Schwäbische Zeitung (Biberach)
Marode Schienen, kaputte Züge
Störungen führen immer häufiger zu Verspätungen – Corona-Krise könnte Situation der Bahn weiter verschlechtern
BERLIN (dpa) - Wer Bahn fährt weiß: Verspätungen gehören zum Alltag. Vor allem Fernzüge in Deutschland verspäten sich immer häufiger wegen Fahrzeugstörungen. Probleme mit den Zügen führten im vergangenen Jahr zu 471 000 Verspätungsminuten, wie der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann, auf eine Anfrage der Grünen antwortete. Das entsprach 13 Prozent der gesamten Verspätungsdauer. Der Anteil aus dem Fernverkehr stieg in den vergangenen Jahren stetig. 2015 waren es noch 328 000 Verspätungsminuten, der Anteil lag bei 9 Prozent.
Der bundeseigene Konzern will zwar auch dank einer milliardenschweren Kapitalerhöhung seine Infrastruktur modernisieren. Nach Informationen der Deutschen PresseAgentur benötigt die Bahn allerdings bis 2024 weitere rund acht bis zehn Milliarden Euro. Denn in der Corona-Krise hält die Bahn den größten Teil des Fahrplans aufrecht – etwa 75 Prozent. Die Fahrgastzahlen im Fernverkehr sind jedoch eingebrochen, auf 10 bis 15 Prozent des Niveaus vor der Krise.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) unterstützt die Forderung der Bahn nach weiterer Staatshilfe. Der kommissarische EVG-Vorsitzende Klaus-Dieter
Hommel bezeichnete die Lage als dramatisch. Hommel sagte: „Die Einbrüche bei den Fahrgastzahlen sind fatal, die Fixkosten aber hoch. Es wird lange dauern, bis das Vorkrisenniveau erreicht ist.“Der Eigentümer – der Bund – müsse die Bahn nun finanziell unterstützen.
Einschnitte beim Personal seien aber ebenso tabu wie bei Investitionen, meinte Hommel. „Es gibt nach wie vor einen Sanierungsstau bei der Bahn. Denkbar wären eine höhere
Verschuldung oder ein höheres Eigenkapital. Wir brauchen Kontinuität bei der Bahn“, sagte Hommel. Der „Bild am Sonntag“sagte der Gewerkschafter, die Führungsriege der Bahn solle als Beitrag zu den Einsparungen auf Teile ihres Einkommens verzichten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lehnte weitere Kürzungen beim Fahrplanangebot ab. „Hier geht Verfügbarkeit vor Wirtschaftlichkeit. Die Deutsche Bahn ist für unser Land ohne
Zweifel systemrelevant und Teil der Daseinsvorsorge. Dass dies nicht zum Nulltarif möglich ist, ist allen Beteiligten von Beginn an bewusst“, sagte Scheuer der „Bild am Sonntag“.
Hommel forderte ein neues „Bahnbündnis“. „Mobilität muss viel mehr verkehrsträgerübergreifend gedacht werden“, sagte er. „Die Akteure rund um das System Bahn müssen viel mehr als bisher an einem Strang ziehen, damit die Bahn durch die Krise nicht wird.“
Insgesamt gesehen war die Bahn 2019 zwar pünktlicher als im Vorjahr. Es gab aber immer noch mehr Verspätungen als angestrebt: 24,1 Prozent der Intercity und ICE kamen zu spät. Dieses Jahr sollen es höchstens 22 Prozent sein. Dabei werden nur die Züge gezählt, die mindestens sechs Minuten zu spät kommen. Der Grünen-Verkehrspolitiker Matthias Gastel forderte, das Management müsse die Probleme mit dem Fuhrpark in den Griff bekommen.
Laut der Antwort Ferlemanns bleiben ICE-Züge immer länger in der Werkstatt. Waren es 2015 im Schnitt noch 17,1 Stunden pro Aufenthalt, stieg die Dauer bis zum vergangenen Jahr auf 23,5 Stunden. Die Bahn verweist unter anderem auf das hohe Alter der Züge; die ICE der ersten Generation etwa sind im Schnitt 29 Jahre alt. 40 Jahre sollen sie nach der Kalkulation durchhalten.
Die Bahn investiert bis 2026 rund zwölf Milliarden Euro in ihre Fahrzeugflotte. Die Hälfte der Summe entfällt auf den Großauftrag für den ICE4, der seit 2017 ausgeliefert wird. Hinzu kommen neue Eurocity-Züge, Doppelstock-Intercitys und weitere Hochgeschwindigkeitszüge, für die der Auftrag noch nicht vergeben ist.
langfristig geschwächt