Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wie Biden das Ansehen der USA retten will
Innerhalb der ersten 100 Tage im Amt sollen 100 Millionen Amerikaner geimpft werden – Bruch mit Trumps Klima- und Außenpolitik
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WASHINGTON - Mit einem Bündel von Dekreten will Joe Biden schon an seinem ersten Tag im Oval Office Akzente setzen. Noch am Mittwoch will der neue US-Präsident eine Reihe sogenannter „executive orders“unterzeichnen, die nicht der Zustimmung des Parlaments bedürfen, bevor sie in Kraft treten können. Die beiden wichtigsten darunter: Biden wird den von Donald Trump verfügten Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen rückgängig machen und zum anderen ein Einreiseverbot kassieren, das sein Vorgänger für Bürger islamisch geprägter Länder, etwa Irans, Libyens oder Syriens, verfügt hatte. Darüber hinaus hat er bereits skizziert, was er sich für seine ersten 100 Tage im Weißen Haus vorgenommen hat. Eine Übersicht:
Corona-Pandemie: Bis Ende April ● sollen 100 Millionen Amerikaner gegen das Virus geimpft werden. Die Nationalgarde wird eingesetzt, um quer durchs Land provisorische Impfzentren zu errichten. In Gebäuden des Bundes, in Flugzeugen, Zügen und Fernbussen soll eine Maskenpflicht gelten. Der Kongress soll ein 1,9-Billionen-Dollar-Paket beschließen, damit der – nunmehr entschlossener geführte – Kampf gegen die Pandemie finanziert, den Amerikanern über den nächsten Krisenabschnitt
geholfen und die Konjunktur angekurbelt werden kann. So soll es Direktzahlungen in Höhe von 1400 Dollar pro Kopf geben. Damit das Parlament entsprechende Gesetze verabschiedet, müssen die Demokraten angesichts einer hauchdünnen Mehrheit im Senat geschlossen hinter ihrem Präsidenten stehen. Da Biden das Überparteiliche betont, wäre es symbolisch von enormer Bedeutung, wenn auch der eine oder andere Republikaner für das Paket stimmen würde.
Gesundheitssystem: Biden möchte ● die 2010 beschlossene (von Trump trotz mehrerer Anläufe letztlich nicht ausgehebelte) Gesundheitsreform Barack Obamas stärken und erweitern. Er will Millionen von Menschen absichern, die entweder nie krankenversichert waren oder im Zuge der Corona-Krise mit ihrem Arbeitsplatz auch ihre an den Arbeitgeber gekoppelte Police verloren. Erstmals soll es die Möglichkeit geben, als Alternative zu privaten Anbietern eine öffentliche Krankenversicherung zu wählen. Den Vorschlag der Linken um Bernie Sanders, auf ein komplett steuerfinanziertes System umzustellen und die schon jetzt vom Staat organisierte Gesundheitsfürsorge für Senioren (Medicare) auf alle Altersgruppen auszudehnen, lehnt Biden ab. Er hält ihn für nicht bezahlbar. Gleichwohl will er das Eintrittsalter für Medicare von 65 auf 60 Jahre senken
Klimapolitik: Noch vor seinem ●
100. Tag im Amt möchte Biden Vertreter der stärksten Industrienationen zu einem Klimagipfel einladen. Eine Gipfelkonferenz in Washington, möglicherweise auch ein rein virtueller Kongress, würde den Kontrast zur Politik seines Vorgängers markant unterstreichen. Die Treibhausgasemissionen der USA sollen nach seinem Plan bis 2050 netto auf null sinken. Kurzfristig gedenkt er als Erstes den Bau der Pipeline Keystone XL, durch die Öl aus der kanadischen Provinz Alberta an die texanische Golfküste gepumpt werden soll, zu stoppen. Geplant sind zudem strengere Regeln für Kohlekraftwerke und Autoabgase, nachdem der abgewählte Präsident diese gelockert hatte.
Einwanderung: Den Bau der Mauer ● an der Grenze zu Mexiko, dem Trump’schen Symbol für einen restriktiveren Kurs, will Biden unverzüglich einstellen lassen. Seine Regierung, kündigte er an, werde die Mauer nicht um einen einzigen Meter verlängern. Für rund elf Millionen illegal eingewanderte Migranten versucht der Demokrat einen Weg zu finden, der zunächst in die Legalität und nach acht Jahren zur Staatsbürgerschaft führt. Noch im Januar ist dazu mit einer Gesetzesinitiative zu rechnen. Auch die „Dreamer“, die im Kindesalter im Schlepptau ihrer Eltern beziehungsweise eines Elternteils ins Land kamen, ohne Papiere, aber de facto auch ohne Mitspracherecht, will er aus dem juristischen Schwebezustand holen. Ihnen wird ab sofort eine Greencard, eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, in Aussicht gestellt.
Bildung: Kinder aus Familien, deren ● Jahreseinkommen 125 000 Dollar nicht übersteigt, sollen in Zukunft gebührenfrei studieren können. Biden hat auch hier schnelles Handeln avisiert, braucht aber die Zustimmung des Kongresses.
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Außenpolitik:
Der neue Mann steht für die Pflege von Allianzen mit Verbündeten, die Trump systematisch vor den Kopf gestoßen hat. Er wird versuchen, den entstandenen Schaden zu reparieren. Dazu gehören ein klares Bekenntnis zur Nato und eine dramatisch verbesserte Zusammenarbeit mit der EU, mit deren multilateralem Charakter der Nationalist Trump nichts anzufangen wusste. Europa dürfte indes nur ein Nebenschauplatz sein. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht die Frage nach der Zukunft der Beziehungen zu China. Biden hat einen Gipfel der Demokratien ins Spiel gebracht, um Peking unter Druck zu setzen. Er soll noch im Frühjahr stattfinden.
Das Anfang Februar auslaufende New-START-Abkommen mit Russland, eine Säule internationaler Rüstungskontrolle, will er in letzter Minute retten. Sollten sowohl Moskau als auch Washington einer Verlängerung um fünf Jahre zustimmen, würde ihm dies gelingen. Den INF-Vertrag über das Verbot atomar bestückter Mittelstreckenwaffen, aus dem sein Vorgänger Trump mit dem Argument ausstieg, dass das Abkommen China nicht einbeziehe, will er zu neuem Leben erwecken. Auch dem Atomdeal mit Iran wollen die USA wieder beitreten. Biden knüpft es an die Bedingung, dass sich Teheran ohne Abstriche an die 2015 vereinbarten Auflagen für seinen Nuklearsektor hält.