Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Das läuft meist unter dem Radar ab“
Mehrfach gingen Personen in der Region illegal ihrem Gewerbe nach
MEMMINGEN - „Das ist ein Delikt, das meist unter unserem Radar abläuft“, sagt Holger Stabik, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West: Aufmerksamkeit ist schlecht fürs Geschäft – darum spielt sich Prostitution in der Regel ab, ohne dass irgendjemand außer den Beteiligten etwas davon mitbekommt. Anders in drei Fällen innerhalb weniger Wochen in der Region: Bei Frauen, die illegal in Memmingen, Amendingen und Babenhausen sexuelle Dienste leisteten, stand danach die Polizei vor der Tür. Die spricht von einer „zufälligen Häufung“und sieht illegale Prostitution nicht als wachsendes Problem, auch wenn sie seit 2016 vermehrt Fälle registriert.
Per se ist Prostitution – sofern sie als einvernehmliche Dienstleistung stattfindet – erlaubt, es gibt auf Bundesebene gesetzliche Regelungen. Nach dem Prostituiertenschutzgesetz sind Sexarbeiter etwa verpflichtet, ihre Tätigkeit dort anzumelden, wo sie diese überwiegend ausüben. Solche Anmeldungen gibt es in Memmingen nicht. Denn die Stadt ist – ebenso wie der Landkreis – ein Sperrbezirk: ein Gebiet, in dem Prostitution untersagt ist. Der erste Verstoß bedeutet laut Stabik eine Ordnungswidrigkeit, für deren Ahndung die Kommunen zuständig sind. Diese Art von Delikten macht dem Pressesprecher zufolge etwa die Hälfte der Fälle aus, welche die Polizei seit 2010 im Zusammenhang mit Prostitution erfasst hat: über die Hälfte davon in Memmingen, etwa 15 Prozent in Mindelheim und die übrigen in Gemeinden.
Darin enthalten sind laut Stabik auch Straftaten, also Fälle, in denen jemand seine Dienste wiederholt anbot. Dies und die hohe Dunkelziffer sorgen dafür, dass die Zahlen wenig darüber verraten, wie viele Personen sich tatsächlich illegal prostituieren. Seit 2010 sind nur wenige Fälle erfasst. Doch tauchte das Thema zuvor kaum auf, so wurden zwischen 2016 und 2019 69 Delikte registriert. Hinweise gehen oft von Nachbarn oder dem
Personal der Hotels ein: „Es wird gemeldet, dass bei einer neuen jungen Mieterin reger Publikumsverkehr im Ein- oder Zwei-Stunden-Takt herrscht“, sagt Stabik. Selbst aus dem Rotlichtmilieu kommen teils Informationen: Stabik zufolge ist Prostituierten, die in größeren Städten tätig sind und sich dort offiziell angemeldet haben, die illegale Konkurrenz ein Dorn im Auge. Auf „digitale Streifenfahrt“begeben sich zudem Beamte des Landeskriminalamts: Sie nehmen einschlägige Internetplattformen unter die Lupe.
Im Netz wimmelt es von Portalen mit eindeutigen Angeboten: Für die Polizei ist dies ein Erklärungsansatz dafür, warum sie es inzwischen öfter mit Prostitution zu tun hat. Zugleich macht es die direkte Form des Kontakts schwer, diesen Delikten auf die Spur zu kommen. Selbst wenn ein notiertes Kfz-Kennzeichen zum Freier führt: Der Fahrzeughalter „sagt dann ziemlich alles außer der Wahrheit. Da ist der Nachweis schwierig“, sagt Stabik. Letztlich lasse sich der Anstieg der Delikte nicht völlig schlüssig erklären. Laut Stabik weichen Prostituierte möglicherweise der legalen Konkurrenz in Kempten und Neu-Ulm aus. Zudem nennt er die verkehrsgünstige Lage Memmingens als potenziellen Faktor. Denn der Ort der Prostitution entspreche keineswegs automatisch dem Wohnort der Prostituierten.
Größtenteils handelt es sich laut Polizei um Frauen. Überwiegend stammten diese aus ehemaligen Ostblock-Ländern. Präzise statistische Angaben zur Herkunft von Freiern oder Prostituierten hat die Polizei nicht, da sie diese Daten nicht systematisch erhebt. Auch seien solche Hintergründe bei Ordnungswidrigkeiten nicht Teil der Ermittlungen. Bei einer Vielzahl dieser Delikte steht laut Polizei und Memminger Ordnungsamt am Ende die Zahlung einer Sicherheitsleistung. Diese fällt an, wenn eine Person keine feste Wohnadresse in Deutschland hat.