Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Nahtlos an das Erreichte anschließe­n“

Bürgermeis­ter Walther Puza erklärt, auf welche Förderprog­ramme Berkheim hofft

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BERKHEIM (tr) - Berkheims Bürgermeis­ter Walther Puza gibt sich im SZJahresin­terview nachdenkli­ch. Ihn habe es im Zuge der Pandemie schockiert, „wie leicht viel zu viele meiner Mitmensche­n zu manipulier­en sind“. Puza spricht neben den Begleiters­cheinungen der Corona-Pandemie auch darüber, dass 2020 der Fokus in Berkheim auf den Kindern und Jugendlich­en lag und er erklärt, was im neuen Jahr alles ansteht.

Herr Puza, wie fällt Ihr Rückblick auf dieses so sonderbare 2020 aus?

Hinsichtli­ch des Erreichten für die Gemeinde ist das Jahr 2020 gut verlaufen. Allerdings hat mich schockiert, dass die Pandemie offenbart hat, wie leicht viel zu viele meiner Mitmensche­n zu manipulier­en sind. Es beängstigt mich tatsächlic­h, weil gerade solche sich von den offensicht­lichsten Falschmeld­ungen fehlleiten lassen, die sich selbst als besonders aufgeklärt betrachten. Dabei ist es meist kein Aufwand, eine Falschmeld­ung zu entlarven – ein paar Klicks mehr und man weiß die Wahrheit. Stattdesse­n wird vieles ungeprüft geteilt und verbreitet sich dadurch in Windeseile.

Haben Sie ein Beispiel parat?

Sie glauben nicht, wie ungeniert manche in ihrem WhatsApp-Status oder in ihrer Facebook-Chronik Verstöße gegen die Corona-Verordnung­en publik machen. Auf der anderen Seite muss ich mit meinen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn mittlerwei­le an Wochenende­n wie auch (Weihnachts-)Feiertagen in Rufbereits­chaft sein, um bei der Kontaktper­sonennachv­erfolgung Hilfe zu leisten. Während von unserer Seite also alles versucht wird, die Pandemie einzudämme­n, erleben wir anderersei­ts eine solche Rücksichts­losigkeit. Was wollen Sie dann noch jemandem antworten, der Ihnen unverhohle­n erklärt, er würde seine Infektion gar nicht melden? Gerne berufen sich die Menschen in unserem Land auf ihre Rechte; dass es auch staatsbürg­erliche Pflichten gibt, scheinen sehr viele vergessen zu haben. Gesetzen und Verordnung­en hat man offenbar nicht mehr zu gehorchen, sondern beruft sich nur noch auf diese, wenn sie einem nützen. 2020 hat mich daher über manche Freundscha­ften nachdenken lassen. Zum ersten Mal habe ich so was übrigens vor zehn Jahren erlebt, als es um den Stuttgarte­r Bahnhof und die Magistrale ging – aber welch eine Lappalie ist so ein Bahnprojek­t im Vergleich zu einer Gesundheit­sbedrohung. Heute offenbart sich, ob wir in der Lage sind, immer nur an uns zu denken oder ob wir es schaffen, durch das Denken als Gemeinscha­ft auch die Situation für uns selbst schneller wieder zu verbessern.

Welche Auswirkung­en hatte die Pandemie auf in Berkheim geplante Projekte?

Eigentlich keine. Freilich mussten praktisch alle öffentlich­en Veranstalt­ungen

abgesagt werden, aber unsere Projekte haben darunter nicht leiden müssen. Ich bin meinen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn und dem Gemeindera­t sehr dankbar, dass wir trotz der Pandemie konzentrie­rt, flexibel und mit großem Einsatz wirklich vieles erreicht haben und auf den Weg bringen konnten.

Welche wichtigen Themen konnten 2020 umgesetzt werden?

Die Kinder und Jugendlich­en lagen im Jahr 2020 im Fokus der Gemeindear­beit. Nach den Sommerferi­en hat die dritte Gruppe unserer Kinderkrip­pe in Bonlanden ihren Betrieb aufgenomme­n. Hier können die Eltern nun für ihre Kinder wählen zwischen Halbtags-, Ganztags- oder Betreuung mit verlängert­en Öffnungsze­iten. Aufgrund der weiterhin steigenden Nachfrage haben wir im vergangene­n Jahr auch den Anbau der sechsten Gruppe für unseren Kindergart­en „Bei der alten Eiche“in Berkheim beschlosse­n und in Holzmodulb­auweise in Auftrag gegeben. Ich hoffe, das Gebäude wird in den nächsten Wochen gestellt und wir können noch im Frühjahr in Betrieb gehen. Begonnen haben wir 2020 auch die Planung für die Erweiterun­g unseres Ganztagsbe­reichs an der Grundschul­e Berkheim. Zudem konnte bereits ein Bauabschni­tt unseres großen zentralen Spielplatz­es mitten in Berkheim verwirklic­ht werden – hier hoffen wir, bis zum Sommer die gesamte Anlage fertiggest­ellt zu haben.

Klingt in der Tat so, dass Sie ein besonderes Augenmerk auf Ihre jüngsten Mitbürgeri­nnen und Mitbürger legen.

Die Kinder sind unsere Zukunft. Sie hier aufwachsen zu sehen, wenn man selbst schon hier aufgewachs­en ist, ist einfach schön. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir mit Baugebiete­n in Bonlanden, Eichenberg und Illerbache­n der heutigen jungen Generation eine Zukunft in der Gemeinde ermögliche­n können. Zu dieser Zukunft gehört auch die Digitalisi­erung. Diese voranzutre­iben, war ebenfalls eine große Aufgabe im vergangene­n Jahr. So haben wir das schnelle Internet weiter ausgebaut, haben die EDVAusstat­tung der Schulen und der Verwaltung auf den neuesten Stand gebracht und haben in die Erneuerung der Technik der Nahwärmeve­rsorgung Berkheim sowie der Abwasserpu­mpwerke investiert.

Was tat sich darüber hinaus im Bereich der Infrastruk­tur?

Neben der Datenautob­ahn braucht es weiterhin Straßen und Wege, um in Verbindung zu bleiben. Hier haben wir die Gemeindeve­rbindungss­traße zwischen Bonlanden und Kirchdorf erneuert sowie zahlreiche Gemeindest­raßen und Feldwege. Dies ist nicht zuletzt wichtig, wenn demnächst die neu geschaffen­en Wanderwege durch den Landkreis beschilder­t werden. Kurz vor Weihnachte­n durften wir zudem den Stelenweg an der Maria-Hilf-Kapelle in Berkheim einweihen. Es freut mich sehr, dass wir dieses Projekt der Flüchtling­sarbeit so schön zur Geltung bringen konnten. Auch insofern sind also die Weichen gestellt, dass den Menschen vor Ort ein immer größeres Angebot an Freizeitak­tivitäten zur Verfügung steht. Vorbildlic­h zeigten sich hier ja bereits die Franziskan­erinnen vom Kloster Bonlanden mit ihrem Sonnengesa­ngsweg und vielen weiteren Angeboten. Dass der Gemeindera­t ein zukunftsfä­higes Konzept für den Gemeindewa­ld erarbeitet hat und wir mittlerwei­le über ein Ökokonto mit sattem Guthaben verfügen, sind weitere Bausteine einer attraktiv bleiben wollenden Gemeinde. So mögen sich künftig hoffentlic­h immer mehr Mitbürgeri­nnen und Mitbürger den guten alten Goethe in Erinnerung rufen und sagen: „Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.“

14 Jahre lang war die Berkheimer Ortsmitte im Landessani­erungsprog­ramm, das erst im Mai offiziell auslief. Wie fällt ihr Fazit dazu aus?

Sehr dankbar blicken wir auf die Förderperi­ode im Landessani­erungsprog­ramm zurück. Diese 14 Jahre haben für die Entwicklun­g unserer Gemeinde eine große und bleibende Bedeutung. Ein Blick in unser Sanierungs­gebiet sagt, meine ich, mehr als tausend Worte. Im Herbst 2020 haben wir uns gleich wieder für die Aufnahme in das Landessani­erungsprog­ramm beworben, um unter anderem den Bereich um das alte Rathaus und das bisherige Feuerwehrh­aus in Berkheim entwickeln zu können. Es wäre wunderbar, wenn wir durch eine Wiederaufn­ahme in dieses Förderprog­ramm quasi nahtlos an das Erreichte anschließe­n könnten. Ebenso haben wir uns um eine Aufnahme in das Entwicklun­gsprogramm Ländlicher Raum beworben, um auch Bonlanden, Eichenberg und Illerbache­n für die Zukunft zu rüsten – sei es zur Schaffung von Wohnraum und Gewerbe im Altbestand oder beispielsw­eise zur Schaffung einer Ortsmitte in Illerbache­n. Hier hoffen wir, mit ELR-Mitteln zunächst in die Entwicklun­gskonzepti­on mit Bürgerbete­iligung einsteigen zu können.

Wann wird das neue Feuerwehrh­aus

fertig sein?

Ich denke, wir werden mit dem Bau samt der Außenanlag­e im zweiten Halbjahr fertig sein.

Gibt es aktuelle Überlegung­en, was mit dem alten Rathaus passiert?

Wir haben uns, wie bereits angesproch­en, diesbezügl­ich um eine Aufnahme in das Landessani­erungsprog­ramm beworben. Das alte Rathaus soll zusammen mit dem dann alten Feuerwehrh­aus weiterhin einem öffentlich­en Zweck dienen. Ich freue mich schon sehr darauf, mit dem Gemeindera­t und den Bürgerinne­n und Bürgern dieses Projekt in Angriff nehmen zu dürfen.

Welche Aufgaben rücken im kommenden Jahr in den Fokus?

Der Gemeindera­t hat den Haushalt 2021 noch nicht verabschie­det. Ich denke aber, dass folgende Themen sicher auftauchen werden: Nachdem es mittlerwei­le eine „Graue Flecken“Förderung beim Breitbanda­usbau gibt, wird uns dieser weiterhin beschäftig­en. Ich denke da vor allem an die schlecht versorgten Randbereic­he von Berkheim. Weil es hier um einen FTTB-Ausbau geht, werden damit Tiefbauarb­eiten verbunden sein, die weitere Überlegung­en und Investitio­nen in die Infrastruk­tur nach sich ziehen werden. Schon bald haben wir hoffentlic­h den Bauantrag für das zentral in Berkheim gelegene Service-Wohnen auf der Tagesordnu­ng. Ich setze hier große Hoffnungen auch auf das Angebot einer Tagespfleg­e im Zusammenha­ng mit dieser Wohnanlage. Wir verdichten hier einen Innerortsb­ereich zum Wohl unserer älter werdenden Mitbürgeri­nnen und Mitbürger.

Das Landessani­erungsprog­ramm und das Entwicklun­gsprogramm Ländlicher Raum haben Sie ja bereits angesproch­en.

Bezüglich der weiteren innerörtli­chen Entwicklun­g hoffen wir auf die Aufnahme in diese Programme in diesem Jahr. Umso schneller wir hier aufgenomme­n werden, umso schneller können wir unseren Fokus auf das Attraktivi­eren der alten Bausubstan­z legen. Gleichzeit­ig müssten wir aber dringendst auch wieder in den Außenberei­ch gehen und Flächen für unsere Gewerbebet­riebe ausweisen. Die Zahl der Anträge ist bereits sehr groß und dementspre­chend auch der Druck auf uns. Dies zu ermögliche­n, liegt aber erst einmal nicht in unserer Macht. Nachdem wir 2020 keine Gemeinscha­ftsprojekt­e im European Energy Award machen konnten, hoffen wir, dieses Jahr wenigstens ein bisschen Fahrt aufnehmen zu können; schließlic­h steht bereits im kommenden Jahr die Rezertifiz­ierung an. Die Nachhaltig­keit unseres Handelns wird uns weiterhin auch beim Waldumbau und der Energiever­sorgung beschäftig­en. So denke ich, dass wir wieder auf ein spannendes Jahr blicken dürfen, in dem wir – trotz Einschränk­ungen – gemeinsam viel für unsere Gemeinde erreichen können.

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FOTO: ARCHIV Walther Puza

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