Schwäbische Zeitung (Biberach)

Tagesrhyth­mus aus Schulzeite­n beibehalte­n

Diese Empfehlung­en hat die Erziehungs­beraterin für Eltern im Homeoffice

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SCHEMMERHO­FEN/BIBERACH Viele Eltern sind im Homeoffice, die Kinder daheim, ohne die Möglichkei­t, Freunde zu treffen. Wie Eltern am besten mit der Stresssitu­ation umgehen, erklärt Friederike Höhndorf, Individual­psychologi­sche Beraterin und Trainerin aus Schemmerho­fen mit Praxis in Biberach, im Gespräch mit Birgit van Laak. Außerdem erläutert sie, wie Eltern auf Ängste ihrer Kinder angesichts der Coronapand­emie am besten reagieren.

Frau Höhndorf, Eltern und Kinder sitzen den ganzen Tag aufeinande­r. Wie reduziert man den Stressleve­l?

Kleine Rituale am Morgen helfen Eltern, den eigenen Stress möglichst gering zu halten. Gut ist auch ein Innehalten mit der Frage – was ist gut, wofür bin ich dankbar. Das kann man alleine oder am Familienti­sch machen – den Blick auf das halb volle Glas ausrichten. Ein klar strukturie­rter Tagesablau­f hilft auch, dann wissen alle, wann was passiert. Kinder erhalten dadurch einen Rahmen, das schafft Vertrauen.

Wie erreicht man die nötige Ruhe fürs Homeoffice?

Das kommt sehr auf die individuel­le Familiensi­tuation, auf Alter und Anzahl der Kinder und den üblichen Stress- und Streitleve­l in der Familie an. Meine Erfahrung ist: Je sicherer sich die Eltern in der Durchsetzu­ng ihrer Bedürfniss­e nach Zeit und Ruhe für die – bezahlte – Arbeit sind, desto eher werden die Kinder kooperiere­n.

Soll man auf Normalbetr­iebszeiten beim Zu-Bett-Gehen und Aufstehen bestehen?

Wenn die Eltern im Homeoffice arbeiten wollen, wird das sicher sinnvoll sein, vor allem, wenn Schulkinde­r dabei sind. Bei kleineren Kindern kann eine Art Wochenend-Modus auch sinnvoll sein. Wenn sie dadurch morgens länger schlafen, lässt man sie abends länger auf sein und nutzt dann die frühen Morgenstun­den zur ungestörte­n Arbeit.

Beim Lernen zu helfen ist schon in normalen Zeiten für viele Eltern stressig. Wie bleibt man gelassen?

Das ist nicht einfach. Je nach Alter der Kinder kann man ihnen erzählen, wie das damals war, als man es selbst mit schwierige­n Aufgaben zu tun hatte und die Kinder anleiten, im Internet zu recherchie­ren. Manchmal ist Gejammer bei den Aufgaben auch ein Hilferuf. Das Kind spürt, dass hier was nicht stimmt und möchte darum mehr Zuwendung und Aufständen merksamkei­t. Das Kind liebevoll annehmen und weniger diskutiere­n, lautet mein Rat.

Wie reagiert man angemessen, wenn die Kinder finden, dass sie die Schulaufga­ben jetzt ganz lässig angehen können?

Hier können Eltern ein gutes Beispiel sein, indem sie im Homeoffice auch eine gute Disziplin an den Tag legen. Man kann auch einen Familienra­t abhalten. In meiner Beratungsa­rbeit empfehle ich normalerwe­ise, einmal pro Woche Familienra­t zu halten, unter den derzeitige­n Um

kann auch täglich sinnvoll sein. Es wird festgelegt, wer wann was erledigt und welche Folgen eintreten, wenn jemand sich nicht daran hält. Das erzeugt Strukturen, die Vertrauen schaffen. Und das ist in solchen Zeiten nochmals wichtiger als im Normalbetr­ieb.

Wie vermeidet man Streit aus Langeweile unter Geschwiste­rn?

Kindliches Verhalten, auch Streit, hat immer ein Ziel. Oft ist es, die Eltern zu aktivieren, damit sie sich Zeit nehmen. Kinder wissen genau, was sie tun müssen, um ein gewünschte­s Ergebnis zu bekommen. Ich rate, den Streit zunächst nur zu beobachten und wenn möglich, immer mal unerwartet zu reagieren und nicht immer sofort einzugreif­en.

Die Eltern machen sich Sorgen um die Gesundheit der Großeltern, dazu kommt bei vielen die Angst um den Arbeitspla­tz. Inwiefern sollen sie das gegenüber den Kindern ansprechen?

Der behutsame Austausch über die jeweiligen Sorgen von Eltern und Kindern ist gerade jetzt sehr wichtig. Kinder haben äußerst feine Antennen für die Emotionen ihrer Eltern. Was man ihnen über die eigenen Ängste erzählt, hängt von ihrem Alter ab und auch davon, wie viel Angst das jeweilige Kind ohnehin schon hat. Gut ist, den Tag mit positiven Gedanken abzuschlie­ßen. Zum Beispiel mit dem Ritual „Ich sage Danke für...“, gesprochen im Wechsel.

Wie spricht man mit Kindern über die aktuelle Situation?

Am besten ist es, altersgere­cht mit ihnen in den Dialog zu kommen. Die Ängste der Kinder sollen ernst genommen, aber ja nicht durch eigene Bedenken hochgebaus­cht werden. Was ältere Kinder aus den Medien mitbekomme­n, sollte so sachlich wie möglich besprochen werden, man sollte sie unbedingt auffordern, erst recht die derzeit geforderte­n Hygieneund Abstandsre­geln einzuhalte­n.

Unterstufe­nschüler sind über digitale Medien gut informiert, sie kennen die Todesfallz­ahlen aus Italien. Wie reagieren Eltern, wenn die Kinder von Ängsten geplagt nicht einschlafe­n können?

Viel Beziehung lautet der Ansatz. Eltern sollen Körperkont­akt anbieten, mit dem Kind kuscheln, es stärken im Sein und ermutigen. Indem sie dem Kind sagen, warum sie es lieben, geben sie ihm die Kraft, die es jetzt braucht.

Wie kann Ermutigung aussehen?

Du-bist-Sätze, zum Beispiel „Du bist so ein kreativer Junge“, machen Mut. Positive Du-bist-Ermutigung­en sprechen wir im Alltag leider viel zu selten aus. Ganz im Gegensatz zu negativen Du-bist-Aussagen, die gehen ganz leicht von den Lippen. Einem Kind, dem die Todesfallz­ahlen Angst machen, kann man sagen, „Du bist ein sehr mitfühlend­er Mensch, andere sehen bloß die Zahlen“. Dabei kann man es in den Arm nehmen.

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FOTO: CHRISTIAN BEUTLER, DPA
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FOTO: BIRGIT VAN LAAK

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