Schwäbische Zeitung (Biberach)
Bund der Selbstständigen kämpft gegen „Altherren-Image“
Landesverband stellt Mitgliedern der Kreisverbände Alb-Donau und Biberach Ideen für den „Turnaround“vor
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ERBACH - Der Landesverband des Bundes der Selbstständigen (BDS) möchte sich einen „Turnaround“verpassen. Dieser geplanten Umkehr ist ein umfassendes Brainstorming im Vorstand in Stuttgart vorausgegangen. Die Ergebnisse wurden am Donnerstagabend den Mitgliedern der Kreisverbände Alb-Donau und Biberach vorgestellt. Auf dem Podium saßen die Vizepräsidentin Bettina Schmauder, der Geschäftsführer Otmar de Riz und die Vorstandsmitglieder Jan Dietz und Markus Dünkel mit den Kreisvorsitzenden Dietrich Zieher (Alb-Donau) und Bruno Hettich (Biberach). 20 Mitglieder aus beiden Kreisverbänden, was als „ganz tolle Resonanz“bezeichnet wurde, kamen in den Dellmensinger „Hirsch“zum Treffen mit den Hochkarätern (Zitat Zieher) und bestätigten in der Fragerunde die dringende Notwendigkeit zur Neuaufstellung und Belebung des Landesverbands.
„Dass ich das noch erleben darf“, lobte ein Mitglied aus dem Ortsverband Burgrieden-Achstetten und fügte hinzu, „wäre ‚Corona‘ nicht gekommen, wäre unser Ortsverein auch schon längst ausgeschieden“. Der Landesverband möchte digital aktiver werden, wobei viele Mitglieder
TRAUERANZEIGEN
erst dafür gewonnen werden müssen. Der BDS will näher an die Mitgliedsvereine mit den 9000 Mitgliedern heranrücken, es waren einmal 30 000. Mitgliedsbefragungen sollen intensiviert werden. Derzeit kämen teils nur 15 bis 40 Rückmeldungen. Etwas mehr, die genaue Zahl konnte aber nicht genannt werden, waren es beim Thema „Zweiter Corona-Lockdown“. „Für 80 Prozent ist ein zweiter Lockdown nicht akzeptabel“, betont Dietz. Der Landesverband könnte, so ein weiteres mögliches Angebot, auch nach Bedarf administrative Aufgaben übernehmen, wenn vor Ort ein Schatzmeister fehlt. Viele Ideen stellte Jan Dietz vor, so zum Beispiel einheitliche Werbeschriften für Neumitglieder, „wo dann von den Ortsverbänden nur noch das Logo gestempelt werden muss“.
Beklagt worden war zuletzt von abtrünnigen Gewerbe- und Handelsvereinen immer wieder, dass der Beitrag zu hoch und die Leistung dafür zu schwer erkennbar sei und sich teilweise zu selten ein Landesverbandsmitglied vor Ort gezeigt und nützliche Informationen vorgetragen habe. Dietrich Zieher aus Erbach erinnerte, dass im Alb-Donau-Kreis vermutlich die meisten Vereinskündigungen zu beklagen sind. Das waren zuletzt etwa der Gewerbeverein Schelklingen, Handels- und Gewerbeverein Allmendingen und auch die Erbacher. Der BDS-Landesverband besteht aus zirka 270 Ortsvereinen. Man könne nicht überall sein, sagte Bettina Schmauder der SZ. Es gebe aber auch Glanzlichter. In Dietz’ Nachbarschaft bei Esslingen sei ein bisher unabhängiger Verein beigetreten.
Nun soll vieles besser werden, deutete Jan Dietz in seiner PowerPoint-Präsentation an. Immense Überlegungen hat der Vorstand angestellt. Das war den Auflistungen anzusehen. „Wir gingen wie bei einem Start-up vor“, erklärte Dietz. Ampelfarben markieren Gewünschtes. In Teilen dominierte aber Rot. Man will flotter rüberkommen, und dann sagte Dietz lakonisch, „wir bräuchten mal einen Shitstorm“. Aha, lernt der verblüffte Zuhörer, die sind also doch auch manchmal gewollt. Nur, ob das mit Ansage klappt, ist zu bezweifeln. Aufmerksamkeit soll erzielt werden. Der BDS möchte sein Image verbessern. Weg vom angeblichen „Altherren- und CDUImage“, weil das nie gestimmt habe. Sicherlich hätten Parteimitglieder oft führende Aufgaben übernommen, aber die Mitglieder kämen aus der breiten Gruppe der Unternehmerschaft
und Selbstständigen im Land, Frauen wie Männer, wenn auch der Nachwuchs spärlicher vertreten sei.
Die Führungsspitze in Stuttgart wird umstrukturiert, wenn der Landesverbandstag am Monatsende in Langenbrettach bei Heilbronn der geplanten Satzungsänderung zustimmt. Der Vorstand will einen Beirat mit aktiven Mitgliedern an seine Seite bekommen und dafür das Präsidium abschaffen. Unverblümt nannten Dietz und Dünkel, vielleicht shitstormwürdig, die Gründe: „Die Faulen“und „die Abnicker“sollen raus. Man wolle aber die Altgedienten und Erfahrenen behalten. Für die Strukturänderung müssen alle Funktionsträger zuerst zurücktreten. Ziel der Beiratsgründung sei auch, Politiker einzubinden, aber nicht alle möglichen. Transparenz müsse geschaffen werden, auch bei Verdiensten, über die bisher blind abgestimmt werden musste, beklagte Dietz. Fünfeinhalb Stellen gehören zum Verband. Überlegt wird, flächendeckend Mitgliedsbeiträge anzupassen oder PremiumMitgliedschaften zu ermöglichen. Hochkarätige Referenten sollen allein für Mitglieder eingeladen werden.
Schlüsselpartner und die Politik werden gebraucht, denn „wenn nur über Großunternehmen berichtet wird, dann haben wir doch auch etwas falsch gemacht“, betonte Dietz selbstkritisch. „Unsere Belange müssen Gehör finden.“Geld sei für den etwa zwei bis drei Jahre dauernden Umbauprozess da, weil die BDS-eigene Villa in Bad Cannstatt verkauft wurde. Dietrich Zieher dankte für das jüngste Engagement im Vorstand.
Die Fragerunde verlief weniger harmonisch. Ein Zuhörer wünscht sich monatliche News. Die Frau aus Burgrieden/Achstetten betonte, dass sie zu sechst angereist seien, wegen der Dringlichkeit. Ein Architekt, in der Bauleitung tätig, beklagte die belastende Gesetzgebung und Auflagen, die ihn manchmal über den Gang aus der Selbstständigkeit in ein Angestelltenverhältnis grübeln lassen. Die derzeitige Mehrwertsteuersenkung erscheine ihm mehr Arbeit als Nutzen für den Kunden. Kritisch beäugt er „Subsubsubsub“-Unternehmen auf den Baustellen, die das Lohnniveau drücken und überhaupt „Unternehmen hee gemacht werden sollen“, ehe die Politik vor der nächsten Wahlen wieder um Stimmen buhle und später „nix macht“. Unternehmertum würden allgemein „nicht sexy verkauft“in Deutschland, warf die Achstetterin ein. Corona-Auflagen
kamen natürlich auch zur Sprache.
Der Architekt wundert sich, dass die durchgedrückte Datenschutzgrundverordnung bei „Corona“ganz schnell über den Haufen geworfen werden kann. Angst macht einem Unternehmer die Mitteilung im Fernsehen, dass angeblich 80 Prozent der Befragten gegen Weihnachtsmärkte und Karneval seien. Auch Leistungsschauen, die einst Zusammenschlüsse in Gewerbevereinen auslösten, müssen ausfallen und sind verschoben. BDS-Geschäftsführer Otmar de Riz betonte, dass 2021 alle Messen in Stuttgart stattfinden sollen. Mit „Hygienekonzept“, fügte Bettina Schmauder an.
Sie ist sich sicher, dass kein zweiter Lockdown kommt, „sonst kommt der Bürgerkrieg“, sagte sie, auch fast shitstormwürdig, erklärte aber später auf Nachfrage, das lediglich als Floskel gemeint zu haben, weil vorher schon der Begriff einmal im Raum gefallen war. „Nastragga“(sich hinlegen) helfe beim Auskurieren einer Erkrankung, sagte der Architekt. „Der Virus hat erheblich an seiner Gefährlichkeit verloren.“Er befürchtet aber, dass „Corona“zum In-Schach-Halten weiter benutzt werden könnte. „Für mich war der Lockdown zu lange“, meinte der Architekt.