Schwäbische Zeitung (Biberach)
Beispiellose Demütigung
Die deutschen Handballerinnen kassieren eine 23:42-Rekordpleite gegen Norwegen, hoffen aber auf ein Remis gegen Polen
KOLDING (SID) - Nach der beispiellosen EM-Demütigung drückte Henk Groener beherzt den Reset-Knopf. „Ich denke, die Mannschaft wird eine Trotzreaktion zeigen“, sagte der Bundestrainer der deutschen Handballerinnen nach einer kurzen Nacht mit wenig Schlaf und versprach für das Endspiel gegen Polen am Montag (18.15 Uhr/Sportdeutschland.TV): „Wir werden den nächsten Schritt gehen, und dann ist weiterhin alles möglich.“
Einen Tag nach der 23:42 (14:22)Klatsche gegen Norwegen, der höchsten Niederlage einer deutschen Mannschaft in der Länderspielgeschichte, gab sich Groener „überzeugt davon, dass mein Team das wegstecken wird. Das Schöne ist: Es ist alles noch drin.“
Das ist es tatsächlich. Schon mit einem Remis gegen den bislang punktlosen Außenseiter Polen stünde das deutsche Team, ein selbst ernannter Medaillenanwärter, sicher in der
Hauptrunde. Unter Umständen könnte auch eine knappe Niederlage zum Weiterkommen reichen. Und durch den Auftaktsieg gegen Rumänien (22:19) wäre die Ausgangslage für den Kampf um die begehrten Halbfinalplätze
sogar passabel. Dennoch wirft der erschreckend kopf- und leidenschaftslose Auftritt gegen Rekord-Europameister Norwegen Fragen auf. „Was heute passiert ist, muss auf jeden Fall aufgearbeitet werden“, forderte
Außenspielerin Antje Lauenroth nach der schlechtesten deutschen Leistung der vergangenen Jahre. Shootingstar Emily Bölk sagte: „Gegen Norwegen kann man verlieren, aber nicht auf diese Art und Weise. Es war nicht unser bester Tag. Aber wir werden wieder aufstehen.“
Und so war Groener, der nach überstandener Corona-Infektion erst unmittelbar vor dem Spiel zum Team gestoßen war, am Sonntag mit seiner positiven Ansprache vor allem als Krisenmanager und Team-Seelsorger gefragt. „Wichtig ist es, den Kopf frei zu bekommen und wie man ins nächste Spiel geht“, sagte der 60-Jährige, der den Nikolaustag für viele Gespräche mit seinen Spielerinnen nutzte.
Dabei hatte natürlich auch der Trainer selbst an dem Norwegen-Debakel zu knabbern. Tiefe Augenringe zeugten beim virtuellen Medientermin von einer quälenden Spielanalyse. „Ich habe nicht gut geschlafen. Das war ungenügend“, urteilte Groener über die „Handball-Lektion“von Samstag: „Das war in vielen Bereichen ein Schritt zurück.“
Ins selbst auferlegte Tempospiel kam Deutschland viel zu selten. Norwegen ließ den Ball hingegen immer wieder schnell laufen, die deutsche Abwehr wurde immer wieder mit einfachen Mitteln übertölpelt.
Schon in der Pause war der Glaube an einen Sieg verloren gegangen. „Dass wir das Spiel nicht mehr drehen konnten, war uns in der Halbzeit bewusst“, analysierte Lauenroth. Ein Satz, der tief blicken ließ.
Die Verbandsspitze machte am Sonntag keinen Hehl daraus, dass „so ein Spielverlauf und Ergebnis nicht eingeplant waren“. Gegen Polen werde das deutsche Team „ein anderes Gesicht zeigen“, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer: „Das Ziel ist, die Hauptrunde klarzumachen und mit einem guten Spiel gegen Polen mit Selbstvertrauen in die nächste Turnierphase einzuziehen.“