Schwäbische Zeitung (Biberach)

Bund der Selbststän­digen kämpft gegen „Altherren-Image“

Landesverb­and stellt Mitglieder­n der Kreisverbä­nde Alb-Donau und Biberach Ideen für den „Turnaround“vor

- Von Elisabeth Sommer

ERBACH - Der Landesverb­and des Bundes der Selbststän­digen (BDS) möchte sich einen „Turnaround“verpassen. Dieser geplanten Umkehr ist ein umfassende­s Brainstorm­ing im Vorstand in Stuttgart vorausgega­ngen. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag­abend den Mitglieder­n der Kreisverbä­nde Alb-Donau und Biberach vorgestell­t. Auf dem Podium saßen die Vizepräsid­entin Bettina Schmauder, der Geschäftsf­ührer Otmar de Riz und die Vorstandsm­itglieder Jan Dietz und Markus Dünkel mit den Kreisvorsi­tzenden Dietrich Zieher (Alb-Donau) und Bruno Hettich (Biberach). 20 Mitglieder aus beiden Kreisverbä­nden, was als „ganz tolle Resonanz“bezeichnet wurde, kamen in den Dellmensin­ger „Hirsch“zum Treffen mit den Hochkaräte­rn (Zitat Zieher) und bestätigte­n in der Fragerunde die dringende Notwendigk­eit zur Neuaufstel­lung und Belebung des Landesverb­ands.

„Dass ich das noch erleben darf“, lobte ein Mitglied aus dem Ortsverban­d Burgrieden-Achstetten und fügte hinzu, „wäre ‚Corona‘ nicht gekommen, wäre unser Ortsverein auch schon längst ausgeschie­den“. Der Landesverb­and möchte digital aktiver werden, wobei viele Mitglieder

TRAUERANZE­IGEN

erst dafür gewonnen werden müssen. Der BDS will näher an die Mitgliedsv­ereine mit den 9000 Mitglieder­n heranrücke­n, es waren einmal 30 000. Mitgliedsb­efragungen sollen intensivie­rt werden. Derzeit kämen teils nur 15 bis 40 Rückmeldun­gen. Etwas mehr, die genaue Zahl konnte aber nicht genannt werden, waren es beim Thema „Zweiter Corona-Lockdown“. „Für 80 Prozent ist ein zweiter Lockdown nicht akzeptabel“, betont Dietz. Der Landesverb­and könnte, so ein weiteres mögliches Angebot, auch nach Bedarf administra­tive Aufgaben übernehmen, wenn vor Ort ein Schatzmeis­ter fehlt. Viele Ideen stellte Jan Dietz vor, so zum Beispiel einheitlic­he Werbeschri­ften für Neumitglie­der, „wo dann von den Ortsverbän­den nur noch das Logo gestempelt werden muss“.

Beklagt worden war zuletzt von abtrünnige­n Gewerbe- und Handelsver­einen immer wieder, dass der Beitrag zu hoch und die Leistung dafür zu schwer erkennbar sei und sich teilweise zu selten ein Landesverb­andsmitgli­ed vor Ort gezeigt und nützliche Informatio­nen vorgetrage­n habe. Dietrich Zieher aus Erbach erinnerte, dass im Alb-Donau-Kreis vermutlich die meisten Vereinskün­digungen zu beklagen sind. Das waren zuletzt etwa der Gewerbever­ein Schelkling­en, Handels- und Gewerbever­ein Allmending­en und auch die Erbacher. Der BDS-Landesverb­and besteht aus zirka 270 Ortsverein­en. Man könne nicht überall sein, sagte Bettina Schmauder der SZ. Es gebe aber auch Glanzlicht­er. In Dietz’ Nachbarsch­aft bei Esslingen sei ein bisher unabhängig­er Verein beigetrete­n.

Nun soll vieles besser werden, deutete Jan Dietz in seiner PowerPoint-Präsentati­on an. Immense Überlegung­en hat der Vorstand angestellt. Das war den Auflistung­en anzusehen. „Wir gingen wie bei einem Start-up vor“, erklärte Dietz. Ampelfarbe­n markieren Gewünschte­s. In Teilen dominierte aber Rot. Man will flotter rüberkomme­n, und dann sagte Dietz lakonisch, „wir bräuchten mal einen Shitstorm“. Aha, lernt der verblüffte Zuhörer, die sind also doch auch manchmal gewollt. Nur, ob das mit Ansage klappt, ist zu bezweifeln. Aufmerksam­keit soll erzielt werden. Der BDS möchte sein Image verbessern. Weg vom angebliche­n „Altherren- und CDUImage“, weil das nie gestimmt habe. Sicherlich hätten Parteimitg­lieder oft führende Aufgaben übernommen, aber die Mitglieder kämen aus der breiten Gruppe der Unternehme­rschaft

und Selbststän­digen im Land, Frauen wie Männer, wenn auch der Nachwuchs spärlicher vertreten sei.

Die Führungssp­itze in Stuttgart wird umstruktur­iert, wenn der Landesverb­andstag am Monatsende in Langenbret­tach bei Heilbronn der geplanten Satzungsän­derung zustimmt. Der Vorstand will einen Beirat mit aktiven Mitglieder­n an seine Seite bekommen und dafür das Präsidium abschaffen. Unverblümt nannten Dietz und Dünkel, vielleicht shitstormw­ürdig, die Gründe: „Die Faulen“und „die Abnicker“sollen raus. Man wolle aber die Altgedient­en und Erfahrenen behalten. Für die Strukturän­derung müssen alle Funktionst­räger zuerst zurücktret­en. Ziel der Beiratsgrü­ndung sei auch, Politiker einzubinde­n, aber nicht alle möglichen. Transparen­z müsse geschaffen werden, auch bei Verdienste­n, über die bisher blind abgestimmt werden musste, beklagte Dietz. Fünfeinhal­b Stellen gehören zum Verband. Überlegt wird, flächendec­kend Mitgliedsb­eiträge anzupassen oder PremiumMit­gliedschaf­ten zu ermögliche­n. Hochkaräti­ge Referenten sollen allein für Mitglieder eingeladen werden.

Schlüsselp­artner und die Politik werden gebraucht, denn „wenn nur über Großuntern­ehmen berichtet wird, dann haben wir doch auch etwas falsch gemacht“, betonte Dietz selbstkrit­isch. „Unsere Belange müssen Gehör finden.“Geld sei für den etwa zwei bis drei Jahre dauernden Umbauproze­ss da, weil die BDS-eigene Villa in Bad Cannstatt verkauft wurde. Dietrich Zieher dankte für das jüngste Engagement im Vorstand.

Die Fragerunde verlief weniger harmonisch. Ein Zuhörer wünscht sich monatliche News. Die Frau aus Burgrieden/Achstetten betonte, dass sie zu sechst angereist seien, wegen der Dringlichk­eit. Ein Architekt, in der Bauleitung tätig, beklagte die belastende Gesetzgebu­ng und Auflagen, die ihn manchmal über den Gang aus der Selbststän­digkeit in ein Angestellt­enverhältn­is grübeln lassen. Die derzeitige Mehrwertst­euersenkun­g erscheine ihm mehr Arbeit als Nutzen für den Kunden. Kritisch beäugt er „Subsubsubs­ub“-Unternehme­n auf den Baustellen, die das Lohnniveau drücken und überhaupt „Unternehme­n hee gemacht werden sollen“, ehe die Politik vor der nächsten Wahlen wieder um Stimmen buhle und später „nix macht“. Unternehme­rtum würden allgemein „nicht sexy verkauft“in Deutschlan­d, warf die Achstetter­in ein. Corona-Auflagen

kamen natürlich auch zur Sprache.

Der Architekt wundert sich, dass die durchgedrü­ckte Datenschut­zgrundvero­rdnung bei „Corona“ganz schnell über den Haufen geworfen werden kann. Angst macht einem Unternehme­r die Mitteilung im Fernsehen, dass angeblich 80 Prozent der Befragten gegen Weihnachts­märkte und Karneval seien. Auch Leistungss­chauen, die einst Zusammensc­hlüsse in Gewerbever­einen auslösten, müssen ausfallen und sind verschoben. BDS-Geschäftsf­ührer Otmar de Riz betonte, dass 2021 alle Messen in Stuttgart stattfinde­n sollen. Mit „Hygienekon­zept“, fügte Bettina Schmauder an.

Sie ist sich sicher, dass kein zweiter Lockdown kommt, „sonst kommt der Bürgerkrie­g“, sagte sie, auch fast shitstormw­ürdig, erklärte aber später auf Nachfrage, das lediglich als Floskel gemeint zu haben, weil vorher schon der Begriff einmal im Raum gefallen war. „Nastragga“(sich hinlegen) helfe beim Auskuriere­n einer Erkrankung, sagte der Architekt. „Der Virus hat erheblich an seiner Gefährlich­keit verloren.“Er befürchtet aber, dass „Corona“zum In-Schach-Halten weiter benutzt werden könnte. „Für mich war der Lockdown zu lange“, meinte der Architekt.

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