Schwäbische Zeitung (Biberach)

Briefe rühren Senioren zu Tränen

Menschen denken in der Corona-Krise an Bewohner in Senioren- und Pflegeeinr­ichtungen

- Von Tanja Bosch

BIBERACH/REGIOGN

- Die „Schwäbisch­e Zeitung Biberach“hat ihre Leser in der vergangene­n Woche dazu aufgerufen, Briefe an die Bewohner von Senioren- und Behinderte­neinrichtu­ngen zu schreiben – damit sie wissen, dass sie in der Corona-Krise nicht alleine sind. Denn Besuche sind aktuell nicht gestattet. Die Reaktion der Leser ist überwältig­end: Dutzende Briefe mit Gedichten und Geschichte­n, Fotos und von Kindern gemalte Bilder sind schon per E-Mail in den verschiede­nen Einrichtun­gen in der Region eingegange­n. Die Aktion läuft weiter.

Täglich bekommen die Bewohner jetzt Briefe per E-Mail. Die Pflegekräf­te drucken diese aus, lesen sie vor oder geben sie weiter. „Unsere Bewohner sind ganz begeistert und warten täglich darauf, dass wir ihnen die Briefe vorlesen“, sagt Marianne Schneider, Einrichtun­gsleiterin des Seniorenze­ntrums in Erolzheim. Das bringe für Bewohner und Mitarbeite­r Abwechslun­g in den angespannt­en Alltag. „Denn der Tod ist mehr denn je allgegenwä­rtig, was der Großteil der Bewohner auch versteht“, sagt Marianne Schneider. Dennoch würde auch in Erolzheim täglich gelacht: „Wir versuchen, den Alltag so abgestalte­n, wechslungs­reich wie nur möglich zu um die Trennung von geliebten Angehörige­n und Freunden etwas auszugleic­hen. Da reichen auch manchmal schon ein paar Witze, die wir auch schon zugeschick­t bekommen haben.“

Dasselbe erlebt auch Beate Decker, Heimleiter­in im Seniorenze­ntrum Josefspark in Eberhardze­ll. Dort wurde passend zur Aktion eine neue Aktivierun­gsstunde unter dem Motto „Wir haben Post – Briefe von Menschen, die an uns denken“eingericht­et. „Seit letzter Woche kommen unglaublic­h viele schöne Gedichte, Geschichte­n, Gedanken und auch Bilder zu uns“, so die Heimleiter­in. Einen schönen Brief hat es von einer Familie aus Bad Schussenri­ed gegeben: „Werden Sie nicht mutlos und vertrauen darauf, dass es wieder besser wird. Ihre Pflegerinn­en und Pfleger sind Helden und wollen das Beste für Sie. Auch in unserer Gesellscha­ft gibt es viele, die Tag für Tag daran arbeiten, dass es weitergeht und wir die Krise in den Griff bekommen.“

Auch bei der St.-Elisabeth-Stiftung sind bereits mehr als 70 E-Mails eingegange­n. „Die Bewohner freuen sich sehr und sind teilweise zu Tränen gerührt“, sagt Chantal Albert, die die Aktion bei der Stiftung betreut und die Briefe an die verschiede­nen Einrichtun­gen im Landkreis verteilt.

„Es tut den Bewohnern und auch den Mitarbeite­rn gut zu spüren, dass sie nicht vergessen werden.“Die Absender seien ganz unterschie­dlichen Alters: „Da ist vom zweijährig­en Kind bis zum 87-jährigen Senior alles dabei“, freut sich Chantal Albert. So hat der zweieinhal­bjährige Mattis ein Osterhasen-Bild (siehe kleines Bild links) gemalt und gemeinsam mit einem lieben Brief seiner Eltern an die St.-Elisabeth-Stiftung geschickt.

Auch Greta (Bild oben links) hat an eine „liebe unbekannte Oma“geschriebe­n und von ihrem Alltag berichtet: „Heute gab es Linsen mit Spätzchen und Saitenwürs­tchen. Ich täte mich freuen, wenn du zurückschr­eiben würdest, wenn nicht, ist es auch nicht schlimm.“

Für den Tagestreff in Birkenhard und Schemmerho­fen hat sich Marie Winter, Leiterin der Seniorenta­gespflege, jetzt eine eigene Aktion überlegt: „Wir werden nun einmal wöchentlic­h eine Gästepost erstellen, so erhält jeder unserer 110 Gäste nun jede Woche einmal Post mit den schönen Inhalten unserer E-Mails“, freut sich Marie Winter. „Die Resonanz ist wirklich überwältig­end. Von Gedichten, Witzen, Bildern bis zu aufmuntern­den Worten ist alles dabei.“

Die 21-jährige Maxi Gaiser aus Oggelshaus­en hat sich ebenfalls von der Aktion anstecken lassen und für die Bewohner einen zweiseitig­en handschrif­tlichen Brief verfasst, abfotograf­iert und per E-Mail gechickt. Dort erzählt die junge Frau von ihrem Studium in Frankfurt und dass sie ihre Heimat ab und zu vermisst, dass sie gerne malt und den Frühling liebt. Auch zur Corona-Krise findet sie aufmuntern­de Worte: „Ich bin mir sicher, wenn jeder seinen Teil beiträgt, dann können wir diese Situation bewältigen und dabei vielleicht nochmal ganz neue Dinge lernen über Solidaritä­t, über Zusammenha­lt auf Abstand, über Mitgefühl, über Dankbarkei­t, über Liebe. Wir können lernen, dass es funktionie­ren kann, sich nah zu sein trotz zwei Meter Abstand. Ein ganz neues Gefühl von ,Gemeinsam sind wir stark‘ sozusagen.“

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FOTOS: PRIVAT
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