Schwäbische Zeitung (Biberach)
Keine heile Welt mehr an den Dorfschulen
Stadt will zum neuen Schuljahr auch an den Teilort-Grundschulen Schulsozialarbeit einführen
BIBERACH - Auch an den vier Grundschulen in den Biberacher Teilorten Mettenberg, Ringschnait, Rißegg und Stafflangen wird zum kommenden Jahr Schulsozialarbeit eingeführt. Jede Schule erhält dafür eine 0,25-Stelle. Abzüglich von Zuschüssen durch Land und Landkreis verbleiben für die Stadt Kosten von 52 400 Euro jährlich. Zuständig für die Schulsozialarbeit soll, wie an den Schulen in der Kernstadt, der Verein Jugend Aktiv sein. Der Hauptausschuss hat dem zugestimmt (siehe Kasten), es fehlt noch das Ja des Gemeinderats, das am 25. Mai folgen soll. Die vier Leiterinnen der Teilort-Grundschulen halten Schulsozialarbeit an den Dorfschulen für dringend notwendig.
An den Schulen in der Kernstadt gehört Schulsozialarbeit seit Jahren zum Standard. Braith-, Birkendorfund Mittelberg-Grundschule haben derzeit je eine 0,5-Schulsozialarbeiterstelle, die Gaisental-Grundschule eine 0,75-Stelle. Bereits im November 2018 hatten die Rektorinnen der Teilort-Grundschulen einen Antrag auf Schulsozialarbeit gestellt, der damals aber wegen einer laufenden Evaluation zurückgestellt wurde.
Nun hat das Amt für Bildung, Betreuung und Sport nochmals mit den Rektorinnen Denise Lizano (Mettenberg), Jaqueline Potthast (Ringschnait), Monika Lessmeister (Rißegg) und Karolin Ziegler (Stafflangen) gesprochen und die Bedarfe abgeklärt. Dabei zeigte sich – so offenbart es die Sitzungsvorlage für die Stadträte –, dass es die vermeintlich heile Welt an den Dorfschulen nicht mehr gibt oder sie zumindest beträchtliche Risse bekommen hat.
Die Zahl der verhaltensauffälligen Schüler, aber auch der schwierigen Klassen, nehme nach Aussage der vier Rektorinnen immer mehr zu. „Bereits im Grundschulbereich gibt es inzwischen Fälle von Kindern mit psychischen Erkrankungen bis hin zur Suizidgefährdung“, heißt es in der Vorlage. Auch an den Teilortschulen seien die gesellschaftlichen Entwicklungen deutlich spürbar: So komme es immer häufiger zu Konflikten zwischen Schülern und zu Mobbing und Gruppenbildung innerhalb von Klassen. Zudem sei Vandalismus im Schulgebäude eine Folge der veränderten Schülerstrukturen.
Pädagogische Maßnahmen, Elterngespräche oder auch Unterrichtsausschluss führten nach Ansicht der
Rektorinnen nicht zu sinnvollen Lösungen. In Ringschnait seien zum Beispiel in den vergangenen Jahren mehrere Kinder wegen Verhaltensauffälligkeiten an die sonderpädagogische Vinzenz-von-Paul-Schule in Schönebürg versetzt worden. An allen vier Teilortschulen gebe es laut den Rektorinnen zwischen fünf und zwölf Schüler (sogenannte akute Einzelfälle), verteilt auf alle Klassen, die durch Verhaltensauffälligkeiten in besonderem Maße herausstechen und den Unterricht stören.
Als Ursachen der genannten Veränderungen sehen die Schulleiterinnen vor allem die sich wandelnde Gesellschaftsstruktur, Schwierigkeiten im Elternhaus und sinkende Erziehungsleistungen. Zudem spüre man in den Biberacher Teilorten immer mehr ein Spannungsfeld zwischen ländlich und städtisch geprägten Elternhäusern sowie zwischen sozial schwachen und akademisch geprägten Familien.
„Die Schulen finden sich in einem Widerspruch zwischen Elternhäusern mit hohem Anspruch an Kindererziehung, Bildung und Schule sowie Elternhäusern, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind“, heißt es in der Vorlage. Lehrkräfte, die sich in schwierigen Situationen mit den Eltern in Kontakt setzten, sehen sich immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, das jeweilige Kind „nicht zu mögen“. Hier fehle eine vermittelnde Instanz mit Beratungskompetenz.
Diese soll nun mit der Sozialarbeit eingeführt werden. Geplant ist, dass sich zwei Schulsozialarbeiter um jeweils zwei Grundschulen kümmern. Dies erleichtere auch die Vertretungsfunktion, so der Erste Bürgermeister Ralf Miller im Hauptausschuss. In Mettenberg soll ein Raum im Dorfgemeinschaftshaus als Büro für die Schulsozialarbeit genutzt werden, in Ringschnait könnte das Religionszimmer dafür hergerichtet werden, in Rißegg gibt es ausreichend Räumlichkeiten. Lediglich in Stafflangen lasse es der Platz derzeit nicht zu, ein Büro einzurichten, so Miller. Im Rahmen der Sanierung und Erweiterung der Schule müsse ein solches geplant werden, so lange erfolge die Bürotätigkeit von einer anderen Grundschule aus.
Von den 84 100 Euro jährlichen Kosten für die vier Schulen übernehmen Land und Landkreis 31 700 Euro, sodass für die Stadt 52 400 Euro verbleiben. Träger der Schulsozialarbeit ist, wie an den Kernstadtschulen, der Verein Jugend Aktiv.