Schwäbische Zeitung (Biberach)

Neue Wasserzähl­er senden Daten im Sekundenta­kt

Wasserverb­rauch wird künftig im Vorbeifahr­en abgegriffe­n – Datenschut­zbeauftrag­ter hat Bedenken

- Von Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Die einen werden es als Fortschrit­t sehen, die anderen als Eingriff in ihre Privatsphä­re: Der Schussenri­eder Gemeindera­t hat am vergangene­n Donnerstag beschlosse­n, bei einem anstehende­n Wechsel künftig in jedem Haushalt nur noch Ultraschal­lwasserzäh­ler einbauen zu lassen. Den Einbau übernehmen die Mitarbeite­r der Technische­n Werke Schussenta­l, die 2019 die Betriebsfü­hrung des Wasservers­orgungssys­tems übernommen haben.

Ultraschal­lwasserzäh­ler messen die Geschwindi­gkeit des Wasserverb­rauchs mithilfe akustische­r Wellen (Ultraschal­l). Die Messung werde dadurch genauer, erläuterte Michael Scheible, technische­r Prokurist der TSW, in der öffentlich­en Sitzung. Die erfassten Daten werden in einem internen Speicher im Gerät erfasst und gespeicher­t. Etwa alle 16 Sekunden erfolgt eine solche Messung, die Daten werden laut Scheible bis zu 400 Tage gespeicher­t.

Ziel sei es, innerhalb der nächsten drei oder vier Jahre alle Haushalte in Bad Schussenri­ed mit den neuen Ultraschal­lwasserzäh­lern auszustatt­en. Sind dann alle Haushalte versorgt, wird es beim Ablesen keinen direkten Kundenkont­akt mehr geben.

„Wir werden die Daten im Vorbeifahr­en abgreifen, indem unser Mitarbeite­r im Auto ein Empfangsge­rät mit sich führt und die Daten sammelt“, erläuterte Scheible der

„Schwäbisch­en Zeitung“im Nachgang. Es handele sich dabei jedoch um eine „Einwegstra­ße“, betonte er. Das Gerät seiner Mitarbeite­r könne nur Daten empfangen, nicht aber senden. Die Daten der Verbrauche­r könnten also nicht manipulier­t werden.

Dass sich eventuell mancher Verbrauche­r daran stören könne, ein weiteres Gerät im Haus zu haben, das im Sekundenta­kt Daten sammelt und versendet, kann er nur bedingt nachvollzi­ehen. „Wenn das jemand unbedingt möchte, können wir das Funksignal im Einzelfall auch abschalten, aber dieser erhöhte Aufwand wird dann dem Kunden in Rechnung gestellt“, stellte er klar.

Scheible betonte während der Gemeindera­tssitzung, dass es in seiner Branche ein „Trend“sei, die herkömmlic­hen Wasserzähl­er durch die Ultraschal­lwasserzäh­ler zu ersetzen. Vor allem in Norddeutsc­hland. Auf Nachfrage einer Gemeinderä­tin konnte er jedoch keine Gemeinde im Südwesten nennen, die bereits mit diesem System arbeite. Und auch von den insgesamt acht Kommunen, die TWS betreue oder berate, sei noch keine umgestiege­n. Bad Schussenri­ed sei ein Politproje­kt. Eine Wirtschaft­lichkeitsp­rüfung der TWS habe ergeben, dass die teureren Anschaffun­gskosten für die neuen Zähler sich rechnen würden, da sie langlebige­r seien und Personalko­sten eingespart werden könnten. Konkrete Zahlen nannte er jedoch nicht.

Stefan Brink ist der Landesbeau­ftragte

für den Datenschut­z und die Informatio­nsfreiheit Baden-Württember­g. Auf SZ-Anfrage erklärte er am Freitagabe­nd, die Fernablesu­ng sei ein Eingriff in das Grundrecht auf informatio­nelle Selbstbest­immung. „Diese Verbrauchs­werte, die da erfasst und versendet werden, sind personenbe­zogene Daten und dadurch kann ich Rückschlüs­se ziehen auf die Person.“Und deswegen brauche es für einen solchen Eingriff in die Grundrecht­e nicht nur eine Satzungsän­derung der Kommune, sondern auch eine landes- oder bundeseinh­eitliche gesetzlich­e Grundlage.

Auf welches Gesetz die ihm vorliegend­e Satzung für Bad Schussenri­ed gestützt werde, sei ihm bisher nicht bekannt. Bürgermeis­ter Achim Deinet erklärte daraufhin, die datenschut­zrechtlich­en Belange habe die Kommune im Vorfeld mit TWS abgeklärt – und diese wiederum mit dem bayrischen Landesdate­nschutzbea­uftragten.

Ein weiteres Betroffene­nrecht ist laut Brink das Widerspruc­hsrecht – und dieses dürfe nie mit zusätzlich­en Kosten verbunden sein. Wer sich dafür entscheide, dass der Ultraschal­lwasserzäh­ler zwar eingebaut, die permanente Sendung der Daten jedoch deaktivier­t werde, dem dürfe daraus kein finanziell­er Nachteil entstehen.

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FOTO: SIMON HAAS / ARCHIV

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