Schwäbische Zeitung (Biberach)
Stiller Alarm im Katastrophenfall
Sirenen sollen am bundesweiten Warntag heulen – doch in vielen Orten fehlen sie
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REGION - Die Sirenen sollen an diesem Donnerstag um 11 Uhr heulen – so heißt es in der Ankündigung der Behörden zum ersten bundesweiten Warntag. Doch die Realität im Kreis Biberach hört sich anders an. Vielerorts bleibt es still, weil Sirenen auf Feuerwehrhäusern, Rathäusern oder weiteren zentralen Gebäuden verschwunden sind. Und sollte es noch eine geben, ist diese nicht unbedingt ans Netz für die Bevölkerungswarnung aufgeschaltet.
Wer ganz genau aufs Feuerwehrhaus in Burgrieden blickt, kann auf dem Flachdach eine Sirene erspähen. Vor drei Jahrzehnten wäre das Usus gewesen. Heute, im Jahr 2020, hat dieser Anblick durchaus Seltenheitswert. Vor allem wenn man bedenkt, dass es sich um ein relativ neues Feuerwehrhaus handelt. Vor zwei Jahren haben die Kameraden das Gebäude bezogen. „Eigentlich war keine Sirene vorgesehen“, erläutert Kommandant Thorsten Karey. In den 2010er-Jahren seien alle vier Sirenen in Burgrieden sowie in den Ortsteilen Rot und Bühl abgebaut worden.
Während der Bauarbeiten des neuen Feuerwehrhauses dann die Wende: Weil ein Mast falsch gesetzt worden war, fand die Sirene kurzerhand doch noch den Weg aufs Dach. „Die technischen Voraussetzungen waren da, weshalb die Umsetzung kostenneutral möglich war“, schildert Karey. Dafür haben sie eine der abmontierten Sirenen hergenommen: „Zwei Leute haben die Sirene ehrenamtlich aufgearbeitet.“Ein Fehler beim Bau machte also das möglich, was sich viele Feuerwehrleute unter dem Eindruck der heftigen Unwetter von 2016 ohnehin gewünscht hatten. Seitdem ertönt einmal im Monat der Alarm zur Probe.
Kreisbrandmeisterin Charlotte Ziller hält Sirenen nach wie vor für sinnvoll. Denn diese funktionieren im Gegensatz zur digitalen Warnung (zum Beispiel die Warn-App NINA) unabhängig davon, wie gut das Mobilfunknetz ist. „Sie haben zudem den Vorteil, dass sie als Wecksystem in Kombination mit Radiodurchsagen die Bevölkerung schnell und wirksam vor Gefahren warnen können“, erläutert Ziller. Durch Sirenen werde ein Großteil der Bürger erreicht. Lautsprecherwagen seien dagegen „sehr zeit- und personalintensiv“. Weiterer Nachteil: Fahrzeuge und Einsatzkräfte müssen für die Warnung per Lautsprecherdurchsagen vom Einsatz abgezogen werden. Eine Kombination aus Sirenen und Apps kann laut Ziller dabei helfen, dass die gesamte betroffene Bevölkerung von der Gefahr erfährt. Das kann zum Beispiel ein Hochwasser, Großbrand, eine Trinkwasserverunreinigung oder ein Trinkwasserausfall sein. Die letzte Warnung im Kreis Biberach erfolgte am 20. Juli über die NINA-Warn-App, welche in Bad Buchau und Kanzach eine Wasserverunreinigung meldete. Aktuell nutzen die App etwa 7,6 Millionen Menschen in Deutschland.
In der Region existieren nur noch wenige Sirenen. „Aufgrund der geänderten Bedrohungslage nach dem Fall der Mauer sah man keine Notwendigkeit mehr für die Sirenen, sodass diese nach und nach stillgelegt wurden“, erläutert Ziller. Allein acht Sirenen seien in den vergangenen zwölf Monaten stillgelegt worden.
Dem Landratsamt sind noch 16 Standorte bekannt: Alleshausen, Burgrieden, Dietelhofen, Edelbeuren, Kirchdorf, Kirchdorf Firma Liebherr, Mietingen, Möhringen, Oberopfingen, Oggelshausen, Schwendi, Seekirch, Uigendorf, Unteropfingen, Walpertshofen und Wennedach. Zur Einordnung: Der Kreis zählt 45 Kommunen mit vielen Teilorten. Diese Entwicklung ist nicht nur hier so. Beispielsweise im Kreis Ravensburg fehlt ebenfalls die Infrastruktur.
Auffällig ist, dass es mit vier Sirenen verhältnismäßig viele in der Illertalgemeinde
Kirchdorf mit den Teilorten Unter- und Oberopfingen gibt. „Mit Einführung der stillen Alarmierung der Feuerwehrleute hat es auch bei uns Überlegungen gegeben, die Sirenen abzuschaffen“, sagt Bürgermeister Rainer Langenbacher. Mit Blick auf Naturkatastrophen oder ähnlich verheerenden Ereignissen entschied sich die Gemeinde für den Erhalt: „Ich bin froh, dass der Gemeinderat diesen Weg mitgegangen ist.“Erst vor Kurzem sei die Sirene auf dem Unteropfinger Dorfgemeinschaftshaus
erneuert worden. Kosten für die Kommune: 8000 Euro.
Obwohl Kirchdorf und Burgrieden über Sirenen verfügen, bleibt es am Warntag aber still. Der Grund: Die Sirenen sind nicht aufs Netz für die Bevölkerungswarnung geschaltet. Heißt, die Integrierte Leitstelle Biberach kann den Alarm nicht zentral auslösen. Bislang ist das nur für die Feuerwehr-Alarmierung möglich. Im Zivilschutz wird mit einem einminütigen Heulton auf- und abschwellend gewarnt. Das klingt anders als bei der Alarmierung der Feuerwehrleute (Einminütiger Dauerton zweimal unterbrochen).
„Eigentlich ergibt ein bundesweiter Warntag nur Sinn, wenn die noch verbleibenden Sirenen entsprechend aufgeschaltet sind“, gibt Kirchdorfs Bürgermeister zu bedenken. In Burgrieden sieht man das ähnlich. Laut Kommandant Karey wäre der Zivilschutz-Warnton inklusive Entwarnung mit geringem Aufwand einzurichten. Er hofft, dass der Warntag dafür sensibilisiert: „Wir brauchen im Land einheitliche Regelungen.“Das Auslösen einer Sirene sei die Ultima Ratio, aber wichtig, sollten digitale Wege versagen.
Ein Video zum Warntag gibt es im Netz unter www.schwäbische.de/ warntag-bc