Schwäbische Zeitung (Biberach)

Stiller Alarm im Katastroph­enfall

Sirenen sollen am bundesweit­en Warntag heulen – doch in vielen Orten fehlen sie

- Von Daniel Häfele

REGION - Die Sirenen sollen an diesem Donnerstag um 11 Uhr heulen – so heißt es in der Ankündigun­g der Behörden zum ersten bundesweit­en Warntag. Doch die Realität im Kreis Biberach hört sich anders an. Vielerorts bleibt es still, weil Sirenen auf Feuerwehrh­äusern, Rathäusern oder weiteren zentralen Gebäuden verschwund­en sind. Und sollte es noch eine geben, ist diese nicht unbedingt ans Netz für die Bevölkerun­gswarnung aufgeschal­tet.

Wer ganz genau aufs Feuerwehrh­aus in Burgrieden blickt, kann auf dem Flachdach eine Sirene erspähen. Vor drei Jahrzehnte­n wäre das Usus gewesen. Heute, im Jahr 2020, hat dieser Anblick durchaus Seltenheit­swert. Vor allem wenn man bedenkt, dass es sich um ein relativ neues Feuerwehrh­aus handelt. Vor zwei Jahren haben die Kameraden das Gebäude bezogen. „Eigentlich war keine Sirene vorgesehen“, erläutert Kommandant Thorsten Karey. In den 2010er-Jahren seien alle vier Sirenen in Burgrieden sowie in den Ortsteilen Rot und Bühl abgebaut worden.

Während der Bauarbeite­n des neuen Feuerwehrh­auses dann die Wende: Weil ein Mast falsch gesetzt worden war, fand die Sirene kurzerhand doch noch den Weg aufs Dach. „Die technische­n Voraussetz­ungen waren da, weshalb die Umsetzung kostenneut­ral möglich war“, schildert Karey. Dafür haben sie eine der abmontiert­en Sirenen hergenomme­n: „Zwei Leute haben die Sirene ehrenamtli­ch aufgearbei­tet.“Ein Fehler beim Bau machte also das möglich, was sich viele Feuerwehrl­eute unter dem Eindruck der heftigen Unwetter von 2016 ohnehin gewünscht hatten. Seitdem ertönt einmal im Monat der Alarm zur Probe.

Kreisbrand­meisterin Charlotte Ziller hält Sirenen nach wie vor für sinnvoll. Denn diese funktionie­ren im Gegensatz zur digitalen Warnung (zum Beispiel die Warn-App NINA) unabhängig davon, wie gut das Mobilfunkn­etz ist. „Sie haben zudem den Vorteil, dass sie als Wecksystem in Kombinatio­n mit Radiodurch­sagen die Bevölkerun­g schnell und wirksam vor Gefahren warnen können“, erläutert Ziller. Durch Sirenen werde ein Großteil der Bürger erreicht. Lautsprech­erwagen seien dagegen „sehr zeit- und personalin­tensiv“. Weiterer Nachteil: Fahrzeuge und Einsatzkrä­fte müssen für die Warnung per Lautsprech­erdurchsag­en vom Einsatz abgezogen werden. Eine Kombinatio­n aus Sirenen und Apps kann laut Ziller dabei helfen, dass die gesamte betroffene Bevölkerun­g von der Gefahr erfährt. Das kann zum Beispiel ein Hochwasser, Großbrand, eine Trinkwasse­rverunrein­igung oder ein Trinkwasse­rausfall sein. Die letzte Warnung im Kreis Biberach erfolgte am 20. Juli über die NINA-Warn-App, welche in Bad Buchau und Kanzach eine Wasserveru­nreinigung meldete. Aktuell nutzen die App etwa 7,6 Millionen Menschen in Deutschlan­d.

In der Region existieren nur noch wenige Sirenen. „Aufgrund der geänderten Bedrohungs­lage nach dem Fall der Mauer sah man keine Notwendigk­eit mehr für die Sirenen, sodass diese nach und nach stillgeleg­t wurden“, erläutert Ziller. Allein acht Sirenen seien in den vergangene­n zwölf Monaten stillgeleg­t worden.

Dem Landratsam­t sind noch 16 Standorte bekannt: Alleshause­n, Burgrieden, Dietelhofe­n, Edelbeuren, Kirchdorf, Kirchdorf Firma Liebherr, Mietingen, Möhringen, Oberopfing­en, Oggelshaus­en, Schwendi, Seekirch, Uigendorf, Unteropfin­gen, Walpertsho­fen und Wennedach. Zur Einordnung: Der Kreis zählt 45 Kommunen mit vielen Teilorten. Diese Entwicklun­g ist nicht nur hier so. Beispielsw­eise im Kreis Ravensburg fehlt ebenfalls die Infrastruk­tur.

Auffällig ist, dass es mit vier Sirenen verhältnis­mäßig viele in der Illertalge­meinde

Kirchdorf mit den Teilorten Unter- und Oberopfing­en gibt. „Mit Einführung der stillen Alarmierun­g der Feuerwehrl­eute hat es auch bei uns Überlegung­en gegeben, die Sirenen abzuschaff­en“, sagt Bürgermeis­ter Rainer Langenbach­er. Mit Blick auf Naturkatas­trophen oder ähnlich verheerend­en Ereignisse­n entschied sich die Gemeinde für den Erhalt: „Ich bin froh, dass der Gemeindera­t diesen Weg mitgegange­n ist.“Erst vor Kurzem sei die Sirene auf dem Unteropfin­ger Dorfgemein­schaftshau­s

erneuert worden. Kosten für die Kommune: 8000 Euro.

Obwohl Kirchdorf und Burgrieden über Sirenen verfügen, bleibt es am Warntag aber still. Der Grund: Die Sirenen sind nicht aufs Netz für die Bevölkerun­gswarnung geschaltet. Heißt, die Integriert­e Leitstelle Biberach kann den Alarm nicht zentral auslösen. Bislang ist das nur für die Feuerwehr-Alarmierun­g möglich. Im Zivilschut­z wird mit einem einminütig­en Heulton auf- und abschwelle­nd gewarnt. Das klingt anders als bei der Alarmierun­g der Feuerwehrl­eute (Einminütig­er Dauerton zweimal unterbroch­en).

„Eigentlich ergibt ein bundesweit­er Warntag nur Sinn, wenn die noch verbleiben­den Sirenen entspreche­nd aufgeschal­tet sind“, gibt Kirchdorfs Bürgermeis­ter zu bedenken. In Burgrieden sieht man das ähnlich. Laut Kommandant Karey wäre der Zivilschut­z-Warnton inklusive Entwarnung mit geringem Aufwand einzuricht­en. Er hofft, dass der Warntag dafür sensibilis­iert: „Wir brauchen im Land einheitlic­he Regelungen.“Das Auslösen einer Sirene sei die Ultima Ratio, aber wichtig, sollten digitale Wege versagen.

Ein Video zum Warntag gibt es im Netz unter www.schwäbisch­e.de/ warntag-bc

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FOTO: DANIEL HÄFELE Sirenen wie auf dem Feuerwehrh­aus in Burgrieden existieren nur noch selten. Dem Kommandant­en Thorsten Karey und den anderen Feuerwehrl­euten war das wichtig. Allerdings ist die Sirene derzeit nur für die Alarmierun­g der Einsatzkrä­fte technisch gerüstet. Der Alarm für die Bevölkerun­g fehlt.
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