Schwäbische Zeitung (Biberach)
Den schlechten Nachrichten aus England trotzen
Rolls-Royce Power Systems in Friedrichshafen will zehn Prozent der Personalkosten einsparen
FRIEDRICHSHAFEN - Der britische Rolls-Royce-Konzern will im Zuge der Corona-Krise weltweit zehn Prozent der Personalkosten einsparen. Von den Maßnahmen ist auch RollsRoyce Power Systems (RRPS) in Friedrichshafen betroffen. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang unter anderem über die Einführung von Kurzarbeit. Der Betriebsratsvorsitzende Thomas Bittelmeyer kritisiert die geplanten Maßnahmen im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“stark. Sie dienten nur dazu, dem stark angeschlagenen Mutterkonzern in England Liquidität zu verschaffen.
„Wir steuern insgesamt auf ein positives Jahr zu“, sagt Bittelmeyer über RRPS. „Ich gehe von einem Gewinn aus.“Trotz der bereits im vergangenen Jahr vereinbarten Betriebsruhe für diese Woche arbeiten laut Bittelmeyer beim Motorenbauer 1000 (von insgesamt 6000) Mitarbeitern am Standort Friedrichshafen. Sie versuchen Verzögerungen aufzuholen, die aufgrund der neuen Corona-Sicherheitsbestimmungen entstanden seien. Auch an den Samstagen sei in den vergangenen Wochen gearbeitet worden. „Es ist nicht so, dass die Leute Däumchen drehen“, sagt der Betriebsratsvorsitzende. Der Markt breche für RRPS nicht ein.
Warum also die Sparmaßnahmen? „Rolls-Royce PLC hat massive finanzielle Probleme“, sagt Bittelmeyer dazu. Der Mutterkonzern verdiene als Turbinenhersteller vor allem an den Flugstunden der Flugzeuge über entsprechende Serviceleistungen. Da gerade 95 Prozent davon am Boden stünden, „verdienen die kein Geld und machen dem Gesamtkonzern Vorgaben“. Technische Probleme mit dem neuen Trent-1000Getriebe hatten Rolls-Royce zuletzt ebenfalls viel Geld gekostet.
Der Friedrichshafener Motorenbauer weist die Sicht des Betriebsrats zurück. Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“betonte ein Sprecher, dass RRPS die Entscheidung über die Sparmaßnahmen selbst getroffen habe und nicht der Mutterkonzern. „Weil wir unser Geschäft am besten kennen, liegt es auch an uns, mit Augenmaß die richtigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen.“So sollten diese auch mit Blick auf die Liquidität des gesamten Konzerns
getroffen werden, „vor allem aber in dieser herausfordernden Situation auf unser Geschäft zugeschnitten sein“. Maßnahmen wie etwa Kurzarbeit würden derzeit geprüft und mit den Arbeitnehmervertretern diskutiert.
RRPS hatte am Montag in einer Mitteilung Schritte des Geschäftsbereichs Power Systems und des gesamten Rolls-Royce-Konzerns angekündigt, „um die finanzielle Liquidität zu gewährleisten“. Der Vorstandsvorsitzende Andreas Schell hatte sich außerdem mit einem Brief an die Mitarbeiter gewandt, in dem er Ankündigungen von Rolls-RoyceCEO Warren East darstellte. Der Brief liegt der „Schwäbischen Zeitung“vor. Die Corona-Pandemie verursache einen wirtschaftlichen Rückgang auf globaler Ebene, schreibt Schell. Auch RRPS sei betroffen. Man gehe davon aus, dass Erholung oft nur mittel- und langfristig einsetzen werde. Es handle sich nicht um eine kurzfristige Delle. „Wir werden nicht zügig zu einer alten Ausgangslage zurückkehren“, schreibt Schell. Der Gesamtkonzern Rolls-Royce hat am Montag seine Prognose für 2020 zurückgezogen und die Schluss-Dividende für 2019 ausgesetzt. Konzernchef East kündigte zudem an, dass man sich eine neue Kreditlinie in Höhe von 1,5 Milliarden Euro gesichert habe.
Dass man jetzt den Konzern in irgendeiner Form unterstütze, sei in Ordnung, sagt Bittelmeyer dazu, aber „wir werden mit aller Macht versuchen zu verhindern, dass RollsRoyce PLC zu einem Kahlschlag ansetzt“. Es dürfe nicht zulasten von RRPS mit der Kernmarke MTU gehen, indem man wild Personal reduziere. Entlassungen seien in diesem Zusammenhang ohnehin nicht möglich. „Wir haben eine gültige Standortund Beschäftigunssicherung“, sagt Bittelmeyer. Diese läuft bis 2023, „es wird keine betriebsbedingten
Entlassungen geben“. Da, wo es Arbeit gebe, müsse man Umsätze generieren, sagt Bittelmeyer in Bezug auf den Standort Friedrichshafen. Der Mutterkonzern komme immer mit der Schere, „leider setzt Herr Schell das 1:1 um“, so Bittelmeyer.
Die Personalkosten sollen laut RRPS-Mitteilung global um zehn Prozent gesenkt werden. Die Maßnahmen dazu würden je nach regionaler Rechtslage noch detailliert ausgearbeitet. Das Startdatum soll der 1. Mai sein. Laut RRPS sollen die Führungskräfte freiwillig temporär auf zehn Prozent ihres Gehalts verzichten. Der Vorstand habe das für sich bereits beschlossen. Außerdem gehe es in Deutschland um Arbeitszeitreduzierungen, zum Beispiel in Form von Kurzarbeit. Auch alle Leiharbeitsverhältnisse sollen auf Notwendigkeit überprüft werden, heißt es in der Mitteilung weiter. Und es gibt einen Stopp sämtlicher Neueinstellungen. RRPS kündigt außerdem strengste Kostendisziplin bei Reisen und Vergabe von Dienstleistungsund Beraterverträgen an und den Stopp sämtlicher nicht-geschäftskritischer Ausgaben.
Kurzarbeit macht für Bittelmeyer nur Sinn, wenn keine Arbeit mehr da sei. Das drohe zum Beispiel, wenn die Krankheitsquote wegen Corona so ansteige, dass man die Produktion nicht aufrechterhalten könne. „Das ist heute nicht der Fall.“Auch die Teileversorgung sei bis Kalenderwoche 17 oder 18 gesichert. Kurzarbeit, um die Personalkosten zu reduzieren, „würden wir auf keinen Fall mitmachen“. Einen freiwilligen Gehaltsverzicht der meisten Führungskräfte hält Bittelmeyer für nicht umsetzbar, da deren Gehälter tariflich geregelt seien. „Wenn ich da was machen will, muss ich an den Tarifvertrag ran“, sagt er. Das Unternehmen erklärte, dass der freiwillige Gehaltsverzicht nur für Führungskräfte diskutiert werde, die nicht tariflich gebunden sind.
Schell verweist in seinem Schreiben an die Mitarbeiter auf positive Signale im ersten Quartal. Der Verkauf verzeichne einen guten Auftragseingang. Im Bereich Governmental Marine habe man langfristige Verträge mit einem Wert von über 100 Million Euro zeichnen können. Auch in China arbeite man erfolgreich daran, das Geschäft wieder zum Laufen zu bringen, schreibt Schell. Die Diversifizierung des Unternehmens in 13 Industrien biete jetzt Chancen. Einige würden sich schneller und andere langsamer erholen. Man habe zum Teil eine systemkritische Rolle, etwa bei der stationären Notfall-Stromversorgung, dem Transportwesen und im Bereich Governmental.
Auch Bittelmeyer sieht Chancen für RRPS, was etwa die Stromversorgung von Notkrankenhäusern betrifft. Ob der Mutterkonzern RollsRoyce seine finanziellen Probleme am Ende in den Griff bekommen wird, kann Bittelmeyer nicht sagen. „Mein Ziel als Betriebsrat ist aber, dass das Unternehmen am Ende so gut dasteht und so attraktiv ist, dass Rolls-Royce bei einem massiven Liquiditätsengpass ein Interesse hat, uns zu einem möglichst guten Preis zu verkaufen“, sagt der Betriebsratsvorsitzende, „und uns nicht mit in seinen Strudel runterreißt. Und am Schluss gehen wir dann mit kaputt.“Es gehe schließlich um 10 000 Mitarbeiter weltweit.