Schwäbische Zeitung (Biberach)
Blasmusikdirigenten bilden sich weiter
Rainer Kellmayer und Josef Feichter geben Tipps zu Stilistik und Literatur
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UNTERESSENDORF - Stillstand ist Rückschritt, deshalb ist für den Blasmusik-Kreisverband Biberach die Weiterbildung seiner Dirigenten wichtig. Rund 25 Dirigenten von Blasorchestern des Kreisverbands Biberach haben dieses Angebot beim Dirigententag in der Gemeindehalle in Unteressendorf wahrgenommen. Als Dozenten referierten bei diesem Seminar die anerkannten Musikfachleute Rainer Kellmayer aus Denkendorf zu den Themen Stilistik und Josef Feichter aus Bruneck in Südtirol zur Literatur in der Blasmusik.
Bereits um 9 Uhr morgens stellte Dozent Rainer Kellmayer die Frage, „Was ist eigentlich Stilistik?“Seine Antwort: „Mit Stil werde eine charakteristisch ausgeprägte Erscheinungsform oder das einheitliche Gepräge der künstlerischen Erzeugnisse einer Zeit (Epoche, Ära) bezeichnet.“Zumindest ein Teil der Musikgeschichte spiele auch in die Stilistik mit hinein. Deshalb war der erste Teil seines Vortrags den musikgeschichtlichen Epochen vom Mittelalter über Renaissance, Barock, Wiener Klassik und Romantik bis hin zur Moderne und der neuen Musik gewidmet. Bevor der Dirigent ein Stück in der Probe auflege, müsse er ein Gefühl für Epoche und die Art, wie es gespielt werden soll, entwickeln. „Unser Job als Dirigent ist es, hier bildend und aufklärend auf die Musiker einzuwirken“, erklärte Kellmayer. „Man kann dieses Thema nicht theoretisch erfahren, sondern nur über praktisches Hören.“Deshalb spielte er viele Ausschnitte von namhaften Profiorchestern ein und besprach die Besonderheiten teilweise anhand von Notenbeispielen. Oftmals wird anders gespielt als dies die Notation aufzeigt. Beispielsweise bei einem Walzer, wo der erste Nachschlag eine Sechzehntel vor der notierten Zeit gesetzt werde. Ebenso bei swingenden Titeln sei Betonung und Spielweise ganz anders als es die Noten vorgeben. Der Unterschied zwischen Böhmischer und Mährischer Polka sei durch die
Mentalität der beiden Volksgruppen bedingt. Böhmisch sei gemütlich, klangvoll und weich. Mährisch temperamentvoll und virtuos. „Bei beiden Polka-Arten ist die Grundlage des Klangs eine präzise funktionierende Begleitgruppe“, sagte Kellmayer. „Die Nachschläge sollen kurz und nicht dominierend sein. Die Balance zwischen Tuben und Schlagzeug sehr ausgewogen“.
Am Nachmittag befasste sich Josef Feichter mit dem Thema „Literatur, die besser (nicht) gespielt wird“. „Zu den herausforderndsten Aufgaben eines Dirigenten gehört es, stimmige Musik für das jeweilige Orchester auszusuchen und daraus inspirierende Konzertprogramme zu gestalten“, erläuterte Feichter in seinem Handout. Er versuchte die Dirigenten zu sensibilisieren, welche Musik oder Literatur empfehlenswert ist – also besser gespielt werden sollte – und welche nicht, erzählt Kreisdirigent Bernd Biffar der SZ. Anhand von Einspielungen habe er beispielsweise musikalisch wertvolle Einblasübungen aber auch Übungen ohne Sinn dargestellt. Viele neue Musikstücke mit ansprechenden Titeln und tollen Geschichten habe er angesprochen, deren musikalischer Inhalt aber keine Verbindung zu Titel und Geschichte erkennen lasse. Feichters Resümee sei gewesen: „Spielt Stücke, bei denen auch das Bild, das durch die Musik entsteht, zum Titel oder zur Geschichte die dahinter steht passt.“
„Ich bin mit der Veranstaltung sehr zufrieden“, sagte Kreisdirigent Bernd Biffar zur SZ. „Von den beiden Dozenten sind sehr viele Gedankenanstöße und Anregungen gekommen. Ich fand das Ganze sehr inspirierend. Es bleibt zu hoffen, dass die anwesenden Dirigenten diese Anregungen auch mitnehmen und sie anwenden. Die Teilnehmerzahl war für Coronazeiten sehr ordentlich und ich bin froh, dass der Dirigententag überhaupt stattfinden konnte“, schloss Biffar.