Schwäbische Zeitung (Biberach)
Waschen, schneiden, lesen
Baden-Württembergische Literaturtage einmal anders – Ein Haarschnitt für ein Buch
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ISNY - Danny Beuerbach verlangt für einen Haarschnitt einen besonderen Preis: Seine Kunden sollen ihm eine Geschichte vorlesen. Anlässlich der 37. Baden-Württembergischen Literaturtage bringt er diese Idee nach Isny, Wangen und Leutkirch mit.
Konzentriert wandern Davids Augen über die Schrift. „Der kleine Affe trägt eine Mähne wie ein Löwe“, liest der Zweitklässler vor. Ein Büschel seines blonden Haars fällt auf den Text, aber das stört David nicht. Genauso wenig wie die Tatsache, dass ihm beim Lesen am Donnerstag in der Isnyer Fußgängerzone eine Schar Menschen an den Lippen hängt.
Darunter auch der Mann, der ihm die Haare frisiert: Danny Beuerbach ist für die Literaturtage mit seiner Initiative „Book a look and read my book!“(zu deutsch: „Suche dir eine Frisur aus und lies dafür mein Buch“) ins Allgäu gekommen. Diese gibt es bereits seit über zwei Jahren, wie der Mann mit dem schwarzen Krauskopf erklärt.
Das Prinzip ist einfach: Beuerbach schneidet einem Kunden – ob Kind oder Erwachsener – die Haare für umsonst oder zum reduzierten Preis, wenn dieser ihm dafür eine Geschichte vorliest.
Entstanden ist diese Idee 2018. Beuerbach, der als Friseur in München arbeitet, hatte damals wenig Zeit zum Lesen. Irgendwann kam ihm dann der Gedanke, sein Exemplar von Paulo Coelhos „Der Alchimist“in seinen Salon mitzubringen und seine Kunden zu bitten, ihm daraus vorzulesen.
Ein Einfall, der auf Anklang stieß. Rund zweieinhalb Jahre später ist Beuerbach ein gern gesehener Gast in Buchgeschäften, Bibliotheken und auf Literaturfesten. Ob in Deutschland oder im Ausland – überall schneidet der „Vorlesefriseur“, wie er inzwischen genannt wird, Haare von lesebegeisterten Menschen. „Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut das Konzept angenommen wird“, freut sich der ausgebildete Frisör. Auch die Corona-Pandemie habe das Interesse der Menschen an „Book a look and read my book“nicht geschmälert. Beuerbach arbeitet seit Corona jedoch vorwiegend im Freien, benutzt Desinfektionsmittel und trägt eine Maske. „Ich möchte mit gutem Beispiel vorangehen“, sagt er.
Das Ziel seiner Initiative sei dabei nicht nur, schöne Geschichten zu hören oder sich kreativ zu vermarkten. Beuerbach möchte vor allem seine jungen Kunden zum Lesen animieren. Dafür arbeitet er auf besondere Weise. Während er David die Haare schneidet, hört Beuerbach still und interessiert zu, unterbricht nicht, korrigiert auch nicht, wenn sich sein junger Kunde verhaspelt.
„Bei mir gibt es keine guten oder schlechten Leser“, sagt er. Vielmehr stehen Spaß und Anerkennung im Vordergrund. Manche Kinder hätten zunächst Lampenfieber, würden sich während des Lesens aber beruhigen, meint Beuerbach. Dazu trage bei, dass er ihnen die Haare stets auf einem bunten Teppich schneidet, der umringt von Büchern ist, die er zu seinen Terminen mitbringt. Eines davon dürfen sich die Jungen und Mädchen aussuchen und ihm vorlesen.
„Das ist ein bisschen, als würden die Mädchen und Jungen in eine magische Welt eintauchen“, ist der Frisör überzeugt. Er wünscht sich, dass in Zukunft viele seiner Kollegen dem Projekt nacheifern und arbeitet daran, dass es noch bekannter wird.
Mit dem 2019 bei Ravensburger erschienenen Buch „Der magische Frisör“, in dem Beuerbach selbst als Comicfigur auftaucht, bietet er auch Lesestoff für Schulen an. Zurzeit arbeitet er an seinem zweiten Buch und hofft, damit auch Kinder aus benachteiligten Kreisen zum Lesen zu animieren. Als wesentliche Stütze sieht er dabei die Eltern.
„Mit meinen Veranstaltungen erreiche ich auch Mütter und Väter, die die Lesekompetenz ihrer Kinder dann hoffentlich weiter fördern“, sagt er. Beuerbach weiß, dass seine Aktion vor allem für den Moment zum Lesen begeistert. Ob der Spaß an Büchern danach anhalte, sei schwer einzuschätzen.
Zumindest bei David scheint das jedoch der Fall zu sein. Nachdem die Frisur sitzt und das Buch ausgelesen ist, spenden ihm seine Zuschauer begeisterten Applaus. Der Junge strahlt. Ob er von nun an öfter vorlesen wolle, fragt ihn seine Mutter. David nickt. „Klar“, sagt er und schnappt sich prompt noch ein zweites Buch, aus dem er seinen Eltern begeistert vorliest.
„Book a look and read my book“findet im Rahmen der Literaturtage noch viermal statt: Am Freitag schneidet Danny Beuerbach um 9 Uhr und um 14 Uhr in Wangen Haare, am Samstag ist er um 10 Uhr und 14 Uhr in Leutkirch.
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