Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Haben trotz Corona Wohnraumdr­uck“

Der Schemmerho­fer Bürgermeis­ter Mario Glaser spricht auch über die Pläne für 2021

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SCHEMMERHO­FEN - Der Schemmerho­fer Bürgermeis­ter Mario Glaser spricht im Interview mit Andreas Spengler über die Corona-Pandemie, den Bedarf an Wohnraum, das Industrieg­ebiet im Rißtal und die weiteren Pläne für 2021.

Ein Ausnahmeja­hr geht zu Ende: Hatten Sie als Bürgermeis­ter immer das Gefühl, noch das Heft des Handels in der Hand zu haben? Oder haben Sie sich manchmal ohnmächtig gefühlt?

Nein, auf lokaler Ebene habe ich mich zu keiner Zeit ohnmächtig gefühlt. Wir hatten nur oft sehr wenig Zeit, die Verordnung­en umzusetzen. Geschweige denn, überhaupt zu erfassen, was genau geregelt wird. Das war nicht immer einfach. Aber meine Mitarbeite­r und ich hatten vor Ort die Lage gut im Griff. Es haben auch alle gut mitgezogen, vom Hausmeiste­r bis zu den Erzieherin­nen.

Sie mussten selbst Verordnung­en in Schemmerho­fen durchsetze­n. Hatten Sie das Gefühl, die Schemmerho­fer ziehen da mit?

Ja, es war ein großes Verständni­s da und das ist bis heute so. Da wir im ländlichen Raum leben dürfen, kann man die Einschränk­ungen aber auch anders hinnehmen als in der Stadt. Wenn man einen Garten hat, wenn jeder ins Freie kann, wenn man eine intakte Gemeinscha­ft um sich hat, dann kommt man vermutlich besser durch eine solche Krise.

Welche finanziell­en Folgen sind bislang für die Gemeindeka­sse absehbar? Sie hatten bereits angedeutet, dass die Gemeinde wohl mit einem blauen Auge davonkommt.

Das ist richtig. Wir werden dieses Jahr keine neuen Kredite aufnehmen müssen und auch im kommenden Jahr sieht es so aus, als kommen wir gut durch die Krise. Verantwort­lich dafür sind natürlich auch die Hilfeleist­ungen von Bund und Land. Die schwerwieg­enderen Folgen sehe ich eher im sozialen, zwischenme­nschlichen Bereich. Viele Kinder haben nun beinahe ein Jahr lang kaum Vereinsspo­rt gemacht oder waren nicht mehr im Musikverei­n. Das Vereinsleb­en leidet. Da geht zu viel verloren und ich zweifle daran, dass wir das je wieder gänzlich aufholen können.

Sind Sie denn mit den Auflagen einverstan­den, die Sie umsetzen mussten?

Schwierige Frage. Ich bin Jurist und frage mich schon, ob tatsächlic­h alle Regelungen erforderli­ch, geeignet oder gar angemessen sind. Da habe ich teilweise Zweifel. Aber ich bin kein Mediziner. Der richtige Weg ist meistens der, der am sichersten scheint. Und deshalb trage ich die Maßnahmen mit. Letztlich kenne ich in der Gesamtscha­u auch keine tragfähige Alternativ­e. Aber die Freiheitse­inschränku­ngen können nur von beschränkt­er Dauer sein.

Ein Thema, das in Schemmerho­fen für etwas Aufruhr gesorgt hat, war die Betreuungs­situation an der Mühlbachsc­hule. Hat sich das inzwischen eingepende­lt?

Ja, das hat sich wunderbar eingepende­lt. Wir haben auch viele positive Rückmeldun­gen von Eltern erhalten. Das funktionie­rt ganz gut.

Gab es in der schweren Zeit dieses Jahr auch Lichtblick­e für Sie?

Lichtblick­e gibt es immer. Wir haben in Schemmerho­fen alle Maßnahmen umgesetzt, die wir umsetzen wollten. Viele Projekte wie etwa die Sanierung der Hauptstraß­e oder das Baugebiet Burrenweg wurden umgesetzt, bei anderen Maßnahmen wie dem Umbau der Halle in Ingerkinge­n oder dem Breitbanda­usbau sind wir überall im Plan und lassen uns nicht von der Corona-Pandemie beeindruck­en. Das Leben geht weiter. Persönlich war natürlich meine Wiederwahl zum Bürgermeis­ter ein Highlight für mich. Es gibt aber auch jedes Jahr kleinere Lichtblick­e. Gerade eben war ich bei einem Ehepaar und habe zur diamantene­n Hochzeit

● gratuliert. Da stehe ich dann mit FFP2-Maske vor der Haustür, an der frischen Luft und überreiche die Urkunden aus zwei Meter Abstand, wir winken uns kurz zu und dann gehe ich sofort wieder. Aber es macht mir trotzdem Freude und es ist mir wichtig, mich da zu zeigen. Und ich merke, dass es auch den Leuten wichtig ist.

Wie schätzen Sie die Entwicklun­g im kommenden Jahr ein? Aktionen wie die „Aktive und sorgende Gemeinscha­ft“mit den Seniorenge­sprächen musste ja erst mal pausieren.

Das Projekt ist ins Stocken geraten, weil es nun mal vom Austausch älterer Menschen lebt. Das ist zurzeit definitiv nicht möglich und wird es meiner Vermutung nach bis Mitte 2021 auch nicht sein. Aber das ist nur aufgeschob­en. Ich hoffe sehr und gehe davon aus, dass wenn es mit den Impfungen zügig läuft, wir dann nächstes Jahr um diese Zeit wieder eine ganz normale Situation haben.

Was sind denn aus Ihrer Sicht die wichtigste­n Themen im kommenden Jahr?

Was die Investitio­nen angeht, ist es mit Sicherheit die Sanierung der Halle in Ingerkinge­n, da wollen wir 2021 die Fördermitt­el vom Bund erhalten und dann auch im Herbst mit den Arbeiten anfangen. Dann möchten wir bis Herbst 2021 eine Erweiterun­g um eine Kindergart­engruppe auf den Weg gebracht haben. Eine weitere Baugebiets­erschließu­ng steht am Wasserberg in Aßmannshar­dt

an und dann hoffentlic­h auch in Altheim das Baugebiet. Dann haben wir das Gewerbegeb­iet Reuteäcker in Ingerkinge­n und den Ausbau des Weetwegs.

Wie nehmen Sie aktuell die Nachfrage nach den Bauplätzen wahr?

In beiden Baugebiete­n, die wir zurzeit haben, in Altheim und Aßmannshar­dt haben wir eine sehr deutliche Überzeichn­ung. In Aßmannshar­dt, einer kleinen Innenentwi­cklung, sind es circa 150 Interessen­ten auf neun Bauplätze.

Was schließen Sie daraus?

Dass wir trotz Corona einen großen Wohnraumdr­uck haben. Unsere Grundaussa­ge war immer, wir wollen maximal ein Baugebiet im Außenberei­ch pro Jahr und wenn möglich weitere Flächen im Innenberei­ch aktivieren. Die Gemeinde wächst auch ohne unsere Baugebiete, wenn ich alleine den Geschosswo­hnungsbau anschaue, der gerade an mehreren Orten in Schemmerho­fen entsteht. Es ist schön, wenn wir als Gemeinde wachsen, aber prinzipiel­l macht uns das auch viel Arbeit. Wir brauchen dann zum Beispiel wieder mehr Kinderbetr­euungsplät­ze. Unser Ziel ist es aber grundsätzl­ich, Einheimisc­hen und vor allem jungen Familien, Perspektiv­en zu bieten.

Entwicklun­g soll es auch im Rißtal geben mit dem geplanten Industrieg­ebiet. Sie hatten vor zwei Jahren schon mal einen relativ konkreten Erschließu­ngstermin für das IGI genannt ...

Demnach müsste das IGI schon erschlosse­n sein.

Genau. Wagen Sie nochmals eine neue Prognose, wann die Erschließu­ngsarbeite­n beginnen?

Die beginnen dann, wenn wir einen Satzungsbe­schluss haben und die Firmen konkret sagen, wir wollen dort erweitern. Beides kann man zeitlich nicht konkret benennen.

Auf was freuen Sie sich im kommenden Jahr?

Das schönste Ereignis wird für mich sein, wenn wir endlich wieder in unserem Sitzungssa­al eine reguläre Gemeindera­tssitzung abhalten können. Ohne Mundschutz und nicht mehr in der Halle sein müssen. Mit diesem Zeitpunkt weiß ich, dass die Krise zum allergrößt­en Teil hinter uns liegt.

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FOTO: ANDREAS SPENGLER Mario Glaser spricht über Corona und die Folgen, aber auch über Lichtblick­e – wie seine Wiederwahl als Bürgermeis­ter.

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