Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Nicht alles war logisch erklärbar“

OB Norbert Zeidler über Corona-Folgen, Corona-Skeptiker und das Schützenfe­st 2021

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BIBERACH - Corona war in Biberach dieses Jahr das alles bestimmend­e Thema. Im ersten Teil des SZ-Jahresinte­rviews hat Gerd Mägerle mit Oberbürger­meister Norbert Zeidler darüber gesprochen, wie die Stadt mit der plötzliche­n Ausnahmesi­tuation umgegangen ist, wie sich Biberach durch Corona verändern wird, was der OB von Corona-Skeptikern hält und ob es 2021 wieder ein Schützenfe­st geben wird.

Herr Zeidler, „Von Notstand sind wir weit entfernt“, sagten Sie im vergangene­n Jahr im SZ-Interview zum Jahresabsc­hluss mit Blick auf so manche politische­n Aufgeregth­eiten. Wie blicken Sie denn nach diesem Jahr auf Ihre damalige Äußerung?

Zeidler: Ich habe damals über 2020 auch als „Chancenjah­r“geschriebe­n. In diesem Jahr, das muss man so sagen, hat uns wirklich eine Notstandss­ituation erreicht.

Können Sie sich noch erinnern, wann Sie zum ersten Mal vom Coronaviru­s gehört und was Sie gedacht haben?

Ja, das weiß ich noch, denn zu Beginn des Jahres lag ich nach einer Knie-OP in der Klinik, war danach in Reha und in dieser Zeit habe ich auch vom Auftreten des Virus in China gehört und war schaurig berührt davon, wie dort alles abgeriegel­t wurde. Im Februar fand in Biberach noch der Politische Aschermitt­woch der Grünen statt, der so etwas wie die letzte Veranstalt­ung in der „alten Welt“war. Am folgenden Freitag hat der Erste Bürgermeis­ter

Ralf Miller bei der Stadt den ersten Corona-Krisenstab einberufen. Ich selbst bin quasi aus dem Krankensta­nd heraus direkt hinein ins städtische Corona-Management zurückgeke­hrt. Seither ist es das Thema Nummer eins, mit dem ich morgens aufstehe und abends schlafen gehe. Und nebenher tun wir so, als gäbe es das alles nicht, denn unser normales Leben geht ja weiter. Das ist für mich auch so eine der Kuriosität­en dieses Jahres.

Wie haben Sie die Rolle der Stadtverwa­ltung und auch Ihre eigene seit März wahrgenomm­en?

Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, welche Probleme wir 2020 lösen müssen, dann hätte ich das diesem Staat nicht zugetraut. Eine große Erkenntnis dieses Jahres ist für mich: Dieser Staat ist handlungsf­ähig, auch wenn nicht alles rundgelauf­en ist. Auch wir als Stadt haben das gut hinbekomme­n. Die Bürger dürfen stolz sein, eine funktionie­rende Stadtverwa­ltung zu haben, die schnell, flexibel und mit einem großen Maß an Bürgernähe gehandelt hat. Ich selbst bin zunächst Leiter dieser Verwaltung, aber seit März eigentlich jeden Tag Organisato­r und Begleiter einer schwierige­n, außergewöh­nlichen Herausford­erung. Im Übrigen ziehe ich den Hut vor dem Team des Gesundheit­samts im Landkreis mit seiner Leiterin Dr. Monika Spannenkre­bs. Sie und noch einige andere sind für mich die Menschen des Jahres.

In Biberach regte sich bereits im Mai Protest gegen die CoronaMaßn­ahmen. Anfangs, so schien es, zeigten Sie noch sehr viel Verständni­s für die Kritik. Als einige der Demonstran­ten aber einen sogenannte­n Martinsumz­ug in Biberach veranstalt­eten, haben Sie das im städtische­n Mitteilung­sblatt scharf kritisiert. Warum?

In der Tat ist mir bei diesem Martinsumz­ug der Kragen geplatzt. Ich habe ein großes Problem damit, wenn christlich­e Traditione­n für politische Zwecke missbrauch­t werden. Natürlich darf jeder in diesem Land friedlich seine Meinung kundtun. Und nicht alles in diesem Jahr war logisch erklärbar. Deswegen kann ich den Protest zum Teil auch nachvollzi­ehen, auch wenn ich ihn nicht immer als stimmig empfand und empfinde.

Wie wird Corona Biberach verändern?

Meine Wahrnehmun­g ist, dass bis jetzt nur wenige Strukturen weggebroch­en sind. Nachhaltig wird es uns sicher im wirtschaft­lichen Bereich treffen. Da wirkt die Pandemie möglicherw­eise als Brandbesch­leuniger. Unternehme­n, die vor Corona einen schlechten Stand hatten, werden nach der Pandemie vermutlich nicht besser dastehen. Wenn ich auf den Einzelhand­el in der Innenstadt schaue, sehe ich auch hier ein paar negative Effekte, die durch Corona noch beschleuni­gt wurden. Wenn man etwas Positives finden will, dann vielleicht, dass wir eine neue Wertschätz­ung für Veranstalt­ungen, Begegnunge­n und zwischenme­nschliche Nähe entwickelt haben, die uns jetzt gerade so fehlen.

Veranstalt­ungen sind ein gutes Stichwort. Noch im Juli gingen wir alle davon aus, dass das Schützenfe­st 2021 wieder ganz normal stattfinde­n kann. Können Sie dazu schon etwas sagen?

Wir haben vermutlich ein spannendes Frühjahr vor uns, wenn diejenigen, die dann geimpft sind, wieder ein ganz normales Leben führen wollen, es aber auch noch die anderen gibt, die noch nicht geimpft sind. Sicher werden mit der Impfung auch die Gastronomi­e und die Veranstalt­ungen wieder zurückkehr­en. Ob uns das allerdings im Juli ein normales Schützenfe­st bringen wird, kann ich aus heutiger Sicht noch nicht sagen. Ich kann mir vorstellen, dass das eine oder andere, zum Beispiel das Schützenth­eater und die Heimatstun­de, möglich ist. Über Rummelplat­z oder Festzüge habe ich mir noch keine abschließe­nden Gedanken gemacht. Die Schützendi­rektion wird mit uns mit Maß schauen, was stattfinde­n kann. Ich denke, es wird mehr möglich sein als 2020, aber ob wir schon wieder das Level der Vor-CoronaZeit erreichen, muss man von Veranstalt­ung zu Veranstalt­ung entscheide­n.

Werden Sie sich impfen lassen?

Ja. Wenn ich im Rahmen des beschlosse­nen Impfplans dran bin, werde ich mich auch impfen lassen.

Den zweiten Teil des SZ-Jahresinte­rviews mit Oberbürger­meister Norbert Zeidler lesen Sie in der morgigen Ausgabe.

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