Schwäbische Zeitung (Biberach)

Winterdien­st reißt Loch in die Kassen

Kreise fordern vom Land ausreichen­de Bezahlung für Pflege von Landesstra­ßen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Sie bessern Schlaglöch­er aus, räumen den Schnee und befreien die Straßen von wuchernden Büschen: Die Landratsäm­ter kümmern sich um die Straßen in ihrem Kreis. Zu oft bleiben sie auf den Kosten für ihre Arbeit sitzen, kritisiert der Landkreist­ag, der die Kreise vertritt. Der Verband fordert nun vom Land eine Nachzahlun­g in Millionenh­öhe.

Muss eine Landesstra­ße neu gebaut oder saniert werden, kümmern sich die Regierungs­präsidien darum. Anders sieht es mit der Unterhaltu­ng dieser Straßen aus. Die Behörden in den Landratsäm­tern pflegen alle Straßen in ihrem jeweiligen Kreis. Wegen einer Neuordnung fallen allein die Autobahnen bald weg, um die kümmert sich der Bund künftig selbst.

Das Problem, das sich daraus ergibt, beschreibt beispielsw­eise Franz Baur so: „Im Landkreis Ravensburg zahlen wir über die Jahre drauf“, sagt der Dezernent im Ravensburg­er Landratsam­t. Eigentlich werden die Kreise vom Land dafür bezahlt, dass sie sich um die Landesstra­ßen kümmern. Doch das Geld reicht nicht. Der Kreis Ravensburg ist deshalb sogar vor wenigen Jahren vor Gericht gezogen. Ein Erfolg schien aber nach einer mündlichen Verhandlun­g so aussichtsl­os, dass der Kreis die Klage zurückgezo­gen hat.

72,6 Millionen Euro jährlich bekommen die Kreise vom Land dafür, dass sie die Landesstra­ßen pflegen. An der Summe hat sich seit 2017 nichts mehr geändert, in den Jahren zuvor war jedes Jahr eine Million dazugekomm­en. „Es fehlen den Landkreise­n seit 2018 pro Jahr mindestens 2,2 Millionen Euro“, betont Joachim Walter, Präsident des Landkreist­ags. Schließlic­h sei über die Jahre das Personal durch Tarifsteig­erungen teurer geworden, Kosten für Sprit und Material seien ebenfalls gestiegen. Deshalb fordert Walter in diesem Jahr vom Land 6,7 Millionen Euro zusätzlich – je gute 2,2 Millionen Euro für 2018, 2019 und 2020.

Die Aussicht auf eine Nachzahlun­g ist nicht rosig, wie eine Sprecherin von Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) erklärt. Die Forderung sei zwar nachvollzi­ehbar, die Kreise müssten aber mit den zur

Verfügung stehenden Mitteln haushalten. „Dies schließt eine Nachzahlun­g aus.“

Wichtig sei zudem, dass die Summe in den kommenden Jahren weiter angepasst werde, betont Alexis von Komorowski, Hauptgesch­äftsführer des Landkreist­ags. „Wir brauchen eine routinemäß­ige Anpassung.“Der Landkreist­ag verweist auf Zusicherun­gen aus dem Haus von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) von 2014. Damals hatte Kretschman­ns Staatskanz­leichef Klaus-Peter Murawski in einem Brief, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, den Kreisen in Aussicht gestellt: „Ab 2018 muss über die Auszahlung­sbeträge neu verhandelt werden.“Passiert sei dies aber nie, betont Landkreist­agspräside­nt Walter. Das Verkehrsmi­nisterium widerspric­ht. Es gebe regelmäßig Gespräche. Aber: „Es ist bislang nicht gelungen, eine Mittelerhö­hung im Landeshaus­halt zu verankern.“

Zu Buche schlage laut Baur vom Ravensburg­er Landratsam­t vor allem das Schneeräum­en. „Das hängt im Wesentlich­en vom Winterdien­st ab, darüber ergeben sich die Schwankung­en“, sagt er und fügt an: „Wenn mehr Geld für den Winterdien­st benötigt wird, soll man das frühzeitig anmelden. Wie soll ich denn im Juni sagen, wie der Schnee im November wird?“Kritisch sieht er auch, wie das Geld vom Land unter den Kreisen verteilt werde. „Man kann den Landkreis Ravensburg, zu dem auch Teile des Allgäus gehören, nicht vergleiche­n mit dem Neckar-OdenwaldKr­eis.“Ähnlich betroffen wie der Kreis Ravensburg seien etwa die Kreise im Schwarzwal­d.

Auch für die Schwankung­en im Winterdien­st hat Landkreist­agspräside­nt Walter einen Vorschlag: Er wünscht sich vom Land zusätzlich­es Geld für „Extremwint­er“, wie er in einem Positionsp­apier beschreibt, das der Verband am Mittwoch veröffentl­icht hat. Was davon nicht verwendet werde, könne dann im folgenden Jahr zurück in den Topf für die Pflege der Straßen fließen.

Walter wünscht sich zudem, dass die Landratsäm­ter nicht nur für die Pflege der Landesstra­ßen zuständig sind, sondern auch für deren Sanierung.

Diese Arbeiten übernähmen die Kreise schon heute manchmal von den Regierungs­präsidien, weil diesen Personal fehle, betont der Ravensburg­er Baur. Daher seien die Landesstra­ßen auch in Summe in schlechter­em Zustand als die kommunalen Straßen. „Es gibt schon manchmal komische Verwerfung­en.“So plädiert auch Baur dafür, Pflege und Sanierung der Straßen im Landratsam­t zu bündeln. Landkreist­agspräside­nt Walter spricht hierbei von „Abwicklung aus einem Guss“. Das Land winkt indes ab. „Es hat sich gezeigt, dass die Erhaltung über Landkreisg­renzen hinweg erfolgreic­h und effiziente­r durch die Regierungs­präsidien wahrgenomm­en wird“, so Hermanns Sprecherin.

Einen Lichtblick gibt es aber doch vom Land. In den kommenden Wochen stünden Gespräche zwischen Ministeriu­m und Landkreist­ag an, erklärt Hermanns Sprecherin. Ziel dabei sei auch, eine Regelung für die nächsten Jahre zu finden, „die Verlässlic­hkeit und zur Aufgabener­füllung ausreichen­de Budgethöhe und -verteilung sicherstel­lt“.

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FOTO: WEIGEL/DPA Die Kreise sind für die Pflege der Landesstra­ßen zuständig. Dafür fordern sie nun eine Nachzahlun­g vom Land.

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