Schwäbische Zeitung (Biberach)
Schwarzer Jogger verfolgt und erschossen
Zwei Weiße verdächtigt – Jetzt aufgetauchtes Handyvideo steigert die Empörung in den USA
WASHINGTON (dpa) - Ahmaud Arbery wollte nur joggen gehen – dann wurde der 25-jährige Schwarze in Brunswick im US-Bundesstaat Georgia von mindestens zwei Weißen in einem Pritschenwagen verfolgt, gestoppt und erschossen. Der Fall vom 23. Februar hat für Empörung gesorgt, besondere Brisanz gewinnt er nun durch die Veröffentlichung eines Handyvideos, das die Tat zeigen soll. Georgias Kriminalamt GBI teilte mit, Staatsanwalt Tom Durden habe die Behörde beauftragt, Ahmaud Arberys Tod zu untersuchen. Gouverneur Brian Kemp schrieb auf Twitter, die Menschen in Georgia verdienten Antworten.
Ahmaud Arbery wird in Medienberichten als Athlet beschrieben, der regelmäßig trainierte. Die vom Anwalt seiner Familie, Lee Merritt, auf Twitter verbreitete Aufnahme zeigt, wie ein Jogger auf einen stehenden Pick-up zuläuft. Als er um das Fahrzeug herumläuft, wird er in ein Handgemenge mit einem Mann mit einem Gewehr verwickelt. Ein weiterer Mann auf der Ladefläche scheint zugleich eine Handfeuerwaffe in Anschlag zu bringen. Schüsse sind zu hören. Der verwackelte 28-SekundenClip ist aus einem Fahrzeug aufgenommen, das sich der Szene nähert und schließlich selbst zum Stehen kommt. Der Aussage eines Verdächtigen im Polizeibericht zufolge brach Ahmaud Arbery nach den Schüssen auf der Straße zusammen. Anwalt Merritt nannte die Täter „Rassisten“.
Nach US-Medienberichten handelt es sich bei den Verdächtigen um einen 64-jährigen früheren Polizisten und dessen 34-jährigen Sohn. Nach dem von der „New York Times“veröffentlichten Polizeibericht sagte der Vater aus, der Jogger habe einem Einbrecher ähnlich gesehen, der zuvor auf Videokameras in der Nachbarschaft aufgenommen worden sei. Er habe daraufhin seinen Sohn gerufen, beide hätten sich bewaffnet. Sie seien Ahmaud Arbery in ihrem Pick-up hinterhergefahren und hätten ihm zugerufen, sie wollten mit ihm sprechen. Dann hätten sie angehalten.
Im Polizeibericht heißt es, der Sohn sei mit seinem Gewehr ausgestiegen. Der Vater habe angegeben, Ahmaud Arbery habe den Sohn dann angegriffen, es sei zu einem Kampf ums Gewehr gekommen. Der Sohn habe zweimal geschossen. Ahmaud Arbery sei an den Verletzungen gestorben. Opferanwalt Merritt warf den Verdächtigen in einer Mitteilung „Mord“vor: „Arbery hatte kein Verbrechen begangen, und es gab keinen Grund für diese Männer zu glauben, dass sie das Recht hätten, ihn mit Waffen zu stoppen oder tödliche Gewalt anzuwenden.“Der Jurist forderte, die Verdächtigen müssten bis zur Anklageerhebung in Untersuchungshaft genommen werden. Zwar habe Staatsanwalt Durden angekündigt, den Fall vor ein Geschworenengericht zu bringen, wegen der Corona-Pandemie
sei die Zusammenkunft von Geschworenengerichten derzeit aber ausgesetzt. Georgias Generalstaatsanwalt Chris Carr zeigte sich „zutiefst beunruhigt“von dem Video. Die prominente Demokratin Stacey Abrams aus Georgia, eine Hoffnungsträgerin der Partei, forderte umfassende Ermittlungen und eine unvoreingenommene Strafverfolgung.
Lee Merritt sprach am Mittwoch von drei Verdächtigen. Der Vater, der Sohn und eine dritte Person „jagten und töteten“Ahmaud Arbery, „weil sie Rassisten sind“, schrieb er auf Twitter. Sie sollten, so der Anwalt, im Gefängnis sitzen – mit lebenslangen Haftstrafen ohne Aussicht auf Bewährung. In US-Medienberichten war nur von zwei Verdächtigen die Rede: dem Ex-Polizisten und seinem Sohn.
Der Fall sorgte auch in Washington für Entsetzen. US-Senatorin Kamala Harris – eine von nur zwei schwarzen Senatoren in der Parlamentskammer
– teilte mit, das Video mache sie „krank bis ins Mark“. Und: „Es sollte kein Todesurteil sein, als Schwarzer Sport zu betreiben.“Der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, nannte den Vorfall „herzzerreißend und widerwärtig“. Ahmaud Arberys Familie habe Gerechtigkeit verdient. „Es muss eine vollständige, unparteiische und schnelle Untersuchung geben.“
Auch Prominente wie BasketballStar LeBron James äußerten sich schockiert. „Wir werden JEDEN TAG/JEDES MAL buchstäblich gejagt, wenn wir unsere eigenen vier Wände verlassen! Können nicht mal joggen gehen“, schrieb der Profi der Los Angeles Lakers auf Instagram. „Was zum Teufel, Mann, soll das ein Witz sein?!?!?!?!?!?“Sänger und Schauspieler Justin Timberlake zeigte sich ebenfalls empört: „Wenn ihr nicht aufgebracht seid, solltet ihr es sein. Gerechtigkeit für Ahmaud Arbery.“