Schwäbische Zeitung (Biberach)
Hoffen auf die Aufwärtswelle
Der SC Freiburg ist derzeit obenauf, der VfB Stuttgart weniger – nun geht es gegeneinander
●
FREIBURG/STUTTGART - Es hätte alles so schön sein können. Ein Sieg zum Abschluss der Hinrunde, vor dem Landesderby Selbstvertrauen getankt und als Kirsche oben auf noch die jüngsten Irrungen der Clubverantwortlichen etwas vergessen gemacht. Halbwegs Ruhe wäre gewesen am Wasen. Doch nach dem 0:3 (0:1) des VfB Stuttgart bei Arminia Bielefeld ist das bisher so formidable Bild der befreit aufspielenden Schwaben, die mit ihrer Unbekümmertheit und Schnelligkeit als Aufsteiger die Bundesliga rocken, etwas getrübt. Anstatt ausschließlich für die Zweikämpfe abseits des Platzes muss sich der VfB nun auch für seine Leistung darauf kritisieren lassen.
Vor allem Pellegrino Matarazzo schmeckte seine bislang höchste Niederlage als Profi-Chefcoach so überhaupt nicht. „Ich hätte mir ein Tor gewünscht, die Chancen waren da. Die Arminia hat das aber auch gut gemacht, und wir haben nicht dagegenhalten können.“Dies hatte man lange nicht behaupten können, auch wenn die Brustringelf eine volle Saisonhälfte ohne Heimsieg absolviert hat. Doch hatte man selten in einer Partie so wenig den Eindruck, dass ein Spiel noch zu drehen sei. Nach langem Aufwind zeigte die Formkurve des VfB eine kleine Delle, scheint die Welle etwas gebrochen. Ob es da Glück oder eher das Gegenteil ist, dass am Samstag (15.30 Uhr/Sky) ausgerechnet der SC Freiburg wartet, sei einmal dahingestellt. Zum Liga-Comeback setzte es im September direkt eine 2:3-Niederlage, bevor sich der VfB im Laufe der Hinrunde nach oben arbeitete und sein Potenzial entfachte. Doch ob nun gerade die Freiburger als Wellenbrecher taugen, ist derzeit offener denn je.
Denn anders als die Württemberger schwimmen die Badener derzeit auf einer Welle des Erfolgs. Trainer Christian Streich war nach dem 2:2 (1:1) des SC gegen Eintracht Frankfurt – im vollkommenen Gegensatz zu Kollege Matarazzo – gar „total zufrieden“. Nicht verwunderlich, sorgte eine Hinrunde mit 24 Punkten im Breisgau doch nicht nur bei Streich für Freude. In der Tabelle liegt der SC zwei Zähler und einen Platz vor dem Landesrivalen.
Vor dem Duell, dem bereits dritten in etwas mehr als vier Monaten, scheint das Momentum daher ein Stück weiter auf Seiten des SportClubs zu liegen. So haben die Freiburger nur eine ihrer letzten sieben Liga-Partien verloren – die beim großen FC Bayern (1:2). Nachdem sein Team nach acht Spieltagen nur sechs Punkte hatte, habe er „ein bisschen Angst gehabt“, sagte Streich. „Aber die Jungs haben gesagt: Wir brauchen keine Angst haben, wir sind da.“
Und wie sie da waren. Fünf Siege in Serie gelangen ihnen über den Jahreswechsel und damit ein Clubrekord. Nach Edeltechniker Vincenzo Grifo blühte in der Offensive auch Neuzugang Ermedin Demirovic auf. Und auch Routinier Nils Petersen schlug wieder zu – allein dreimal in den vergangenen fünf Spielen.
Sein Tor gegen Frankfurt war bereits Petersens 29. als Joker – das ist nicht nur Bestwert im deutschen
Oberhaus, sondern sogar in den fünf besten Ligen Europas. „Ich freue mich über jedes Tor – auch über jedes Jokertor“, sagte der Stürmer: „Dass da jemand auf der Bank sitzt, der am Ende noch ein Tor machen kann“, sei doch ein „Super-Signal“für die Mannschaft – und darüber hinaus auch eines an den kommenden Gegner. Denn gegen den VfB hat Petersen in bislang zehn BundesligaEinsätzen schon fünfmal getroffen.
Einen mit der Kaltschnäuzigkeit des 32-Jährigen haben die Schwaben in Bielefeld vermisst. In Abwesenheit ihrer gesperrten Top-Torjäger Silas Wamangituka (9 Treffer) und Nicolás González (6) hatten die Stuttgarter zwar durchaus ihre Möglichkeiten, im Abschluss aber kein Glück. „Wir haben unsere Chancen nicht so genutzt, wie man sich das wünscht“, sagte Matarazzo. Das habe aber „nichts mit erster oder zweiter Sturmreihe zu tun“. Den Begriff
„zweite Sturmreihe“würde er sowieso nie benutzen. Immerhin hätten Sasa Kalajdzic und Tanguy Coulibaly, die auf der Alm begannen, auch vorher schon „regelmäßig von Anfang an gespielt und ihre Leistungen gezeigt“.
Dennoch sind die wieder spielberechtigten Wamangituka und González mit Blick auf das Wochenende die größten Hoffnungsträger des VfB. Tempodribbler Wamangituka hat eine extrem starke Entwicklung genommen in den zurückliegenden Monaten. Die Klarheit, die die früher oft noch etwas wilden Aktionen des Kongolesen mittlerweile haben, fehlt Coulibaly noch.
Und der Argentinier González hilft dem Team nicht nur als Vollstrecker und eiskalter Elfmeterschütze, sondern auch als ständiger Unruheherd und Antreiber. „Wir haben alle Vorfreude auf die Rückrunde“, sagte Matarazzo. Wenigstens das haben er und Streich sicherlich gemeinsam.