Schwäbische Zeitung (Biberach)
Biberach am Beginn der „Glaskugeljahre“
OB Zeidler blickt zwar optimistisch in die finanzielle Zukunft der Stadt, mahnt aber zu Vorsicht
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BIBERACH - Als „coronafest“hat Oberbürgermeister Norbert Zeidler den städtischen Haushaltsplan für 2021 bei dessen erster Lesung im Gemeinderat am Montag in der Gigelberghalle bezeichnet. Die Stadt sei aufgrund ihrer nach wie vor guten Rahmenbedingungen in der Lage, das nächste Jahr finanziell gut zu meistern. Nach 2021 jedoch beginnen die „Glaskugeljahre“so Zeidler.
Vorweg die gute Nachricht: Das Corona-Jahr 2020 wird die Stadt finanziell ohne blaues Auge überstehen. Zwar beläuft sich der Schaden durch Ertragsausfälle und Mehraufwendungen laut aktueller Hochrechnung auf 19 Millionen Euro. Allerdings erhält Biberach aus diversen Rettungsschirmen von Land und Bund direkt oder indirekt (über Landkreis und Stadtwerke) rund 30,8 Millionen Euro. Nach Abzug der Umlagen verbleiben davon knapp 14 Millionen bei der Stadt, so Kämmerin Margit Leonhardt. Sie rechnet damit, dass die Stadt dadurch rund elf bis 15 Millionen der Ergebnisrücklage zuführen kann, was wiederum dabei hilft, Einbrüche im operativen Betrieb in den Jahren 2021/ 22 puffern zu können.
Den Haushalt 2021 bezeichnete Zeidler aufgrund der Investitionen von rund 52 Millionen Euro als „antizyklischen Aufschlag“, der Problemstellungen beinhalte, „die andere gerne hätten“und der das Potenzial habe, „einen Wendepunkt zu markieren“. Der Stadt Biberach attestierte der OB eine Corona-Resilienz: Sie habe keine Schulden im Kernhaushalt, vergleichsweise wenig Soziallasten zu tragen, die Arbeitslosigkeit sei die geringste im Land. Außerdem verfüge Biberach über einen guten Branchenmix mit stabilen Unternehmen. Die finanziellen Rücklagen der Stadt werden bis Ende 2021 um gut 62,2 Millionen
Euro schmelzen. „Aber sie sind wertvoll investiert, primär in Substanzerhaltung“, so Zeidler.
Die mittelfristige Finanzplanung sei „chancenorientiert“, sagte Zeidler. Allerdings sei das Ganze auch ein Blick in die Glaskugel. So setze die Stadt ab 2023 wieder auf einen wirtschaftlichen Aufschwung und erwartet dann eine Gewerbesteuer von 120 Millionen Euro. „Sollte sich das nicht abzeichnen, müssen wir über Anpassungen
mit Ihnen reden“, kündigte der OB den Stadträten an. Unterstellt sei in den Planungen auch eine Grundsteuererhöhung ab 2023 um 100 Punkte, was 1,8 Millionen Euro mehr bringe. Die aktuellen Beschlüsse zu den Kindergartengebühren habe die Verwaltung ab 2023 mit einem Fragezeichen versehen. Werde all das umgesetzt und treffe wie geplant ein, bringe man 2023 trotzdem nur einen ausgeglichenen Haushalt auf den
Weg, so Zeidler, der deshalb an die Räte appellierte: „Schrauben Sie die Erwartungshaltung der Bürger an die Stadt, an meine Mitarbeiter und an sich selbst nicht weiterhin nach oben. Die Fallhöhe könnte sich unangenehm erhöhen.“Es sei derzeit nicht klar, ob für Biberach mit 2021 nicht eine Dekade wachsender finanzieller Möglichkeiten und des stetigen Aufschwungs zu Ende gehe. Die Antworten der Stadtverwaltung auf die von den Ratsfraktionen gestellten Haushaltsanträge, die in den nächsten Wochen beraten werden, würden deshalb gezwungenermaßen „wenig liebevoll ausfallen“, warnte Zeidler bereits vor.
Er skizzierte fünf Bereiche, in denen sich die Stadt besonders stark engagieren will. So soll im Bereich Bildung, Betreuung und Sport weiterhin „unter Volllast“gefahren werden. Zeidler nannte unter anderem die Neubauten der Kindergärten Hauderboschen und Dunantstraße sowie der Mali-Halle. Mit dem Bau des B 30Aufstiegs werde im Verkehrsbereich die Entlastung der Innenstadt immer konkreter. Im Dialog mit der Bürgerschaft solle es 2021 um die künftige verkehrliche Nutzung der Altstadt gehen. Im Bereich Umwelt und Natur strebe Biberach den Goldstatus beim European Energy Award an, so Zeidler. Beim Thema Wohnen werde man in den nächsten Jahren die Innenentwicklung vorantreiben. „Wünschenswert wäre zudem endlich der Durchbruch beim Grunderwerb für das Baugebiet Talfeld II und III“, so Zeidler. Für Wirtschaft und Handel gelte es, städtischerseits Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Weg in eine gute Zukunft ebnen. KOMMENTAR
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Die Haushaltsreden der Gemeinderatsfraktionen werden erst bei der Verabschiedung des Haushalts am 17. Dezember gehalten.