Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die rätselhafte First Lady im Hintergrund
Die Rolle von Trumps dritter Ehefrau Melania ist bisher uneindeutig – Nun wird das einstige Model 50 Jahre alt
Unter normalen Umständen hätte sie am Dienstag, fünf Tage vor ihrem Geburtstag, ein Staatsbankett zu Ehren des spanischen Königspaars dirigiert. Sie wäre in ihrem Element gewesen. Ein State Diner zu organisieren, akribisch auf jedes Detail zu achten – laut ihrem Stab gehört es zu den Aufgaben, denen sich die First Lady mit besonderer Hingabe widmet. Kompromisslos auf Perfektion bedacht. Die Umstände aber sind nicht normal, Staatsgäste fliegen momentan nicht über den Atlantik, um sich im Kandelaberglanz des Weißen Hauses bewirten zu lassen. Melania Trump hat sich angepasst. Sie sei, schrieb neulich die „Washington Post“, eine First Lady in Zeiten des Krieges. Wobei man hinzufügen sollte, dass Amerikaner schnell vom Krieg reden, wenn sie eigentlich einen Kraftakt meinen, das Abwehren einer Gefahr, eine kollektive Anstrengung, um eine schwierige Lage zu meistern.
Das mit der Anpassung ist ihr, wie auch dem Rest des Landes, zu Beginn nicht leichtgefallen. Noch Anfang März hatte es den Anschein, als nähme sie das Coronavirus, ähnlich wie ihr Mann, nicht wirklich ernst. Voller Stolz brachte sie Bilder in Umlauf, die sie beim Inspizieren einer Baustelle hinterm Weißen Haus zeigten – der Baustelle eines überdachten Tennisplatzes. Es hagelte Kritik, und die Lektion hat sie gelernt. Inzwischen wendet sie sich nur noch dann an ihre 13,9 Millionen Follower bei Twitter, wenn sie Tipps zum Umgang mit der Pandemie zu geben hat. Die sind meist simpel, aber immer konstant, was sie vom Zickzackkurs eines mal alle Macht für sich beanspruchenden, mal für nichts die Verantwortung übernehmenden Präsidenten unterscheidet. Melania hat zum Blutspenden aufgerufen, zu gründlichem Händewaschen ermahnt, sie hat Ärzten und Krankenpflegern für ihren Einsatz gedankt und beruhigende, bisweilen banale
Sätze in ein Mikrofon gesprochen: „Ich möchte Eltern dazu ermuntern, ihren Kindern zu sagen, dass dies nicht ewig dauert.“
Am Sonntag, 26. April, wird Melania Trump 50 Jahre alt. Aufgewachsen im slowenischen Sevnica, zog sie 1996 nach New York, wo sie ihre Modelkarriere zu krönen hoffte. Ihren späteren Ehemann lernte sie 1998 auf einer Party im Kit Kat Club in Manhattan kennen. Im Jahr 2005 folgte eine glamouröse Hochzeitsfeier in Palm Beach, für Trump die dritte Ehe, zelebriert mit Gästen wie Bill und Hillary Clinton. Im Jahr darauf kam der gemeinsame Sohn Barron zur Welt, und seit Januar 2017 residiert sie an der Pennsylvania Avenue in Washington.
Was hinter den Kulissen der Macht geschieht, behält sie mit einer Konsequenz für sich, die so gar nicht zum Weißen Haus passt – zu einer Regierungszentrale, aus der bereits so viel an Vertraulichem durchsickerte, dass es reichte, um den Autor Michael Wolff gleich zwei Bestseller in Folge über hausinterne Ränkespiele schreiben zu lassen. Die noch immer rätselhaft wirkende Frau hält sich diskret im Hintergrund. Während ihre Vorgängerin Michelle Obama zum Schluss so mitreißende
Wahlkampfreden hielt, dass es Zeitgenossen gibt, die ihr mit Blick auf 2024 dringend zu einer Präsidentschaftskandidatur raten, pflegt sie das Unpolitische.
Der Versuch, durch eine eigene Initiative Akzente zu setzen, hat eher Häme provoziert als Zuspruch hervorgerufen. Mit „Be best“macht sie Cyber-Mobbing zum Thema, wirbt sie für einen zivileren Ton in sozialen Medien. Nur wirkt das kaum glaubwürdig, wenn der prominenteste aller Cyber-Tyrannen mit ihr verheiratet ist und ihre Kampagne nicht das Geringste an seinen Tiraden zu ändern vermochte.
Hat sie Einfluss? Oder ist sie nur ein Feigenblatt? Den bisher ausführlichsten Versuch, Antworten zu geben, hat Kate Bennett unternommen, eine Journalistin des Fernsehsenders CNN. In dem Buch „Free, Melania“stellt sie die These auf, dass die First Lady, bei aller Zurückhaltung, in Wahrheit eine Feministin sei, eine moderne Feministin. Weil sie gelegentlich das genaue Gegenteil dessen tue, was ihr Mann von ihr erwarte. Was Bennett an Beweisen anführt, beschränkt sich im Wesentlichen auf optische Signale. Demnach ist man gut beraten, genauestens auf die Kleiderwahl der First Lady zu achten.
Da wäre jener Januartag des Jahres 2018, an dem der 45. Präsident der USA seine erste Rede zur Lage der Nation hält und sie im weißen Hosenanzug der Marke Christian Dior auf der Parlamentstribüne erscheint. Hosenanzüge sind das Markenzeichen Hillary Clintons. Donald Trump mag es nicht, wenn Frauen sie tragen. Und Weiß war die Farbe der Suffragetten, die einst für das Frauenwahlrecht marschierten. Daher, so interpretiert es Bennett, konnte man einen weißen Hosenanzug wohl nur als Zeichen des Widerspruchs verstehen.
Drei Wochen zuvor war publik geworden, dass der New Yorker Anwalt Michael Cohen einer Pornodarstellerin mit dem Namen Stephanie Clifford 130 000 Dollar zahlte, damit sie im Wahlkampf 2016 nicht über eine Sexaffäre mit Trump plauderte. „Meine Theorie ist, dass Melania, wann immer die Trumps miteinander hadern, Männersachen trägt“, schreibt Bennett. Oder die Schutzmaske. Kürzlich ließ sich Melania Trump mit einem weißen Exemplar vor Mund und Nase fotografieren, während ihr Gatte die Empfehlung zum Maskentragen mit den Worten konterkarierte, dass er bestimmt keine aufsetzen werde. Einmal mehr stand die Frage im Raum, ob es sich um einen subtilen Akt stillen Aufbegehrens handelte.