Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein Lichtblick auf blauem Papier
Wie eine Schemmerhoferin für einen Behindertenparkausweis gekämpft hat – Und warum ihr der Erfolg neue Kraft gibt
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SCHEMMERHOFEN - Für manche Menschen mag es nur ein blaues Stück Papier sein, für Anja Fundel ist es ein „großer Lichtblick“. Seit mehr als 20 Jahren setzt sich die Schemmerhoferin für einen Ausweis ein, mit dem sie auf Behindertenparkplätzen parken darf. Unzählige Anträge hat sie dafür gestellt (SZ berichtete). Jetzt wurde der Antrag bewilligt. Warum für die 48-Jährige damit vieles einfacher wird.
Anja Fundel erinnert sich noch an ihren ersten Antrag: „Das war 1996, damals noch mit Unterstützung meines Vaters.“Fundels Leben gleicht einem Leidensweg: Bei ihrer Geburt hat sie zu wenig Sauerstoff bekommen, seitdem leidet sie unter einer spastischen Lähmung. Doch statt Unterstützung erfuhr sie häufig Ablehnung. Durch die Lähmung leidet ihr gesamter Körper, Schmerzmittel zeigen keine Wirkung mehr. Jeder Schritt, jede Bewegung schmerzt.
Fundel aber will nicht aufgeben. Sie ist alleinerziehend, kümmert sich um ihre beiden Kinder und arbeitet. Ihr Alltag besteht auch aus Arztbesuchen, Einkäufen und Besorgungen für die Kinder. Der Weg vom Parkplatz war für sie meist schon eine Herkulesaufgabe. Darum sagt sie, sei der Ausweis so „unglaublich wichtig“. Bislang besaß Fundel lediglich einen einfachen Behindertenausweis, mit dem sie ihr Auto allerdings nicht auf einem Behindertenparkplatz abstellen durfte. Dafür braucht es den Nachweis für eine „außergewöhnliche Gehbehinderung“.
Im August dieses Jahres hatte Fundel erneut einen Antrag beim Versorgungsamt des Landkreises Biberach gestellt. Mehrere Anträge waren zuvor bereits abgelehnt worden. Doch sie wollte sich nicht geschlagen geben. Ende November kam dann die überraschende Antwort. Der Ausweis wird bewilligt.
Offenbar war das Landratsamt inzwischen zu der Einschätzung gelangt, dass sich Fundels Zustand so sehr verschlechtert hatte, dass der Ausweis gerechtfertigt sei. Fundel ist hin- und hergerissen. Auf der einen Seite überwiege ihre Freude darüber, auf der anderen Seite versteht sie nicht, warum der Kampf überhaupt nötig war. „Ich hatte auch früher schon Tage, an denen es mir genauso schlecht ging wie heute.“Sie glaubt, dass die Entscheidung des Amts auch damit zu tun habe, dass sie sich im Herbst mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit gewandt hat: Politiker angeschrieben, den VDK eingeschaltet und die „Schwäbische Zeitung“kontaktiert. „Eigentlich finde ich es traurig, dass man erst an die Öffentlichkeit gehen muss.“
Die kleine Alltagserleichterung aber bedeutet Fundel viel. Dass sie keine KFZ-Steuer mehr zahlen muss, sei „ein positiver Nebeneffekt“. Für sie aber zähle etwas anderes: „Wenn ich ein Rezept brauche, schnell etwas einkaufen muss oder meine Kinder fahren muss, dann erleichtert mir das so vieles.“
Sie wolle zudem niemandem etwas wegnehmen. Aber immer wieder habe sich beobachtet, dass auch Personen die Behindertenplätze nutzen, die keinerlei Beschwerden haben.
Fundel sagt, sie habe nach der Entscheidung des Landratsamts nun neuen Mut gefasst. „Das hat mir gezeigt, dass es sich manchmal doch noch lohnt, für etwas zu kämpfen.“Nun soll es weitergehen: „Ich weiß nicht, ob ich das Ziel erreiche, aber ich möchte irgendwann wieder schmerzfrei laufen könnten.“Vor allem, um dann wieder mit ihren Kindern etwas zu unternehmen.
Ende November versammelten sich in der Biberacher Sanaklink eine ganze Gruppe von Ärzten und Therapeuten, um Anja Fundel auf diesem Weg zu helfen: Bei einer Schmerzkonferenz sprachen sie einen Abend lang nur mit ihr und über sie. „Ich bin überwältigt und froh, dass meine Schmerzen nun endlich ganzheitlich untersucht werden sollen.“
Inzwischen hat sich die Klinik gemeldet. Anja Fundel soll andere Medikamente verabreicht bekommen. Und sie kann noch in diesem Jahr mit einer neuen Schmerztherapie beginnen.