Schwäbische Zeitung (Biberach)
Internist hat Covid-19 überstanden
Arzt, der die Corona-Teststation in Ravensburg aufbaute, erkrankte selbst schwer
RAVENSBURG - Er hat als Vorsitzender der Kreisärzteschaft die CoronaTeststation in Ravensburg und die Fieberambulanz in Weingarten aufgebaut. Dann erkrankt Hans Bürger selbst an Covid-19. Und zwar schwer. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erläutert er, wie die Krankheit bei ihm verlaufen ist.
Bei welcher Gelegenheit sich der 57-jährige Internist Mitte oder Ende März mit dem neuen Sars-Virus infiziert hat, weiß er nicht. Er glaubt aber nicht, dass es während seiner Arbeit in der Corona-Teststation war, was ja die naheliegendste Erklärung wäre. „Dort war ich immer gut geschützt. Ich tippe eher darauf, dass ich mich bei der Behandlung eines Patienten in unserer Praxis in Vogt angesteckt habe. Aber letztendlich ist das reine Spekulation. Damals kamen ja so viele Infizierte aus dem Skiurlaub zurück, das kann wirklich überall passiert sein.“
Die ersten Symptome, die Bürger an sich selbst bemerkt, sind der Verlust des Geruchssinns und eine Geschmacksstörung. Seine Kinder machen ihn darauf aufmerksam, dass der Kamin stinkt, als er Holz nachlegt, was er überhaupt nicht riechen kann. Ein Bier, das er normalerweise gern mag, schmeckt ekelhaft bitter. Paradoxerweise bringt er dies aber zunächst gar nicht mit einer möglichen Corona-Infektion in Verbindung, obwohl er sich beruflich stark mit dem Thema auseinandersetzt. Erst als er sich wenige Tage später plötzlich fiebrig fühlt, kommt ihm der Verdacht, dass er sich angesteckt haben könnte, und ein Test bringt schnell Gewissheit. „Normalerweise neige ich nicht zum Fieber, auch nicht, wenn ich krank bin, aber da hatte ich plötzlich 41 Grad Celsius“, erinnert sich der Arzt. Weitere Symptome sind Frösteln, trockener Husten, der bis heute noch nicht vollständig weg ist, und unerträgliche Kopfschmerzen, die durch herkömmliche Medikamente nicht verschwinden. Nach etwa drei Tagen setzt bei Bürger die Atemnot ein.
„Wenn meine Frau nicht selbst Ärztin wäre, hätte ich sicher ins Krankenhaus gemusst. Ich war noch nie in meinem Leben so krank“, sagt Bürger heute. Natürlich sind die Hausärzte auch bestens ausgestattet: Das Fingerpulsoximeter, mit dem man die Sauerstoffsättigung im Blut messen kann, zeigt täglich sinkende Werte. Bis 86 Prozent geht der Sättigungsgrad herunter. „Ab 83 Prozent ist man krankenhausreif“, sagt Bürger. Seine Frau besorgt ein Sauerstoffgerät, wie es normalerweise COPD-Patienten brauchen, und schließt ihn daran an. „Eine Woche lang ging es mir richtig schlecht“, so Bürger.
Die extremen Kopfschmerzen führt er darauf zurück, dass das neue Coronavirus nicht nur die Lungen angreifen kann, wie man mittlerweile weiß, sondern auch das Gefäßsystem und weitere Organe wie die Nieren
und das Hirn. „Es fühlte sich an wie eine Gehirnhautentzündung. Allerdings ohne Nackensteife.“
Bürger schläft viel, nimmt vier Kilo ab und überarbeitet seine Vorsorgevollmacht – für den Fall, dass die Sauerstoffgabe doch nicht ausreicht und er irgendwann im Krankenhaus beatmet werden muss. Hatte er Angst zu sterben? „Nein, eigentlich nicht. Ich weiß ja, dass die medizinische Versorgung hier sehr gut ist.“Da er keinerlei Vorerkrankungen hat, sei die Krankheit für ihn nicht so gefährlich gewesen, meint er rückblickend. Er empfiehlt allerdings anderen Covid-19-Patienten, denen es so geht wie ihm und die keine Ärztin zur Frau haben, dringend, nicht zu lange zu warten, bevor sie ins Krankenhaus gehen. „Man muss das sehr, sehr ernst nehmen, das ist kein bloßer Husten mit Schnupfen. Man kann sich morgens noch völlig gut fühlen, und abends haben Sie plötzlich schwere Luftnot.“
Gleichwohl will Bürger aber auch keine Panik schüren. „Die meisten Infizierten haben ja nach wie vor nur leichte Symptome oder gar keine.“Wie seine Frau, die sich auch angesteckt hat. „Ob bei mir, wissen wir nicht.“
Unter der Sauerstoffgabe geht es Bürger dann nach einigen Tagen deutlich besser, das Fieber sinkt. Jetzt hofft er, dass er lebenslang immun gegen den Erreger ist, oder wenigstens für einige Zeit. Denn obwohl die Zahlen der akut Infizierten momentan zurückgehen, sei das Coronavirus nicht aus der Welt. „Die Pandemie wird in Wellen verlaufen. So lange, bis wir entweder einen Impfstoff gefunden haben oder die Herdenimmunität erreicht ist.“
Über die Krankheit, den Verlauf und seine Ängste spricht Hans Bürger auch im kostenlosen Podcast unter www.schwäbische.de/ unserlebenundcorona