Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ciao, bella Italia!
Ein kleines Mädchen von gerade mal vier Jahren war ich, als meine Eltern mit mir ans Meer fuhren. Meiner Bronchitis wegen hatte der Arzt einen Aufenthalt an der Nordsee empfohlen. Frau Mama aber, die davon träumte, auch einmal wie Gina Lollobrigida in engen Capri-Hosen und mit ausladendem Strohhut an der Adriaküste zu promenieren, plädierte erfolgreich für bella Italia. Folglich ging es nach Riccione nahe Rimini, besser bekannt als Germanengrill. Damit bildeten wir die rühmliche Ausnahme. Denn: In Urlaub fahren und dann auch noch bis nach Italien ans Meer war für die meisten schwäbischen Familien Mitte der 1960er-Jahre undenkbar.
Nie werde ich vergessen, wie meine Mutter und ich neugierig den Zeigefinger ins Wasser tauchten, um ihn abzulecken. Igitt! So also schmeckt Salzwasser. Vater trank abends schäumenden Lambrusco, Mutter süßen Asti Spumante, und ich aß meine erste Pizza. Aber erst, nachdem meine Mutter vorsorglich die ekligen, undefinierbaren Würmer (Krabben) heruntergepult hatte.
Was hat sich der Kellner wohl gedacht, als er diese kleine Familie aus dem fernen Deutschland beobachtete, die genussvoll Gelati verspeiste, sich aber gleichzeitig über die Tannennadeln (Rosmarin) an den Bratkartoffeln aufregte? Einen Cappuccino nachmittags am Strand zu genießen, galt fälschlicherweise als sehr vornehm und wurde von Mama täglich zelebriert. Dass dies für Italiener, die nach dem Frühstück nur noch Espresso – von vielen Deutschen heute noch gerne Expresso genannt – trinken, ein absolutes No-Go ist, haben wir alle erst viel später und nach unzähligen weiteren Italienreisen gelernt.