Schwäbische Zeitung (Biberach)
Bereit, jede Last zu tragen
Liebherr erzielt 2019 Rekordumsatz – Traditionskonzern sieht sich deshalb für Corona-Krise gut gewappnet
RAVENSBURG/BULLE - Wenn man den Liebherr-Schwerlastkran HLC 295000 neben das Ulmer Münster stellen würde, würde er den höchsten Kirchturm der Welt um gute 18 Meter überragen. Der größte Kran, den der oberschwäbische Mischkonzern je gebaut hat, wird dieser Tage in Rostock auf dem Lastschiff „Orion“montiert. Er trägt 5000 Tonnen und soll bei der Errichtung von Windkraftanlagen im Meer eingesetzt werden.
Mit solch schweren Geräten ist der oberschwäbische Mischkonzern – Liebherr stellt auch Bergbaugeräte, Verkehrstechnik und Haushaltsgeräte her – bekannt geworden. 2019 war erneut ein gutes Jahr für den 1949 in Kirchdorf an der Iller gegründeten Konzern. Für die Corona-Krise sieht sich das Unternehmen „trotz massivem Einfluss auf die Geschäfte“– wie es im Geschäftsbericht heißt – deshalb gut vorbereitet.
Liebherr stellte am Montag den Geschäftsbericht für das vergangene Jahr vor. Die Firmengruppe erzielte einen Umsatzrekord von 11,75 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von 1,2 Milliarden Euro oder 11,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Liebherr habe den Vorteil, breit aufgestellt zu sein, kommentiert Jan Liebherr, Mitglied des Verwaltungsrates des Familienunternehmens, die Entwicklung. „Wir sind nicht von einzelnen Branchenentwicklungen abhängig.“Große Zuwächse habe der Konzern in Westeuropa und Nordamerika generiert. „Insbesondere in Deutschland, den USA und Kanada, also in etablierten Industrienationen, haben sich die Umsätze stark entwickelt“, sagt Sabine Wohlfahrt, ebenfalls Mitglied des Verwaltungsrates und Tochter von Isolde Liebherr, die gemeinsam mit ihrem Bruder Willi Liebherr den Verwaltungsrat des Familienunternehmens führt.
Das operative Ergebnis jedoch sank im Vergleich zum Vorjahr leicht auf 603 Millionen Euro – im Vorjahr waren es 632 Millionen Euro. „Insgesamt sind wir zufrieden. Wir erwarten aber, dass sich unsere hohen Investitionen der vergangenen Jahre in Zukunft deutlicher im Ergebnis niederschlagen werden“, sagt Firmenchefin Isolde Liebherr. Allein 2019 flossen insgesamt 756 Millionen Euro in die Produktionsstätten und das weltweite Vertriebs- und Servicenetz. Unter dem Strich verdiente das Unternehmen nach eigenen Angaben aber 429 Millionen Euro, und legt damit um 108 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr zu.
Vor allem das Stammgeschäft des Konzerns legte zu: Bei Baumaschinen und Minenfahrzeugen stieg der Umsatz nach Unternehmensangaben um 11,8 Prozent auf 7,64 Milliarden Euro. In den anderen Produktbereichen, zu denen Maritime Krane, Aerospace und Verkehrstechnik,
Verzahntechnik und Automationssysteme und Hausgeräte gehören, konnte der Umsatz um 10,5 Prozent auf 4,11 Milliarden Euro gesteigert werden, teilt das Unternehmen mit. Die Zahl der Beschäftigten stieg 2019 erneut an. So waren zum Jahresende 2019 weltweit rund 48 000 Mitarbeiter bei Liebherr beschäftigt, etwa 1900 mehr als im Jahr zuvor.
Auch der Start in das Jahr 2020 begann für die Firmengruppe zunächst gut, aber: „Mittlerweile müssen wir damit rechnen, dass es infolge der Pandemie zu Umsatzrückgängen kommen wird“, sagt Firmenchef Willi Liebherr. In welchem Ausmaß das der Fall sein wird, dazu könne das Unternehmen noch nichts sagen. Beeinträchtigungen in der Wertschöpfungskette seien derzeit vor allem auf Lieferengpässe aus den stark von Corona-Infektionen betroffenen Ländern und Regionen zurückzuführen. Dies führe vorübergehend zur Schließung einzelner Werke oder Anpassungen beim Produktionsumfang. In einigen Werken müsse man mit Kurzarbeit reagieren, teilt ein Sprecher des Unternehmens mit.
Jedoch geht das Unternehmen davon aus, dass die breite Aufstellung des Konzerns, die 2019 noch zum Rekordumsatz führte, auch jetzt in der Krise wie ein Schutzschirm wirkt. „Gerade für Herausforderungen, wie sie die Zeit während und nach der gegenwärtigen Pandemie bereithalten wird, ist unsere Firmengruppe dadurch gut vorbereitet“, sagt Willi Liebherr. So endet der Geschäftsbericht des Unternehmens auch mit Worten, die motivieren sollen: Der hohe Bestand an flüssigen Mitteln werde Liebherr selbst bei einer Eskalation der Situation in die Lage versetzen, über Monate hinaus eine Krisensituation zu bewältigen.