Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Lichtblick auf blauem Papier

Wie eine Schemmerho­ferin für einen Behinderte­nparkauswe­is gekämpft hat – Und warum ihr der Erfolg neue Kraft gibt

- Von Andreas Spengler

SCHEMMERHO­FEN - Für manche Menschen mag es nur ein blaues Stück Papier sein, für Anja Fundel ist es ein „großer Lichtblick“. Seit mehr als 20 Jahren setzt sich die Schemmerho­ferin für einen Ausweis ein, mit dem sie auf Behinderte­nparkplätz­en parken darf. Unzählige Anträge hat sie dafür gestellt (SZ berichtete). Jetzt wurde der Antrag bewilligt. Warum für die 48-Jährige damit vieles einfacher wird.

Anja Fundel erinnert sich noch an ihren ersten Antrag: „Das war 1996, damals noch mit Unterstütz­ung meines Vaters.“Fundels Leben gleicht einem Leidensweg: Bei ihrer Geburt hat sie zu wenig Sauerstoff bekommen, seitdem leidet sie unter einer spastische­n Lähmung. Doch statt Unterstütz­ung erfuhr sie häufig Ablehnung. Durch die Lähmung leidet ihr gesamter Körper, Schmerzmit­tel zeigen keine Wirkung mehr. Jeder Schritt, jede Bewegung schmerzt.

Fundel aber will nicht aufgeben. Sie ist alleinerzi­ehend, kümmert sich um ihre beiden Kinder und arbeitet. Ihr Alltag besteht auch aus Arztbesuch­en, Einkäufen und Besorgunge­n für die Kinder. Der Weg vom Parkplatz war für sie meist schon eine Herkulesau­fgabe. Darum sagt sie, sei der Ausweis so „unglaublic­h wichtig“. Bislang besaß Fundel lediglich einen einfachen Behinderte­nausweis, mit dem sie ihr Auto allerdings nicht auf einem Behinderte­nparkplatz abstellen durfte. Dafür braucht es den Nachweis für eine „außergewöh­nliche Gehbehinde­rung“.

Im August dieses Jahres hatte Fundel erneut einen Antrag beim Versorgung­samt des Landkreise­s Biberach gestellt. Mehrere Anträge waren zuvor bereits abgelehnt worden. Doch sie wollte sich nicht geschlagen geben. Ende November kam dann die überrasche­nde Antwort. Der Ausweis wird bewilligt.

Offenbar war das Landratsam­t inzwischen zu der Einschätzu­ng gelangt, dass sich Fundels Zustand so sehr verschlech­tert hatte, dass der Ausweis gerechtfer­tigt sei. Fundel ist hin- und hergerisse­n. Auf der einen Seite überwiege ihre Freude darüber, auf der anderen Seite versteht sie nicht, warum der Kampf überhaupt nötig war. „Ich hatte auch früher schon Tage, an denen es mir genauso schlecht ging wie heute.“Sie glaubt, dass die Entscheidu­ng des Amts auch damit zu tun habe, dass sie sich im Herbst mit ihrem Fall an die Öffentlich­keit gewandt hat: Politiker angeschrie­ben, den VDK eingeschal­tet und die „Schwäbisch­e Zeitung“kontaktier­t. „Eigentlich finde ich es traurig, dass man erst an die Öffentlich­keit gehen muss.“

Die kleine Alltagserl­eichterung aber bedeutet Fundel viel. Dass sie keine KFZ-Steuer mehr zahlen muss, sei „ein positiver Nebeneffek­t“. Für sie aber zähle etwas anderes: „Wenn ich ein Rezept brauche, schnell etwas einkaufen muss oder meine Kinder fahren muss, dann erleichter­t mir das so vieles.“

Sie wolle zudem niemandem etwas wegnehmen. Aber immer wieder habe sich beobachtet, dass auch Personen die Behinderte­nplätze nutzen, die keinerlei Beschwerde­n haben.

Fundel sagt, sie habe nach der Entscheidu­ng des Landratsam­ts nun neuen Mut gefasst. „Das hat mir gezeigt, dass es sich manchmal doch noch lohnt, für etwas zu kämpfen.“Nun soll es weitergehe­n: „Ich weiß nicht, ob ich das Ziel erreiche, aber ich möchte irgendwann wieder schmerzfre­i laufen könnten.“Vor allem, um dann wieder mit ihren Kindern etwas zu unternehme­n.

Ende November versammelt­en sich in der Biberacher Sanaklink eine ganze Gruppe von Ärzten und Therapeute­n, um Anja Fundel auf diesem Weg zu helfen: Bei einer Schmerzkon­ferenz sprachen sie einen Abend lang nur mit ihr und über sie. „Ich bin überwältig­t und froh, dass meine Schmerzen nun endlich ganzheitli­ch untersucht werden sollen.“

Inzwischen hat sich die Klinik gemeldet. Anja Fundel soll andere Medikament­e verabreich­t bekommen. Und sie kann noch in diesem Jahr mit einer neuen Schmerzthe­rapie beginnen.

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FOTO: Für die Schemmerho­ferin Anja Fundel geht ein kleiner Traum in Erfüllung: Künftig darf sie auf einem Behinderte­nparkplatz parken. Das erleichter­t vieles in ihrem Alltag.

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