Schwäbische Zeitung (Biberach)
Briefe rühren Senioren zu Tränen
Menschen denken in der Corona-Krise an Bewohner in Senioren- und Pflegeeinrichtungen
BIBERACH/REGIOGN
- Die „Schwäbische Zeitung Biberach“hat ihre Leser in der vergangenen Woche dazu aufgerufen, Briefe an die Bewohner von Senioren- und Behinderteneinrichtungen zu schreiben – damit sie wissen, dass sie in der Corona-Krise nicht alleine sind. Denn Besuche sind aktuell nicht gestattet. Die Reaktion der Leser ist überwältigend: Dutzende Briefe mit Gedichten und Geschichten, Fotos und von Kindern gemalte Bilder sind schon per E-Mail in den verschiedenen Einrichtungen in der Region eingegangen. Die Aktion läuft weiter.
Täglich bekommen die Bewohner jetzt Briefe per E-Mail. Die Pflegekräfte drucken diese aus, lesen sie vor oder geben sie weiter. „Unsere Bewohner sind ganz begeistert und warten täglich darauf, dass wir ihnen die Briefe vorlesen“, sagt Marianne Schneider, Einrichtungsleiterin des Seniorenzentrums in Erolzheim. Das bringe für Bewohner und Mitarbeiter Abwechslung in den angespannten Alltag. „Denn der Tod ist mehr denn je allgegenwärtig, was der Großteil der Bewohner auch versteht“, sagt Marianne Schneider. Dennoch würde auch in Erolzheim täglich gelacht: „Wir versuchen, den Alltag so abgestalten, wechslungsreich wie nur möglich zu um die Trennung von geliebten Angehörigen und Freunden etwas auszugleichen. Da reichen auch manchmal schon ein paar Witze, die wir auch schon zugeschickt bekommen haben.“
Dasselbe erlebt auch Beate Decker, Heimleiterin im Seniorenzentrum Josefspark in Eberhardzell. Dort wurde passend zur Aktion eine neue Aktivierungsstunde unter dem Motto „Wir haben Post – Briefe von Menschen, die an uns denken“eingerichtet. „Seit letzter Woche kommen unglaublich viele schöne Gedichte, Geschichten, Gedanken und auch Bilder zu uns“, so die Heimleiterin. Einen schönen Brief hat es von einer Familie aus Bad Schussenried gegeben: „Werden Sie nicht mutlos und vertrauen darauf, dass es wieder besser wird. Ihre Pflegerinnen und Pfleger sind Helden und wollen das Beste für Sie. Auch in unserer Gesellschaft gibt es viele, die Tag für Tag daran arbeiten, dass es weitergeht und wir die Krise in den Griff bekommen.“
Auch bei der St.-Elisabeth-Stiftung sind bereits mehr als 70 E-Mails eingegangen. „Die Bewohner freuen sich sehr und sind teilweise zu Tränen gerührt“, sagt Chantal Albert, die die Aktion bei der Stiftung betreut und die Briefe an die verschiedenen Einrichtungen im Landkreis verteilt.
„Es tut den Bewohnern und auch den Mitarbeitern gut zu spüren, dass sie nicht vergessen werden.“Die Absender seien ganz unterschiedlichen Alters: „Da ist vom zweijährigen Kind bis zum 87-jährigen Senior alles dabei“, freut sich Chantal Albert. So hat der zweieinhalbjährige Mattis ein Osterhasen-Bild (siehe kleines Bild links) gemalt und gemeinsam mit einem lieben Brief seiner Eltern an die St.-Elisabeth-Stiftung geschickt.
Auch Greta (Bild oben links) hat an eine „liebe unbekannte Oma“geschrieben und von ihrem Alltag berichtet: „Heute gab es Linsen mit Spätzchen und Saitenwürstchen. Ich täte mich freuen, wenn du zurückschreiben würdest, wenn nicht, ist es auch nicht schlimm.“
Für den Tagestreff in Birkenhard und Schemmerhofen hat sich Marie Winter, Leiterin der Seniorentagespflege, jetzt eine eigene Aktion überlegt: „Wir werden nun einmal wöchentlich eine Gästepost erstellen, so erhält jeder unserer 110 Gäste nun jede Woche einmal Post mit den schönen Inhalten unserer E-Mails“, freut sich Marie Winter. „Die Resonanz ist wirklich überwältigend. Von Gedichten, Witzen, Bildern bis zu aufmunternden Worten ist alles dabei.“
Die 21-jährige Maxi Gaiser aus Oggelshausen hat sich ebenfalls von der Aktion anstecken lassen und für die Bewohner einen zweiseitigen handschriftlichen Brief verfasst, abfotografiert und per E-Mail gechickt. Dort erzählt die junge Frau von ihrem Studium in Frankfurt und dass sie ihre Heimat ab und zu vermisst, dass sie gerne malt und den Frühling liebt. Auch zur Corona-Krise findet sie aufmunternde Worte: „Ich bin mir sicher, wenn jeder seinen Teil beiträgt, dann können wir diese Situation bewältigen und dabei vielleicht nochmal ganz neue Dinge lernen über Solidarität, über Zusammenhalt auf Abstand, über Mitgefühl, über Dankbarkeit, über Liebe. Wir können lernen, dass es funktionieren kann, sich nah zu sein trotz zwei Meter Abstand. Ein ganz neues Gefühl von ,Gemeinsam sind wir stark‘ sozusagen.“