Schwäbische Zeitung (Biberach)
Palmsonntag verkehrt
Die Segnung der Palmen und Palmzweige in der Gottesdienstgemeinschaft und der Anblick der farbenfroh gestalteten Palmen – wir müssen dieses Jahr aus der Erinnerung leben. Wenn sich bisher viele Menschen zum Palmsonntagsgottesdienst versammelten, so ist das dieses Jahr anders. Verkehrte Welt.
Unser Glaube, der sich vielfach in Nähe ausdrückt, im persönlichen Gespräch und im gemeinschaftlich gefeierten Gottesdienst, in der Kommunion, im Abendmahl, dieser Glaube ist herausgefordert, sich zu bewähren im nun ganz persönlichen, durch Isolierung eingegrenzten Leben. Viele Menschen, denen ich in meiner Arbeit begegnet bin, haben mir ihre persönlichen Gebete, ihre Gebetsbücher, ihren Rosenkranz, ihre Andenken aus Wallfahrtsorten gezeigt und mir damit ihren Glauben erklärt. Ihr ganz persönliches Gebet, ihre Suche nach Gott, ihr gewachsenes Vertrauen, das zum Halt, zur Sicherheit und zum Trost geworden ist. Und das zumeist in schweren Zeiten, in Zeiten der Krankheit, in Zeiten von Trennungen, nach dem Tod eines Angehörigen, nach erlittenen Enttäuschungen, Demütigungen, Ausgrenzungen oder auch Gewalt.
Mein Glaube, unser Glaube wird im Angesicht der Corona-Erkrankungen und des Sterbens vieler Menschen herausgefordert.
Der Palmsonntag ist der Beginn der Karwoche, in der nach der Feier des Letzten Abendmahls am Gründonnerstag, der Erinnerung an Jesu Tod und Sterben am Karfreitag schließlich in der Auferstehungsfeier an Ostern der Höhepunkt unseres Glaubens gefeiert wird. Diese Woche können wir auch zu Hause gestalten und feiern. Indem wir unseren Palmzweig, vielleicht mitgenommen auf einem Spaziergang, in eine Vase stellen und dabei an Jesu Einzug in Jerusalem erinnert werden. Wir können am Gründonnerstag in unserer Familie das Brot brechen und teilen und einen Becher Wein oder Saft trinken im Andenken an Jesu letztes Abendmahl.
Am Karfreitag gedenken wir in der Todesstunde Jesu all jener Menschen, die derzeit sterben müssen, und an alle, die sie loslassen müssen. Und in der Osternacht können wir in der Erinnerung an Jesu Auferstehung all jenen vielen Menschen danken, die in der Pflege, der Medizin, in den Lebensmittelgeschäften und in allen Berufen arbeiten, die das Funktionieren unseres Alltags, auch unserer Sicherheit und Ordnung gewährleisten. Mit einem meiner Lieblingsgebete wünsche ich Ihnen Gesundheit, Geduld, Kraft und Gottes begleitenden Segen:
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Welches ist Ihr Lieblingsgebet? Gerne dürfen Sie mir schreiben: johannes@walter-bc.de