Schwäbische Zeitung (Biberach)
Nüchterne Analyse
Es wurde im Vorfeld viel spekuliert und noch mehr gehofft. Fast die ganze Nation wartete mit Spannung darauf, auf was sich Angela Merkel und die Ministerpräsidenten im Kampf gegen das Coronavirus verständigt haben. Die Hoffnungen auf deutliche Lockerungen waren verfrüht. Bund und Länder stehen weiter auf der Bremse, wollen nach eigenen Worten „nicht vorpreschen“, um einen „zerbrechlichen Zwischenerfolg“nicht zu gefährden.
So bleibt es bei der düsteren Stimmungslage, die von Angst vor Ansteckung, den strengen Kontaktbeschränkungen, geschlossenen Schulen, der Furcht vor Arbeitslosigkeit oder der Pleite des eigenen Unternehmens geprägt ist. Ob in dieser Situation nun die Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem bayerischen Ministerpräsidenten den Kollegen aus Düsseldorf ausgebremst hat oder auch nicht, ist für Politikstrategen spannend, viele Menschen wollten jetzt einfach andere Dinge wissen und das möglichst konkret: Wann können die Angehörigen in Altersheimen wieder besucht werden? Wann gehen die Kinder in die Schule? Wird die Firma den Betrieb wieder vollständig aufnehmen? Normalisiert sich das Leben in den Städten und ist auch mal wieder der Besuch eines Biergartens oder gar Fußballspiels möglich?
Auf diese Fragen gab es keine befriedigenden Antworten. Es konnte sie auch gar nicht geben. Die nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina beschreibt recht gut die ganze Krux. Die Frage sei nicht in erster Linie, wie Wissen in unterschiedlichen Disziplinen abgerufen werden könne. Wichtig sei, wie die politischen Entscheider mit den notwendigerweise unterschiedlichen Wissensbeständen umgehen und in welchen Abwägungsverfahren sich folgerichtige Entscheidungen treffen lassen. Mit anderen Worten: Ein bisschen Googeln und Protzen à la Donald Trump reicht nicht. Es hilft nur eine nüchterne Analyse. Leicht sind die Entscheidungen weder Merkel noch Söder und Co. gefallen, denn sie wissen um die wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Folgen ihrer Entschlüsse.