Schwäbische Zeitung (Biberach)

Fall Graf spaltet die Ravensburg­er Rutenfestk­ommission

Wie geht es weiter an der Spitze des Vereins? OB beobachtet Vorgänge „mit sehr großer Sorge“

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - An der Ravensburg­er Oberschwab­enhalle wollen am Sonntag wieder die „Querdenker“gegen die Corona-Politik von Bund, Ländern und Kommunen demonstrie­ren. Dass sie als Stützpunkt für ihre Veranstalt­ung noch einmal wie Ende Juli die Halle der Rutenfestk­ommission (RFK) nutzen können, ist nicht zu erwarten. Der Gesamtvors­tand der RFK hat sich mittlerwei­le klar von seinem Vorsitzend­en Dieter Graf distanzier­t, der den Organisato­ren – so der Vorwurf – im Alleingang Tür und Tor geöffnet und auch darüber hinaus helfend zur Seite gestanden hatte. Ob Graf weiterhin an der Spitze des Vereins stehen wird, ist fraglich. Hinter den Kulissen wächst die Kluft zwischen GrafKritik­ern und den Verteidige­rn des RFK-Chefs.

Im März stehen bei der Rutenfestk­ommission Neuwahlen des Vorstandes an. So lange aber wollen einige Mitglieder des knapp 400 Köpfe zählenden Vereins, der seit 1911 das Rutenfest im Auftrag der Stadt ausrichtet, nicht abwarten. Mehrere Mitglieder haben gefordert, im Oktober eine außerorden­tliche Versammlun­g einzuberuf­en und die Vertrauens­frage zu stellen. Das ist laut Satzung dann möglich, wenn ein Viertel der Mitglieder dies verlangt oder wenn das „Wohl des Vereins“es erfordert.

Antwort auf ihre Anträge haben sie bislang nicht bekommen, sagen RFKler, die in den vergangene­n Tagen und Wochen aktiv geworden sind. Einer davon ist Peter Michael Vogt, der in der Sache nicht lockerlass­en will. Vogt, der sich früher bereits im Verein engagiert hat, sagt, er sei im Zweifelsfa­ll auch „bereit, Verantwort­ung zu übernehmen“. Eine Reaktion fordert auch Willy Müller, eines der ältesten Mitglieder der RFK.

Ein Teil des Vorstands beharrt nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“darauf, dass eingegange­ne Anträge den formalen Anforderun­gen nicht genügen beziehungs­weise darauf, dass das Wohl des Vereins nicht bedroht sei und es deshalb keinen Anlass für eine außerorden­tliche Versammlun­g gebe. Offenbar geht in der Frage Dieter Graf ein Riss quer durch das Gremium.

Auch im Beirat soll es massiven Widerstand gegen den Vorsitzend­en, aber auch Unterstütz­er von Graf geben. Die einen glauben, dass er sich als Mann an der Spitze des zur politische­n Neutralitä­t verpflicht­eten Vereins disqualifi­ziert hat. Dies deshalb, weil er zunächst in einem Video führenden Köpfen der Bewegung „Querdenken“bei ihrer Kritik an der Corona-Politik und an der Absage des Rutenfests zugestimmt und danach den Organisato­ren der Großdemo ohne Rücksprach­e mit dem Vorstand das Rutenfesth­aus zur Verfügung gestellt habe.

Die andere Seite verweist auf die großen Verdienste von Graf rund um das Rutenfest und vermag keine groben Verfehlung­en des Vorsitzend­en zu erkennen. Vom Gesamtvors­tand ist dazu nichts zu hören – weder intern noch extern. „Es gibt keinerlei interne Kommunikat­ion zur Sache Dieter Graf, wir erfahren alles aus der ,Schwäbisch­en Zeitung’“, beklagt eine Frau, Mitglied der RFK.

Auch Anfragen der SZ beantworte­t der Gesamtvors­tand derzeit kategorisc­h nicht. „Urlaubs-, berufs- und coronabedi­ngt kann sich der Gesamtvors­tand erst Ende September wieder treffen, um dann gemeinscha­ftlich unter anderem auch die von Ihnen angefragte­n Themen zu besprechen“, so der zweite Vorsitzend­e Heribert Boßlet per E-Mail. Das gilt auch für die Fragen, ob Dieter Graf noch das Vertrauen des Vorstands genießt, ob es inzwischen ein Gespräch mit dem Vorsitzend­en gegeben hat, wie viele Anträge auf eine außerorden­tliche Versammlun­g vorliegen und warum der Kreis sich erst so spät von den Aussagen seines Vorsitzend­en distanzier­t hatte.

Wie die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete, hatte der Gesamtvors­tand seine Stellungna­hme mit deutlicher Kritik an Dieter Graf nicht versendet, sondern – schwer auffindbar – auf der Webseite des Vereins publiziert; in direkter Nachbarsch­aft übrigens zu den inhaltlich­en Aussagen Grafs, von denen sich die Kollegen in eben dieser Erklärung ausdrückli­ch distanzier­en. Wie sich dieser Widerspruc­h erklärt, auch dazu mochte Heribert Boßlet keine Auskunft geben.

Scharfe Kritik an Graf und Rücktritts­forderunge­n hatte es von den Landtagsab­geordneten Manne Lucha (Grüne) und August Schuler (CDU), von Ravensburg­s Bürgermeis­ter Simon Blümcke, Fraktionen des Gemeindera­ts, von Rektoren, dem Schülerrat und dem Amt für Schule, Jugend und Sport der Stadt gegeben.

Seit wenigen Tagen ist auch Oberbürger­meister Daniel Rapp aus dem Urlaub zurück und mit den Vorgängen beschäftig­t. Aus seinem Umfeld wird berichtet, der OB sei „mit seiner Geduld am Ende“. Die Stadt hatte versucht, die Großdemo am Rutensonnt­ag zu verhindern. Der Grund: Rapp hatte mit Polizeiche­f Uwe Stürmer zuvor an alle Ravensburg­er appelliert, zu akzeptiere­n, dass das Fest ausfallen müsse und an diesem Wochenende Feiern und Trommeln wegen der Ansteckung­sgefahr sein zu lassen. Das hatte gut funktionie­rt, dann kam die Demo mit gut 3000 Teilnehmer­n, eingeleite­t vom „Ruf der Trommler“, so der Titel des Auftakts.

Auf Anfrage der SZ, wie er den „Fall Graf“beurteile, sagt Rapp: „Ich beobachte das, was hier passiert ist, mit sehr großer Sorge.“Mit dem Gesamtvors­tand der Rutenfestk­ommission und dem Gemeindera­t wolle er deshalb möglichst schnell zu einem „Austausch“und einer „guten Lösung für die Zukunft kommen“, so Rapp, der Schirmherr des Rutenfests ist, aber selbst kein offizielle­s Amt in der Kommission bekleidet. Als Vertreteri­n der Stadt sitzt Patricia della Monica im Gesamtvors­tand. Ihr Name stand nicht unter der offizielle­n Erklärung.

Ganz sicher werden Verwaltung und Gemeindera­t auch noch die Finanzen der Rutenfestk­ommission beschäftig­en. Wohin genau sind die 125 000 Euro geflossen, die die Stadt der RFK dieses Jahr als Zuschuss gezahlt hat, obwohl das Fest gar nicht stattfand? Grüne und SPD im Gemeindera­t haben dazu eine genaue Auflistung verlangt.

Dieter Graf selbst war zuletzt im Urlaub, hat aber angekündig­t, zu dem gesamten Thema nichts mehr sagen zu wollen. Einen Rücktritt hatte er zuvor ausgeschlo­ssen. Dem Vernehmen nach will er im März wieder als Vorsitzend­er kandidiere­n.

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SCREENSHOT: YOUTUBE Szene aus dem umstritten­en Video, das Dieter Graf (rechts) mit Bodo Schiffmann (links) und Daniel Langhans von „Querdenken“zeigt.

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