Schwäbische Zeitung (Biberach)
Rollende Rendite
Oldtimer können Investment und Liebhaberei sein – Nebenkosten nicht unterschätzen
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STUTTGART - Wenn von Sachanlagen die Rede ist, kommen den meisten Menschen Immobilien oder Aktien in den Sinn. Doch zu dieser Anlagekategorie zählen auch alternative Investments wie Oldtimer oder Kunst, die angesichts des anhaltenden Anlagenotstands durch die herrschende Niedrigzinsphase auf ihre Nachfrage stoßen. Wer sich eine solche „rollende Rendite“zulegt, die ein Oldtimer-Auto verspricht, und damit sein Portfolio breiter aufstellt, kann schließlich zur Streuung seines Risikos beitragen.
Dennoch spielt bei Kapitalanlagen in Oldtimer meistens auch eine gehörige Portion Leidenschaft und Emotionen mit eine Rolle. Denn neben dem puren Kalkül ist bei einem solchen Engagement oft viel Liebhaberei im Spiel. Und ganz nebenbei muss man sich diesen Spaß auch leisten können. Als Wertanlage rechnet sich ein Oldtimer laut Südwestbank ohnehin erst ab 100 000 Euro. Tatsächlich sind am Markt für Chromjuwelen in den vergangenen drei Jahren Bremsspuren auf der Nachfrageseite zu erkennen, die für rückläufige Preise im einstelligen Prozentbereich sorgen. Dies zeigt ein Blick auf den Oldtimerindex (OTX) der Südwestbank, der allerdings eher einer Indikation gleicht als einen echten Index darstellt. „Der Markt befindet sich in einer gesunden Konsolidierungsphase“, wie Jens Berner, Oldtimer-Experte der Südwestbank, sagt.
Dagegen hat es in den Vorjahren zum Teil exorbitante Preissteigerungen gegeben. So legte der legendäre Mercedes 300 SL Flügeltürer (Baujahre 1954 bis 1963) von 2005 bis 2020 um 360 Prozent auf 966 000 Euro an Wert zu. Der Preis für einen BMW 507 (1956 bis 1959) schoss in dieser Zeit gar um 813 Prozent auf 1 725 000 Euro in die Höhe. Folgt man der Südwestbank, die dazu rät, der Wertanteil eines Oldtimers sollte nicht mehr als zehn Prozent des Vermögens ausmachen, wird ohnehin klar, dass hier kein Massenmarkt angesprochen wird.
Und doch gibt es historische Fahrzeuge, die auch für mittlere Geldbeutel erschwinglich sein mögen. Dazu zählen die BMW Isetta 250 (1955 bis 1962) für 14 800 Euro oder der Opel Manta B GT/E (1975 bis 1977) für 8650 Euro, denen der OTX in den vergangenen 15 Jahren eine Performance von rund 200 beziehungsweise gut 280 Prozent attestiert. Der Deutschen liebster Oldtimer aber bleibt mit 40 000 Zulassungen der VW-Käfer, der als Limousine, je nach Modell und Baujahr, für 7000 bis über 40 000 Euro zu haben ist. Insgesamt tragen laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) 526 000 Pkw in Deutschland das H-Kennzeichen – elf Prozent mehr als im Vorjahr. Das „H“am Ende des Kfz-Kennzeichens dürfen Autos führen, die als „historisches Kulturgut“mindestens 30 Jahre auf dem Buckel haben. Gleichzeitig
kann es dafür Vorteile bei der Versicherung und eine pauschale KfzSteuer von 191,73 Euro geben.
Nicht zu vernachlässigen ist, dass es für Unterhalt und Pflege in der Regel mehr Aufwand einzukalkulieren gilt als für zeitgenössische Fahrzeuge. Schließlich muss man mit bis zu vier Prozent des Kaufpreises an jährlichen Nebenkosten rechnen. Diese umfassen Wertgutachten, jährliche Steuern, Versicherung, Garagenmiete, Wartung und Reparaturen. „Sind diese Faktoren geklärt, kann ein Oldtimer eine gute alternative Anlagemöglichkeit in der Niedrigzinsphase sein“, sagt Jens Berner. Gegen einen Oldtimer spricht der große Spritverbrauch mit entsprechend hohen Emissionen. Außerdem ist es ein gewisser Anachronismus, wenn ausgerechnet die Oldies ohne Umweltplakette innerhalb der
Umweltzonen in deutschen Städten fahren dürfen.
Offen ist die Frage, wie sich der demografische Wandel und die damit verbundene Vererbung von Vermögen in den kommenden Jahren auswirkt. Die Liebhaber der historischen Fahrzeuge sind durchschnittlich über 60 Jahre alt. Sollte die jüngere Generation dazu neigen, ihre geerbten Oldtimer eher zu verkaufen als selbst zu nutzen, könnte dies die Preise an einem derzeit engen Markt weiter drücken. Hinzu kommt, dass sich im Hochpreissegment die Nachfrage aus Asien und Osteuropa abgekühlt hat. Als teuerstes Auto der Welt gilt übrigens weiterhin der Ferrari 250 GTO, der nur 39-Mal gebaut wurde und 2018 von Sotheby’s für 48,4 Millionen Dollar unter den Hammer kam. Der einstige Kaufpreis 1962 lag bei 18 000 Dollar.