Schwäbische Zeitung (Biberach)
Auto bleibt das liebste Kind der Deutschen
Bis zur Corona-Pandemie stieg die Zahl der Zulassungen an – Kritik von DUH-Chef Resch
STUTTGART - Trotz der viel beschworenen Verkehrswende ist der Trend zum eigenen Auto in Deutschland ungebrochen – zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie. Die Gesamtzahl der Pkw auf deutschen Straßen nahm im Jahr 2019 um 620 000 zu. Das geht auf eine Auswertung des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer, dem Chef des Duisburger Center Automotive Research, zurück. Laut der Erhebung stiegen auch die Zulassungen in den deutschen Großstädten an. In Stuttgart war es im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 1,8 Prozent, in München von 2,0 Prozent. „Die Deutschen scheinen ihre Autos zu lieben und wollen offensichtlich immer mehr davon“, so Dudenhöffer.
Diese Tatsache sei seit Langem beobachtbar und widerspreche den Aussagen, dass das Interesse am Auto in den vergangenen Jahren zurückgegangen sei. Die aktuellen Rückgänge bei den Absätzen führen die Experten auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die daraus resultierende Rezession zurück. Im abgelaufenen Jahrzehnt indes stieg der Pkw-Bestand in Deutschland an: 2009 lag er noch bei 41,3 Millionen Fahrzeugen, 2020 bei 47,7 Millionen. Im Schnitt kommen in Deutschland derzeit 574 Autos auf 1000 Einwohner. Der permanent steigende Pkw-Bestand sei nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit feststellbar, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler.
Dass die Großstädter automüde seien, sieht Dudenhöffer damit ebenfalls widerlegt: In den 22 größten deutschen Städten sei sowohl die Anzahl der Autos als auch die PkwDichte angestiegen, schreibt er in seiner Auswertung. „Es scheint, als ob auch die Stadtbewohner, trotz deutlich besserem ÖPNV, geringeren Parkmöglichkeiten und teils teuren Garagen das eigene Auto schätzen.“Weil der Experte auch in Zukunft mit einer steigenden Fahrzeugdichte rechnet, müssten Autos „stadtkompatibel“gemacht werden. „Einerseits leise und emissionslos – sprich das Elektroauto“, zudem müsse das Auto etwa über teilautomatisiertes Fahren sicherheitsbetonter werden – insbesondere gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern.
Kritik an den steigenden Zahlen kam von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Ihr Bundesgeschäftsführer
Jürgen Resch sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „In der Tat hat Dudenhöffer eine Entwicklung angesprochen, die uns ganz große Sorgen bereitet.“Laut Resch müsse die Zahl der Autos in den Städten verringert und stattdessen stärker auf andere Antriebskonzepte wie das Fahrrad oder den öffentliche Personennahverkehr gesetzt werden.
Der Hang zum Auto zeigt sich nach einer repräsentativen Umfrage des Online-Meinungsforschungsinstituts Civey für den „Tagesspiegel“übrigens auch beim Urlaub: 70 Prozent der befragten Bundesbürger, die trotz der Corona-Pandemie in diesem Sommer verreisen wollen, werden demnach mit dem Auto unterwegs sein. Bei Familien mit Kindern liegt der Anteil sogar bei 75 Prozent.