Schwäbische Zeitung (Biberach)
Menschenrechtsverletzer vor dem Premier-League-Einstieg
Der saudische Kronprinz will Newcastle United übernehmen: Amnesty International ist außer sich, ein Sponsor aus Katar wütet, die Fans sind gespalten
NEWCASTLE (SID/dpa) - Geld oder Moral – der ewige Zwiespalt des globalen Profifußballs ist zumindest in England sogar während der CoronaZwangspause aktueller denn je. Nun schickt sich auch noch der letzte arabische Global Player Saudi-Arabien an, in der Premier League mitzumischen, und steht beim Liga-Dreizehnten Newcastle United zur Übernahme der Mehrheit bereit.
Medienberichten zufolge will ein Konsortium, das von der britischen Geschäftsfrau Amanda Staveley angeführt wird, Newcastle United für 300 Millionen Pfund (340 Millionen Euro) übernehmen. Der Öffentliche Investmentfonds Saudi-Arabiens hält demnach 80 Prozent an dem Konsortium und wäre somit Mehrheitseigner des Clubs. Einflussreichster Mann des Fonds ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, dem schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt werden.
Bin Salman ist es wohl schon länger ein Dorn im Auge, dass sich sein politischer Erzrivale Katar mit Paris
St. Germain und auch die Vereinigten Arabischen Emirate mit Manchester City im Glanze des Erfolges sonnen können und damit ihr Image immer positiver beeinflussen. Und will sich daher den Deal knapp 340 Millionen Euro kosten lassen.
Sollte die Ligaführung diesem Angebot
zustimmen, wäre das für Amnesty International (AI) ein verheerendes Signal. Im Falle einer Genehmigung, heißt es in einem Brief der Menschenrechtsorganisation an Ligaboss Richard Masters, riskiere die Liga, „zum Handlanger eines diktatorischen Regimes zu werden, das seine katastrophale Menschenrechtsbilanz durch Sport reinwaschen will“.
Doch der junge Monarch hat mit dem sogenannten „Sportwashing“längst begonnen, „Vision 2030“heißt dieses Projekt etwas euphemistisch. In den vergangenen Monaten fanden in der Hauptstadt Dschidda bereits das Finale um den spanischen Supercup, ein ATP-Tennisturnier und eine Box-Weltmeisterschaft im Schwergewicht statt.
Spektakuläre Events, deren Strahlkraft die Verfolgung von politischen und sexuellen Minderheiten im Wüstenund Ölstaat ebenso überdecken soll wie auch die nahezu weltweit geächtete Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi. Nach einer AI-Statistik richteten die Saudis im Vorjahr 184 Menschen hin, ein trauriger Todes-Weltrekord.
Aber während die Proteste von Menschenrechtlern eher ungehört verhallen dürften, könnte das Geschäft zwischen dem saudischen Staatsfonds und dem aktuellen Clubbesitzer Mike Ashley durchaus noch am Veto von beIN SPORTS scheitern. Denn dem Pay-TV-Sender aus Katar ist durch den Piratensender beoutQ , der dank Unterstützung aus SaudiArabien illegal Partien der Premier League kostenfrei und unverschlüsselt im arabischen Raum verbreitet, ein höchst unerwünschter Rivale in die Quere gekommen.
„Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass so das zukünftige wirtschaftliche Modell des Fußballs auf dem Spiel steht“, sagte Großbritanniens beIn-SPORTS-Geschäftsführer Yousef al-Obaidly. Untersuchungen seitens der FIFA und der UEFA bestätigen mittlerweile das illegale Geschäftsgebaren von beoutQ. Newcastles Käufer sei genau derjenige, der die kommerziellen Rechte der Premier
League drei Jahre lang gestohlen habe und dies weiterhin tue, erklärte beIN Sports.
Hinter dem Streit steckt ein großer politischer Konflikt am Golf. SaudiArabien und mehrere Verbündete hatten 2017 eine Blockade über Katar verhängt. Sie werfen dem benachbarten Emirat und Gastgeber der FußballWM 2022 unter anderem zu enge Kontakt zum saudischen Erzfeind Iran vor. Katar wies die Vorwürfe zurück
Die Anhängerschaft von United, das seit einem Jahrzehnt in der Liga über die Rolle einer grauen Maus nicht hinauskommt und 2015/16 sogar ein Jahr in Liga zwei spielte, ist gespalten. Zahlreiche Fans träumen von den Saudi-Millionen und der ersehnten Meisterschaft, die die „Magpies“(Elstern) zuletzt 1927 in den Norden Englands holten. Ashley werfen sie Versagen vor. Dem Sportartikel-Milliardär gelang es binnen 13 Jahren nicht, den viermaligen englischen Meister an vergangene Erfolge anknüpfen zu lassen. Dazu passt der aktuelle Tabellenplatz: Rang 13, Mittelmaß.