Schwäbische Zeitung (Biberach)
DFB-Elf sendet zwei Zeichen in die Welt
Joachim Löw genießt den perfekten Aufbruch in sein Abschiedsjahr – Human-Rights-Aktion sorgt für Resonanz
DUISBURG (SID/dpa) - Beim Lob seines neuen Chefkritikers Uli Hoeneß lächelte Joachim Löw zufrieden hinter seiner weißen Maske. Der perfekte Aufbruch in die Abschiedstournee nährte nicht nur beim Bundestrainer die Hoffnung auf einen goldenen Abschluss seiner Ära. „Das war absolut gelungen. Nicht nur das Ergebnis hat mich total überzeugt, sondern auch die Art und Weise, wie es zustande gekommen ist“, sagte Hoeneß als RTL-Experte und fügte grinsend an: „So habe ich mir das vorgestellt.“
Der „dynamische, schwungvolle Auftakt“in die WM-Qualifikation beim überzeugenden 3:0 (2:0) gegen Island verschafft Löw den dringend benötigten Rückenwind für die letzten Monate seiner Amtszeit bis zur EM. „Wir wollten von Anfang an ein Zeichen setzen. Wir wissen, dass wir unter besonderer Beobachtung waren“, lobte Löw nach der ersten Wiedergutmachung für das immer noch nachhallende 0:6-Debakel in Spanien. Die Mannschaft habe es insgesamt „engagiert, konzentriert und aufmerksam gemacht“. Der nächste Schritt soll am Sonntag (20.45 Uhr/ RTL) bei der wohl schwierigeren Aufgabe in Rumänien folgen.
Kapitän Manuel Neuer wertete den Start als „positives Zeichen“, Leon Goretzka sah „elf Jungs auf dem Platz, die richtig Bock haben“. Das traf besonders auf das deutsche Mittelfeld mit den Passmaschinen Joshua
Kimmich und Ilkay Gündogan zu. „Das war ein Pfund für uns“, stellte Löw fest. „Besser geht es nicht“, sagte Hoeneß zum „Prunkstück“.
Für Löw zeichnet sich allerdings ein Luxusproblem ab. Mit Ballmagnet Toni Kroos (Adduktorenprobleme) und Raumdeuter Thomas Müller stehen für die EM namhafte Alternativen bereit. „Warum sollte Toni Kroos um seinen Platz fürchten müssen?“, antwortete Löw etwas irritiert auf eine entsprechende Frage: „Das ist ein Weltklassespieler!“Über die Rückkehr des vor zwei Jahren ausgemusterten Müller wird der 61-Jährige im Mai entscheiden.
Gegen harmlose Isländer genügte das anwesende Personal. Auch wenn sich Chef Kimmich nach der schnellsten Zwei-Tore-Führung in einem Pflichtspiel seit 52 Jahren durch Goretzka (3.) und Kai Havertz (7.) noch mehr als nur den dritten Treffer durch Gündogan (56.) gewünscht hätte. Er habe ein bisschen gehofft, dass die Fesseln gelöst seien, meinte Kimmich, „trotzdem haben wir kein Feuerwerk abgefackelt, das wäre möglich gewesen“.
Dabei war der Corona-Schock nach dem positiven Test bei Jonas Hofmann nicht spurlos an der Mannschaft vorübergegangen. „Es war natürlich nach der Nachricht hektisch. Das hat den ganzen Tagesplan durcheinandergebracht“, berichtete Löw, der für die Spiele in Bukarest und gegen Nordmazedonien (31. März in Duisburg) aber keine Nachnominierungen plant. In Rumänien könnten Niklas Süle (Zerrung) und Robin Gosens (muskuläre Probleme) wieder zur Verfügung stehen.
Nach dem Fall Hofmann wurden vor dem Abflug nach Bukarest am Samstagmorgen zusätzlich AntigenSchnelltests und ein PCR-Test angesetzt. „Die Sinne sind vom ersten Tag geschärft. Wir verhalten uns so diszipliniert, wie es geht“, versicherte Löw, der Jamal Musiala zu seinem Länderspiel-Debüt verhalf. „Das war ein sehr großer Moment für mich und meine Familie. Davon träumt man, seit man klein ist“, sagte der 18Jährige stolz.
Einen großen Moment gab es auch vor dem Anpfiff. Die Mannschaft schickte eine eindeutige Botschaft in Richtung des stark kritisierten WM-Gastgebers Katar. „Das sollte ein Zeichen sein, dass wir für alle Menschenrechte auf der Welt einstehen, egal wo. Welche Werte wir vertreten. Das war ein gutes und wichtiges Zeichen“, sagte Löw. Auch Kimmich sagte: „Wenn das ein oder andere auf der Erde nicht passt, haben wir die Chance, mit dem Fußball die Aufmerksamkeit auf Missstände zu richten.“Und so trug jeder Spieler ein schwarzes T-Shirt mit einem weißen Buchstaben – zusammen lautete die Botschaft: „HUMAN RIGHTS“.
Sanktionen des Weltverbandes müssen Leon Goretzka und Co. nicht fürchten. „Die FIFA glaubt an die Meinungsfreiheit und an die Kraft des Fußballs, den positiven Wandel voranzutreiben“, teilte der Weltverband mit. Es werde – wie auch bei einem Protest von Norwegens Nationalspielern am Vortag – kein disziplinarisches Verfahren eingeleitet. Die Äußerung von Botschaften zum Beispiel politischer Natur war im Weltfußball in den vergangenen Jahren immer wieder ein Streitthema.
„Diese Aktion in der Nationalmanschaft setzt ein wichtiges Zeichen für die Lage in Katar und erhöht den Druck auf die Regierung“, sagte Sprecher Wolfgang Büttner von Human Rights Watch. Doch es gab nicht nur positive Stimmen. Dagmar Freitag, Sportausschuss-Vorsitzende im Bundestag, lobte zwar die grundsätzliche Aussage, sieht aber auch Anzeichen für Doppelmoral. „Ich habe keinerlei Zweifel an der persönlichen Haltung der DFB-Nationalspieler“, sagte Freitag. Wie „schwierig die Gemengelage“sei, zeige sich, wenn „einige Mitglieder des Teams wenige Tage später wieder mit dem Schriftzug ihres Sponsors Qatar Airways auf dem Trikotärmel auflaufen (müssen)“. Die nationale Fluggesellschaft Katars sponsert Bayern München, das fünf Spieler der Startelf stellte.
DFB-Präsident Fritz Keller jedenfalls war „sehr stolz“auf die Stars und „begeistert“von der Aktion.