Schwäbische Zeitung (Biberach)
Für sie ist der Krisenmodus Normalzustand
Die Biberacherin Ulrike Drißner macht die Corona-Krise in Südkorea schon seit Wochen mit
Nistkastenmuseum hat zu
RINGSCHNAIT (sz) - Auch das Nistkasten- und Vogelschutzmuseum in Ringschnait ist aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen.
BIBERACH/SEOUL - Nach China, dem Ursprungsland der Coronavirus-Pandemie, ist zeitweise auch Südkorea massiv vom neuartigen Coronavirus betroffen gewesen. Die dortige Regierung fährt einen strikten Kurs, um eine Ausbreitung der Lungenkrankheit weiter einzudämmen. „Für uns ist der Ausnahmezustand schon normal geworden“, schildert die gebürtige Biberacherin Ulrike Drißner. Sie lebt und arbeitet in der Millionenmetropole Seoul.
Während in Europa die Lungenkrankheit den Alltag vieler Menschen erst seit Kurzem stark beeinträchtigt, kämpft Südkorea seit mehreren Wochen gegen das Virus. „Die Region ist seit Ende Januar/Anfang Februar im Krisenmodus“, schildert Ulrike Drißner. Die Infektionsraten stiegen zurzeit zwar nicht mehr so drastisch wie zu Beginn, doch ein Ende der Krise sei noch nicht absehbar.
„Der Schuljahresbeginn wurde weiter nach hinten verschoben“, sagt Drißner. Am 6. April soll der Alltag wieder langsam anlaufen, vorausgesetzt, die Infektionsraten schnellen nicht wieder in die Höhe. Hauptunterschied zu Europa sei, dass das Leben in Asien aus den Ferien heraus angehalten wurde und nicht im Vollbetrieb: „Das macht vielleicht manches leichter.“
Ulrike Drißner lebt seit fünf Jahren in Südkorea und leitet die Spracharbeit am Goethe-Institut im ostasiatischen Raum. Den Kollegen und ihr beschert die Coronakrise reichlich Arbeit, weil Präsenzunterricht verschoben und Alternativen wie Online-Kurse initiiert werden müssen. Nicht alle Sprachschüler seien davon begeistert, schildert die 57-Jährige. Doch aktuell gebe es keine andere Option: „Trotzdem haben auch wir Sorgen, wie sich die Pandemie weiter entwickelt. Auch wir sind auf Einnahmen angewiesen.“Insgesamt herrsche eine große Unsicherheit im Land, welche wirtschaftlichen Folgen das Ganze hat und ob staatliche Hilfsprogramme dem etwas entgegensetzen können.
Die Südkoreaner gehen mit dem Coronavirus gefasst um, berichtet
Ulrike Drißner. „Schutzmasken gehören in der Erkältungszeit schon immer zum Bild auf öffentlichen Straßen und im Nahverkehr.“Sie selbst trägt ebenfalls einen Mundund Nasenschutz, weil es darum ginge, andere Menschen vor einer Ansteckung zu schützen. „Zudem haben hier viele Menschen die Sars-Erfahrung gemacht, die den Europäern fehlt“, sagt Ulrike Drißner. Erzählungen über Hamsterkäufe, wie sie derzeit bei uns getätigt werden, würden die Koreaner zum Schmunzeln bringen: „Für die Südkoreaner ist es spannend zu sehen, wie Europa damit umgeht.“
Die südkoreanische Regierung geht konsequent gegen das Coronavirus vor – damit können die deutschen Maßnahmen nicht mithalten, sagt die 57-Jährige. Sie betont aber auch, dass manche Maßnahmen so in Deutschland nicht ohne Weiteres möglich wären. Zum Beispiel könne in Südkorea fast in Echtzeit verfolgt werden, wie sich das Coronavirus im eigenen Stadtviertel ausbreitet. Mit dem deutschen Datenschutz sei das so wohl nicht vereinbar, glaubt Ulrike Drißner. Das öffentliche Leben mit Museen, Kinos oder Sport stehe seit Wochen still. Erste Museen wollen nun wieder öffnen, aber erst einmal nur mit wenigen Besuchern.
Ulrike Drißner fühlt sich in Südkorea gut aufgehoben, eventuell sogar noch besser als in Deutschland. „Die Kliniken haben hier einfach ihre Erfahrungen mit Sars gemacht“, sagt sie. Mit ihren Töchtern, ihren Geschwistern und Eltern ist sie regelmäßig in Kontakt und macht sich keine allzu großen Sorgen.
„Allerdings ist es ein ungewohntes Gefühl, nicht in den Flieger steigen zu können, sollte etwas sein“, sagt sie und verweist auf die eingestellten Flugverbindungen nach Europa: „Wichtig ist aber, in der Krise nicht nur das Negative, sondern auch das Positive zu sehen.“Für sie persönlich bedeuten die Einschränkungen nämlich vorläufig keine Geschäftsreisen: „Das ist eine schöne Abwechslung.“