Schwäbische Zeitung (Biberach)
Amazon setzt in Meßkirch auf Zeitarbeiter
Nur ein Teil der Mitarbeiter kommt aus der näheren Umgebung – Verdi kritisiert Befristungen
●
MESSKIRCH - Seit etwa vier Wochen läuft der Betrieb im Amazon-Verteilzentrum bei Meßkirch, von wo aus Paketlieferungen in einem Umkreis von bis zu 70 Kilometern zugestellt werden.
Auf dem großen Parkplatz neben der Halle verteilt sich eine farbenfrohe Mischung von Autos. Dabei fällt auf: Nur ein paar davon tragen das Sigmaringer Kennzeichen. Die Mehrheit scheint von weiter her zu kommen: Tuttlingen, Balingen, Villingen-Schwenningen, auch ein Schweizer Kenzeichen ist dabei. Noch auffälliger: Vor dem Gelände stehen mehrere Reisebusse mit Freudenstädter Kennzeichen, mit denen nach SZ-Informationen AmazonMitarbeiter aus dem Großraum Stuttgart zur Schicht nach Meßkirch gebracht werden sollen. Hat Amazon in der Region etwa keine geeigneten Mitarbeiter für das neue Verteilzentrum finden können?
Für Maria Winkler, Bezirks-Geschäftsführerin der Dienstleistergewerkschaft Verdi Ulm-Oberschwaben, hat der Fall nichts Neues: „Es ist nicht unüblich, dass Amazon Arbeitskräfte von anderen Standorten verschiebt, um neue Standorte vollzukriegen“, sagt sie. Um die Mitarbeiter zum Standortwechsel zu bewegen, nutze das Unternehmen die Hebelwirkung befristeter Arbeitsverträge. „Wenn meine Alternative zum freiwilligen Standortwechsel Nichtverlängerung und Arbeitslosigkeit ist, lasse ich mir das als Mitarbeiter womöglich gefallen“, sagt sie.
Ist das noch eine Unternehmenspolitik im Sinne der Stadt Meßkirch, die sich von dem Verteilzentrum statt satter Gewerbesteuererträge wenigstens eine große Anzahl Arbeitsplätze versprochen hatte? „In Gesprächen mit der Agentur für Arbeit vor der Entscheidung wurde uns versichert, dass es möglich wäre, die Stellen aus dem regionalen Arbeitsmarkt zu besetzen“, sagt Meßkirchs
Bürgermeister Arne Zwick. Dass das noch nicht aufgegangen sei, überrasche ihn ein wenig. Auch er habe im Internet die Anzeigen von Personaldienstleistern bemerkt, die Arbeitskräfte für Amazon in Meßkirch suchten. „Arbeitgeber sind frei in der Wahl der Mittel, mit welchen Arbeitskräften sie ihre Stellen besetzen“, sagt Rolf Gehring, Pressesprecher der Agentur für Arbeit Balingen, auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Daher werde nicht jede Stelle der Agentur für Arbeit zur Vermittlung gemeldet. „Wenn uns eine Stelle gemeldet wird, machen wir Vermittlungsvorschläge“, sagt Gehring, „was aber letztlich daraus wird, haben wir nicht in der Hand“. Zum konkreten Fall Amazon in Meßkirch dürfe er jedoch aus Datenschutzgründen keine Angaben machen.
Für die Reisebusse vor dem Meßkircher Verteilzentrum hat das Unternehmen eine eigene Erklärung. „Wir stellen unseren Mitarbeitern zum Transfer an allen unseren Standorten Busshuttles zur Verfügung, da die Industriegebiete nicht immer zentral und gut erreichbar gelegen sind“, sagt Nadiya Lubnina, Pressesprecherin bei Amazon. Die Mitarbeiter für Meßkirch zum Beispiel würden etwa von den Bahnhöfen in Sigmaringen und VillingenSchwenningen abgeholt. „Dieser Service ist für unsere Mitarbeiter natürlich kostenlos“, so Lubnina.
Inzwischen sei der Großteil der Stellen im Meßkircher Verteilzentrum besetzt, die Mitarbeiter vor Ort seien sowohl direkt bei Amazon als auch über Personaldienstleiter beschäftigt. In welchem Umfang Amazon für den Standort Meßkirch auf Personaldienstleister zurückgegriffen hat, will die Unternehmenssprecherin aber nicht verraten.
„Langfristig wollen wir 80 bis 90 Prozent der Mitarbeiter an unseren Standorten direkt an uns binden“, sagt Lubnina. Zeitarbeitsfirmen spielten für Amazon insbesondere bei der Besetzung von befristeten Stellen eine wichtige Rolle. 10 000 davon seien allein in Deutschland für das Weihnachtsgeschäft zu besetzen.