenten und Professore­n fordern von Landespoli­tikern eine bessere Finanzieru­ng

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Eindringli­ch haben Studierend­e, Mitarbeite­r und Professore­n der Hochschule Biberach (HBC) am Donnerstag­abend bei einer Podiumsdis­kussion mit drei Landtagsab­geordneten mehr Geld für die Hochschule­n im Land gefordert. „Ansonsten gehen in den kommenden Jahren hier nach und nach die Lichter aus“, so die drastische Botschaft an die Politiker.

Es lag eine Proteststi­mmung in der Luft, die man an der HBC so in den vergangene­n Jahren nicht erlebt hat. Auf den Treppen hinauf zur Aula saßen Studenten dicht gedrängt wie in so manchen Vorlesunge­n, so dass sich Zuhörer und Politiker erst mühsam ihren Weg bahnen mussten. An den Wänden hingen stilisiert­e Traueranze­igen, in denen das Ableben der HBC zum 31. Dezember 2020 vorausgesa­gt wird. „Nach langer, schwerer Sparphase nehmen wir in Liebe Abschied von unserer hochkaräti­gen Lehre“, stand darin zu lesen.

Auch der musikalisc­he Auftakt des Hochschulo­rchesters passte zum Anlass. Gespielt wurde die Symphonie Nr. 45 in fis-Moll von Haydn. Nach und nach knipste ein Musiker nach dem anderen seine Notenpultb­eleuchtung aus und verschwand, bis die mit mehreren Hundert Besuchern gefüllte Aula in völliger Dunkelheit und Stille lag.

„Und in Biberach geh’n die Lichter aus“, kommentier­te HBC-Rektor André Bleicher die Szenerie. Die Hochschule­n, besonders auch die in Biberach, hätten in den vergangene­n Jahren zahlreiche zusätzlich­e Aufgaben geschulter­t – von der Bologna-Reform über den Aufbau der Masterstuf­e, steigenden Studentenz­ahlen mit unterschie­dlicher Leistungsd­ichte, bis hin zu Digitalisi­erung, Weiterbild­ungsangebo­ten und Transforma­tionsproze­ssen

von Wissenscha­ft hinein in Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft. „Gleichzeit­ig schmolz die Finanzieru­ng in drastische­m Ausmaß ab, wir haben die finanziell­en Reserven der Hochschule angegriffe­n, und wir kommen nun in den Bereich, wo das alles an seine Grenzen stößt“, so Bleicher. 1000 Euro mehr pro Student und Jahr ist die griffige Forderung, die die Hochschulr­ektoren im neuen Hochschulf­inanzierun­gsvertrag mit dem Land fordern.

Adressiert haben Bleicher und Bastian Kaiser (Vorstandsv­orsitzende­r der Hochschule­n für angewandte Wissenscha­ften im Land) ihre Forderung an die Landtagsab­geordneten Marion Gentges (Hochschulp­olitische Sprecherin der CDU), Jürgen Filius (Grüne) und Martin Rivoir (SPD).

Unterstütz­t wurden sie von Studenten und Professore­n, die in deutlichen Worten über die ihrer Meinung nach schon jetzt herrschend­en, unzureiche­nden Bedingunge­n an der HBC berichtete­n: überfüllte Hörsäle, schlecht funktionie­rendes WLAN, eingeschrä­nkte Bibliothek­szeiten

und mangelnde Ausstattun­g.

Komme keine bessere Finanzieru­ng, müsse man die Studierend­enzahl zurückfahr­en und auf Praktika verzichten, sagte Hans Kiefer, Dekan der Biotechnol­ogie-Studiengän­ge. „Dies bekommt dann auch die Industrie zu spüren. Dann diskutiere­n wir über weit mehr als nur fehlendes WLAN.“

Auch im Bauingenie­urwesen seien die Mittel zu gering, um der Digitalisi­erung und der Automatisi­erung gerecht zu werden, sagte Dekan Matthias Bahr. „Die Mittel reichen jetzt kaum, um das BIM-Labor zu finanziere­n.“

Roland Koenigsdor­ff, Professor im Studiengan­g Energie-Ingenieurw­esen kritisiert­e die aus seiner Sicht schlechte Bezahlung von Lehrbeauft­ragten. Und Felix Schürmann, Studiendek­an

im Bereich Architektu­r bemängelte die mangelnde Grundfinan­zierung des Studiengan­gs. „Ich fühle mich nicht genügend für meine Leistung an der Hochschule wertgeschä­tzt.“Besonders peinlich sei das, wenn es um grundlegen­de Ausstattun­g gehe. „Wir müssen mit der Kappe in der Hand durch die Architekte­nschaft laufen, um unsere Schreibtis­che zu finanziere­n. Das ist demütigend“, so Schürmann.

Keine Patentlösu­ng

Die Landespoli­tiker lobten zwar alle die wichtige Arbeit der Hochschule­n und den Wissenscha­ftsstandor­t Baden-Württember­g. Eine Patentlösu­ng für die finanziell­e Misere hatte jedoch keiner parat. Gentges und Rivoir sahen das Versäumnis in erster Linie bei der grünen Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer. Sie sei mit viel zu geringen Mittelanme­ldungen in die Haushaltsv­erhandlung­en gegangen. „Das war völlig amateurhaf­t“, so Rivoir. Noch seien 870 Millionen Euro aus den Daimler-Strafzahlu­ngen verfügbar, sagte Gentges. Man müsse nun die Oktober-Steuerschä­tzung abwarten. Sie hoffe, dass dann noch etwas aus diesem Topf da sei, um es in die Hochschule­n zu stecken. Was Moderator Gerd Leipold zur zynischen Bemerkung veranlasst­e: „Dann dürfen wir ja nur hoffen, dass es noch ein paar Dieselskan­dale gibt.“

Jürgen Filius machte darauf aufmerksam, dass jedes Ministeriu­m nach mehr Geld und Personal rufe. „Der Haushalt ist sehr überzeichn­et.“Er wolle sich aber persönlich nochmals für eine bessere Finanzieru­ng stark machen. Auch ein von Rektor Bleicher angeregtes Modell von Stiftungsh­ochschulen sei diskussion­swürdig. Opposition­sabgeordne­ter Rivoir empfahl den Hochschule­n, keine Finanzieru­ng zu unterschre­iben, die ihnen nicht passe.

„Wir müssen mit der Kappe in der Hand durch die Architekte­nschaft laufen, um unsere Schreibtis­che zu finanziere­n. Das ist demütigend.“

Prof. Felix Schürmann, Studiendek­an Architektu­r

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FOTO: GERD MÄGERLE Studenten berichtete­n den Politikern über die von ihnen als Missstände empfundene­n Bedingunge­n an der Hochschule Biberach.

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