Schwäbische Zeitung (Biberach)
Der „Eishockeyspieler des Jahrhunderts“wird 70
Erich Kühnhackl steht für seinen Sport wie kaum ein anderer – Schicksalsschlag überschattet Geburtstag
I●
n einer Zeit lange vor Leon Draisaitl war es so hierzulande: Wer Eishockey sagte, meinte Erich Kühnhackl. Und wer Erich Kühnhackl am Puck sah, schwärmte. Seine 134 Tore bei 211 Nationalmannschaftseinsätzen waren Resultat immenser Schnelligkeit, großer technischer Finesse und eines ausgeprägten Vollstreckerinstinkts; auch 1431 (!) Scorerpunkte aus 774 BundesligaAuftritten zeugen von einer gewissen Leichtigkeit, mit der „der Lange“Spiel und Gegner zu dominieren schien. Ausgreifend der Schritt, die Scheibe führte er häufig mit einer Hand am langen Stock, mit der freien Linken hielt er sich die Verteidiger vom Leib. Wild wehend dazu das Haupthaar. Zum Bronzeteam von Innsbruck 1976 hatte er (natürlich) gehört, Ende 1999 wählten sie Erich Kühnhackl in Deutschland zum „Eishockeyspieler des Jahrhunderts“. Später war er Interimsbundes-, Nachwuchsund Vereinstrainer, Sportdirektor überdies. Und Vizepräsident des Deutschen Eishockey-Bundes.
Wer Eishockey sagte, meinte Erich Kühnhackl hierzulande. Meistens damals. Nein: eigentlich immer.
Diesen Samstag wird Erich Kühnhackl 70. Bei Banik Sokolov, beim EV Landshut, den Kölner Haien und beim EHC Olten dürfte man dankbar zurückblicken. Für diese vier Clubs nur hat der Mann, der in Citice/CSSR geboren und in Niederbayern heimisch geworden ist, gespielt und getroffen in seiner Karriere. Vereinstreue, die heute altmodisch wirkt? Oder doch eher bemerkenswert modern: „Ich war Profisportler, ich hab’ mit dem Sport mein Geld verdient. Und ich war mit dem, was ich in Landshut verdient habe, in Köln, in Olten, sehr, sehr zufrieden. Ich habe keinen Anlass gesehen, dass ich irgendwo anders hingehe.“
Auch nicht in die National Hockey League. Das Sommertraining hat Erich Kühnhackl dort einmal – in den Siebzigern – vier Wochen lang mitgemacht. Bei den New York Rangers. Finanziell kam man danach nicht zusammen (auch zog es den 25-Jährigen nicht wirklich weg – die Familie ging vor). Eine Randnotiz in Erich Kühnhackls großartiger Sportler-Biografie. Seit dem 9. Januar 2016 sowieso. An diesem Tag debütierte Sohn Tom – auch seine älteren Geschwister Kirstin und Kevin spielten Eishockey – in der stärksten aller Ligen. Inzwischen stehen 290 NHL-Partien (21 Tore, 44 Assists) in den Statistiken des Filius, 2016 und 2017 gehörte der 28-Jährige jeweils zum Stanley-Cup-SiegerTeam der Pittsburgh Penguins. Das hat er exklusiv, NHL-Triumphe sind rar in deutschen Eishockey-Lebensläufen. Der Vater seinerzeit stolz auf die Frage nach einem On-Ice-Vergleich Tom K./Erich K.: „Ich bitte Sie – er ist in allen Belangen stärker!“
70 wird Erich Kühnhackl diesen Samstag. Feiern wird er nicht. Kann er nicht. Vor fünf Wochen ist seine Frau Sylvia gestorben. Die Kinder sind ihm Halt in diesen schweren Tagen. Und Eishockey ist weit, weit weg.