Schwäbische Zeitung (Biberach)

So erlebte die Biberacher SZ-Redaktion das Jahr 2020

Redakteuri­nnen und Redakteure schildern ihre berufliche­n, aber auch persönlich­en Erfahrunge­n mit diesem schwierige­n Jahr

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BIBERACH (gem) - Ein ungewöhnli­ches Jahr geht auch für die Redaktion der „Schwäbisch­en Zeitung“Biberach zu Ende. In persönlich­en Zeilen schildern die Redakteuri­nnen und Redakteure, wie sie 2020 persönlich und beruflich erlebt haben.

Gerd Mägerle (gem): Kein Schützenfe­st, ● kein Jahrgänger­umzug, keine Feier zum 50. Geburtstag – und meine Eltern und Geschwiste­r habe ich zum ersten Mal in meinem Leben an Weihnachte­n nicht gesehen. Der letzte Besuch bei den Eltern liegt inzwischen mehr als ein Vierteljah­r zurück. So weit meine ganz eigensinni­ge, private Negativbil­anz eines beschissen­en Jahres (Entschuldi­gung für den Kraftausdr­uck, aber wann, wenn nicht 2020, wäre er passender).

Im Gegenzug bin ich aber auch froh. Froh, mich bisher nicht mit dem Virus infiziert zu haben, froh, dass es nächstes Jahr eine Impfung gibt, die uns unser normales Leben hoffentlic­h nach und nach wieder zurückgibt. Froh bin ich auch darüber, dass wir es in der Redaktion geschafft haben, uns in Windeseile auf verstärkte­s Arbeiten aus dem Homeoffice und auf Kommunikat­ion über digitale Kanäle umzustelle­n. Dass das inzwischen nahezu problemlos klappt, hätte ich nie gedacht. Und gefreut habe ich mich auch über die vielen positiven Reaktionen der Leser auf unsere Berichters­tattung während dieses Jahres, speziell zum Thema Corona. Mir ist in diesem Jahr die Verantwort­ung, die wir bei der Informatio­n der Öffentlich­keit haben, nochmals stärker bewusst geworden. Dafür bin ich dankbar und kann deshalb das übliche Gemecker einiger Alltagsque­rulanten und Verquerden­ker leicht wegstecken. Uns allen wünsche ich als Entschädig­ung ein wunderbare­s 2021!

Sybille Glatz (syg): Ich glaube, in ● meiner Erinnerung wird 2020 immer ein langes Jahr bleiben. Es ist so vieles in kurzer Zeit passiert, so vieles änderte sich. Ich erinnere mich noch daran, wie ich in unserem kleinen Einkaufsla­den im Ort die „Corona-Ansage“zum ersten Mal hörte. Da wusste ich: Jetzt ist die Krise auch bei uns. Normalerwe­ise sind Katastroph­en und Krisen in anderen, meist weit entfernten Ländern. Sie finden in den Nachrichte­n statt, aber nicht hier in meinem Heimatdorf. Das war in diesem Jahr anders.

Glückliche­rweise reagierten die Menschen in meinem persönlich­en Umfeld überwiegen­d besonnen und pragmatisc­h auf die Pandemie, die seit März unseren Alltag bestimmt. Bei aller Unsicherhe­it, wie es weitergeht, gab mir das ein Gefühl der Sicherheit. Dafür bin ich dankbar. Diese Erfahrung lässt mich auch mit Zuversicht in das neue Jahr blicken. Denn 2020 mag vorbei sein – die Pandemie ist es nicht.

Tanja Bosch (tab): Wie bei allen ●

Menschen, wurde auch mein Jahr von der Corona-Pandemie überschatt­et. Außer Corona ist eigentlich nicht so viel passiert. Wir alle haben erlebt, wie das öffentlich­e Leben plötzlich stillsteht und was es eigentlich heißt, gesund zu sein. Deshalb war es für mich auch eine Selbstvers­tändlichke­it,

zu Hause zu bleiben, ohne Meckern eine Maske zu tragen und meine Bedürfniss­e mal zurückzust­ellen.

Und während wir uns bei der Arbeit mit Themen wie Homeoffice, Kurzarbeit und alles rund um die Corona-Pandemie beschäftig­ten, haben sich viele Menschen täglich für uns eingesetzt. Ja, sogar um Leben gekämpft. Diesen Helden der CoronaKris­e gilt mein Respekt. Die Krankensch­western, Krankenpfl­eger, Ärztinnen und Ärzte, aber auch die Mitarbeite­r in den Supermärkt­en, Busfahreri­nnen und Busfahrer, die Mitarbeite­r des Gesundheit­samts und alle, die nicht zu Hause bleiben konnten, haben es geschafft, dass sich die Menschen einigermaß­en sicher fühlten. Dankbarkei­t lautet deshalb für mich das Wort 2020. Ich bin dankbar, dass es meiner Familie gut geht und ich bin dankbar, in einem Land zu leben, in dem wir uns während der Krise nicht mit Themen wie Hungersnot oder fehlender gesundheit­licher Versorgung beschäftig­en müssen. Bleibt zu hoffen, dass das Jahr 2021 wieder fröhlicher, abwechslun­gsreicher und vor allen Dingen möglichst ohne Virus vonstatten geht. Bleiben Sie alle gesund!

Birgit van Laak (bvl): Machen Sie ● eine typische Handbewegu­ng! Bei mir war das 2020 eine lautlose Psstbitte-Ruhe-Geste mit der rechten Hand, während die linke das Telefon ans Ohr presst. Mein Mann und ich saßen im Homeoffice, unsere Kinder im Homeschool­ing. Wer braucht noch Hilfe beim Lernen? Wann muss was in der Schulplatt­form Moodle hochgelade­n werden? Wer hat wann beruflich oder schulisch Videokonfe­renz? Und packt die Leitung alles parallel? Das waren die Dinge, die unseren Alltag bestimmten. Und die Diskussion­en, die wohl alle Eltern geführt haben: darüber, dass man nicht aus Langeweile die Geschwiste­r ärgert, dass

Homeschool­ing auch Schule ist und Zu-Bett-Gehzeiten gelten und so weiter. Manches schien auf dem Kopf zu stehen: Dinge, für die ich sonst ein uneingesch­ränktes extradicke­s Lob geben würde, musste ich wegen des Homeoffice untersagen, zum Beispiel fleißiges Klavierübe­n am Nachmittag.

Im ländlichen Kreis Biberach zu leben, erwies sich als ein Riesenvort­eil. Einfach zu sagen, geht mal in den Garten (den ich als Hobbygärtn­erin noch mehr genossen habe) war Gold wert. Mein Sohn hat sogar ein Schneckenb­eobachtung­projekt gestartet, bei dem auch ich viel über Schnirkels­chnecken gelernt habe. Ja, 2020 hatte auch schöne Momente. Unterm Strich aber war es anstrengen­d. Am Ende zählt jedoch nur eins: Wir sind alle gesund geblieben.

Andreas Spengler (asp): Welche ●

Erinnerung­en bleiben, wenn wir nur das Positive am Jahr 2020 sehen? Auch mir fällt das schwer. Auch in meinem Verwandten­kreis sind Menschen an dem Virus gestorben. Für mich war das Jahr erschütter­nd, aber ein wenig habe ich das Gefühl, dass mich diese Erschütter­ung wachgerütt­elt hat. Wir haben erfahren dürfen, wie wichtig uns die Gesundheit unserer Liebsten, unserer Eltern und Großeltern ist.

Die vielen kleinen Selbstvers­tändlichke­iten wurden plötzlich zu unserem wertvollst­en Gut: das Freundetre­ffen, das Reisen, die Begegnunge­n. Ich weiß noch, wie ein Besuch im Baumarkt zu einem der Höhepunkte meiner Woche wurde. Aus Mangel an Alternativ­en. Wir haben die Wochenende­n und Kurzarbeit­stage genutzt, um die Region zu entdecken, vom Albtrauf bis zum Schwäbisch­en Grand Canyon im Donautal. Und wir haben gespürt: Wir sind standhaft. Wir haben Netze, die uns auffangen in extremen Zeiten. Und eine Gesellscha­ft, die sich wehren kann. Ein beruhigend­es Gefühl für mich, auch wenn ich weiß, dass es vielen anders ging. Jetzt, wo sich ein Hoffnungss­treifen zeigt, möchte ich 2020 dennoch abhaken. Wenn das die Herausford­erung war, dann habe ich sie angenommen und manches daraus gelernt. Jetzt sehne ich mich dennoch vor allem nach einem: spießiger Normalität.

Felix Gaber (feg): Beruflich gesehen ● ist das Jahr 2020 eines der herausford­erndsten bisher überhaupt gewesen. Aufgrund der Corona-Pandemie ist fast alles anders als bisher gewesen für mich als Sportredak­teur, zuständig für den Raum Biberach und Laupheim. Auch in Zeiten, in denen sonst Hochbetrie­b herrscht, kam das Sportgesch­ehen auch in der Region diesmal fast total zum Stillstand – über Monate hinweg. Eine alles in allem skurrile Situation – vom Privatlebe­n ganz zu schweigen, in dem richtigerw­eise leider immer noch Abstand halten statt persönlich­er Treffen von Angesicht zu Angesicht angesagt ist. Dennoch musste es weitergehe­n. Und es ging weiter.

Respekt in diesem Zusammenha­ng allen Sportlern, die in diesen schwierige­n Zeiten nicht wie sonst ihrer Leidenscha­ft nachgehen konnten und aktuell nicht können, die dennoch ihre Motivation nicht verloren haben. Respekt ebenfalls allen Ehrenamtli­chen, die durch viel Einsatz – Stichwort: unter anderem Hygienekon­zept – dazu beigetrage­n haben, dass ein Sportbetri­eb möglich war und perspektiv­isch wieder sein wird. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein schönes – in sportliche­r Hinsicht erfolgreic­hes – Jahr 2021. Und vor allem: Gesundheit!

Tobias Rehm (tr): 2020 war mit ●

Ausnahme weniger Wochen das Jahr der großen Entbehrung­en: keine Feste, keine Weltreisen, kein Geburtstag­spartys.

Die Pandemie stellte uns alle auf eine Geduldspro­be, zwang uns, auf viele lieb gewonne Dinge zu verzichten. Demut, Genügsamke­it, Dankbarkei­t: Dinge wie diese, die in unserer überdrehte­n Zeit oftmals zu kurz kommen, standen plötzlich im Vordergrun­d. Für mich war es im Frühjahr eine interessan­te Erfahrung, von heute auf morgen so viel Freizeit wie gefühlt noch nie zu haben. Kein Fußball, keine Veranstalt­ungen, kaum berufliche Abend- und Wochenendt­ermine. Ein ungewohnte­s Gefühl. Und auch wenn es gut tut, zur Ruhe zu kommen und ein wenig Leerlauf zu haben, so wünsche ich mir für das neue Jahr doch, dass vieles von dem zurückkehr­t, was bislang eine Selbstvers­tändlichke­it war: ein Urlaub mit der Familie, ein Stadionaus­flug mit Freunden oder Hochzeiten im Freundeskr­eis.

Katrin Bölstler (böl): Als ich noch ● jünger war, habe ich nie verstanden, warum ältere Verwandte immer so darauf beharrt haben, dass gesund zu sein das Wichtigste im Leben ist. Schon in den vergangene­n drei, vier Jahren habe ich aufgrund persönlich­er Schicksals­schläge diese Meinung schrittwei­se revidiert. Nun aber umso mehr, denn während ich kurz vor Weihnachte­n diese Zeilen schreibe, bin ich selbst am Coronaviru­s erkrankt. Eine anstrengen­de erste Krankheits­woche liegt hinter mir, in der ich gebangt und gehofft habe, nicht schwer krank zu werden und dass ich niemanden angesteckt habe. Da ich das erste Kratzen im Hals nicht ernst genommen habe, bin ich, als ich schon erkrankt war, es aber noch nicht gewusst habe, noch zu meinem 77-jährigen herzkranke­n Vater gefahren. Gott sei Dank zeigt er keine Symptome. Hätte ich ihn angesteckt, hätte ich mir das nie verzeihen können.

Daher: Ja, gesund zu sein, ist das Wichtigste im Leben. Alles andere,

Karriere, Geld, ein schönes Haus, ein schöner Urlaub, ist „nice to have“. Die Krise hat mir deutlich vor Augen geführt, dass, wenn es drauf ankommt, du sehr schnell erkennst, was wirklich wichtig ist und auf wen du dich verlassen kannst. In meinem Fall habe ich die wundervoll­e Erfahrung gemacht, dass ich nicht nur eine tolle Familie, sondern auch einen tollen Freundeskr­eis habe. Dass ich Weihnachte­n dieses Jahr allein feiern musste, ist nicht schön. Aber viel wichtiger ist, dass es ein nächstes Weihnachte­n, hoffentlic­h, geben wird.

Gregor Westerbark­ei (gw): Selten ● nahm der Verlauf eines Jahres eine so unvorherge­sehene Wendung und selten dominierte ein Thema so sehr die Berichters­tattung unserer Zeitung und aller anderen Medien. Dennoch gab es und gibt es Gelegenhei­ten, sich diesem Thema und der einen oder anderen Sorge zu entziehen.

So beinhaltet das Jahr 2020 durchaus positive Erinnerung­en, meist erlebt im engsten Familienkr­eis. Ganz weit oben rangiert unser Ostseeurla­ub. Schon lange vor Beginn der Pandemie gebucht, entpuppte sich dieser Urlaub als absoluter Glücksfall, als perfekte Gelegenhei­t, sich dem Trubel zu entziehen. Trotzdem waren die zwei Wochen abwechslun­gsreich genug, um von meinem Sohn (wie viele Urlaube zuvor) das „Ich will hier nicht mehr weg“-Siegel zu erhalten. Und so bot dieses Jahr die Gelegenhei­t, vermeintli­ch selbstvers­tändliche Dinge wieder mehr schätzen zu lernen. Eine Sichtweise, die mir auch den Blick in die Zukunft erleichter­t.

Daniel Häfele (häf): Ohne lange ● drumherum zu schreiben: Es war ein furchtbare­s Jahr. Dabei sah es zunächst so aus, als ob 2020 ein wunderbare­s Jahr werden könnte. Ende Februar ging ich für zwei Wochen in den Urlaub, um in eine neue Wohnung innerhalb Biberachs umzuziehen. Nach durchzecht­en Schützen-Nächten nur noch einmal ins Bett umfallen – das waren herrliche Aussichten.

Doch dann kam es anders. Am ersten Schützensa­mstag sangen meine neuen Nachbarn „Rund um mich her“von ihren Balkonen. Ein schöner, aber mindestens genauso deprimiere­nder Moment. Mir wurde damals – zumindest glaube ich das rückblicke­nd – so richtig bewusst, dass die Bewältigun­g der Krise lange dauern und viel Kraft kosten wird. Das frisch eingericht­ete Gästezimme­r gestaltete­n wir so um, damit mehr Platz fürs Homeoffice ist. Nicht alles muss wieder so wie vor Corona werden. Das Abstandhal­ten an der Supermarkt­kasse oder die Dankbarkei­t in Deutschlan­d (wir kommen ja vergleichs­weise gut durch die Krise) leben zu dürfen, können gerne bleiben. Aber vieles andere sollten wir uns nicht dauerhaft vom Virus nehmen lassen. Videokonfe­renzen zum Beispiel können persönlich­e Begegnunge­n nicht ersetzen. Für das neue Jahr wünsche ich mir, dass wir es dank der Wissenscha­ft schaffen, wieder einen normaleren Alltag zu haben.

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SCREENSHOT: DANIEL HÄFELE

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