Schwäbische Zeitung (Biberach)
Winterdienst reißt Loch in die Kassen
Kreise fordern vom Land ausreichende Bezahlung für Pflege von Landesstraßen
●
STUTTGART - Sie bessern Schlaglöcher aus, räumen den Schnee und befreien die Straßen von wuchernden Büschen: Die Landratsämter kümmern sich um die Straßen in ihrem Kreis. Zu oft bleiben sie auf den Kosten für ihre Arbeit sitzen, kritisiert der Landkreistag, der die Kreise vertritt. Der Verband fordert nun vom Land eine Nachzahlung in Millionenhöhe.
Muss eine Landesstraße neu gebaut oder saniert werden, kümmern sich die Regierungspräsidien darum. Anders sieht es mit der Unterhaltung dieser Straßen aus. Die Behörden in den Landratsämtern pflegen alle Straßen in ihrem jeweiligen Kreis. Wegen einer Neuordnung fallen allein die Autobahnen bald weg, um die kümmert sich der Bund künftig selbst.
Das Problem, das sich daraus ergibt, beschreibt beispielsweise Franz Baur so: „Im Landkreis Ravensburg zahlen wir über die Jahre drauf“, sagt der Dezernent im Ravensburger Landratsamt. Eigentlich werden die Kreise vom Land dafür bezahlt, dass sie sich um die Landesstraßen kümmern. Doch das Geld reicht nicht. Der Kreis Ravensburg ist deshalb sogar vor wenigen Jahren vor Gericht gezogen. Ein Erfolg schien aber nach einer mündlichen Verhandlung so aussichtslos, dass der Kreis die Klage zurückgezogen hat.
72,6 Millionen Euro jährlich bekommen die Kreise vom Land dafür, dass sie die Landesstraßen pflegen. An der Summe hat sich seit 2017 nichts mehr geändert, in den Jahren zuvor war jedes Jahr eine Million dazugekommen. „Es fehlen den Landkreisen seit 2018 pro Jahr mindestens 2,2 Millionen Euro“, betont Joachim Walter, Präsident des Landkreistags. Schließlich sei über die Jahre das Personal durch Tarifsteigerungen teurer geworden, Kosten für Sprit und Material seien ebenfalls gestiegen. Deshalb fordert Walter in diesem Jahr vom Land 6,7 Millionen Euro zusätzlich – je gute 2,2 Millionen Euro für 2018, 2019 und 2020.
Die Aussicht auf eine Nachzahlung ist nicht rosig, wie eine Sprecherin von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erklärt. Die Forderung sei zwar nachvollziehbar, die Kreise müssten aber mit den zur
Verfügung stehenden Mitteln haushalten. „Dies schließt eine Nachzahlung aus.“
Wichtig sei zudem, dass die Summe in den kommenden Jahren weiter angepasst werde, betont Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags. „Wir brauchen eine routinemäßige Anpassung.“Der Landkreistag verweist auf Zusicherungen aus dem Haus von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) von 2014. Damals hatte Kretschmanns Staatskanzleichef Klaus-Peter Murawski in einem Brief, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, den Kreisen in Aussicht gestellt: „Ab 2018 muss über die Auszahlungsbeträge neu verhandelt werden.“Passiert sei dies aber nie, betont Landkreistagspräsident Walter. Das Verkehrsministerium widerspricht. Es gebe regelmäßig Gespräche. Aber: „Es ist bislang nicht gelungen, eine Mittelerhöhung im Landeshaushalt zu verankern.“
Zu Buche schlage laut Baur vom Ravensburger Landratsamt vor allem das Schneeräumen. „Das hängt im Wesentlichen vom Winterdienst ab, darüber ergeben sich die Schwankungen“, sagt er und fügt an: „Wenn mehr Geld für den Winterdienst benötigt wird, soll man das frühzeitig anmelden. Wie soll ich denn im Juni sagen, wie der Schnee im November wird?“Kritisch sieht er auch, wie das Geld vom Land unter den Kreisen verteilt werde. „Man kann den Landkreis Ravensburg, zu dem auch Teile des Allgäus gehören, nicht vergleichen mit dem Neckar-OdenwaldKreis.“Ähnlich betroffen wie der Kreis Ravensburg seien etwa die Kreise im Schwarzwald.
Auch für die Schwankungen im Winterdienst hat Landkreistagspräsident Walter einen Vorschlag: Er wünscht sich vom Land zusätzliches Geld für „Extremwinter“, wie er in einem Positionspapier beschreibt, das der Verband am Mittwoch veröffentlicht hat. Was davon nicht verwendet werde, könne dann im folgenden Jahr zurück in den Topf für die Pflege der Straßen fließen.
Walter wünscht sich zudem, dass die Landratsämter nicht nur für die Pflege der Landesstraßen zuständig sind, sondern auch für deren Sanierung.
Diese Arbeiten übernähmen die Kreise schon heute manchmal von den Regierungspräsidien, weil diesen Personal fehle, betont der Ravensburger Baur. Daher seien die Landesstraßen auch in Summe in schlechterem Zustand als die kommunalen Straßen. „Es gibt schon manchmal komische Verwerfungen.“So plädiert auch Baur dafür, Pflege und Sanierung der Straßen im Landratsamt zu bündeln. Landkreistagspräsident Walter spricht hierbei von „Abwicklung aus einem Guss“. Das Land winkt indes ab. „Es hat sich gezeigt, dass die Erhaltung über Landkreisgrenzen hinweg erfolgreich und effizienter durch die Regierungspräsidien wahrgenommen wird“, so Hermanns Sprecherin.
Einen Lichtblick gibt es aber doch vom Land. In den kommenden Wochen stünden Gespräche zwischen Ministerium und Landkreistag an, erklärt Hermanns Sprecherin. Ziel dabei sei auch, eine Regelung für die nächsten Jahre zu finden, „die Verlässlichkeit und zur Aufgabenerfüllung ausreichende Budgethöhe und -verteilung sicherstellt“.