Schwäbische Zeitung (Biberach)
Große Ehre und doch nur kleine Etappe
Leon Draisaitl hat Marco Sturm als bester deutscher Scorer in der NHL abgelöst – Ziel aber bleibt der Stanley Cup
EDMONTON (SID) - Leon Draisaitl kratzte leicht verlegen seinen Stoppelbart, nachdem er seinem früheren Idol Marco Sturm den deutschen Scorer-Rekord in der National Hockey League (NHL) entrissen hatte. „Sturmi war jemand, zu dem ich als junger Kerl aufgeschaut habe“, sagte Draisaitl, der sich im Moment des persönlichen Triumphes auch an Christian Ehrhoff und Marcel Goc erinnerte: „Viele großartige deutsche Eishockeyspieler sind hierhergekommen. Diese Liste jetzt anzuführen, ist etwas Besonderes für mich. Das macht mich sehr stolz, es ist eine große Ehre.“
Deutschlands „Sportler des Jahres 2020“ist längst selbst ein Vorbild für ganze Eishockey-Generationen weltweit, den neuen Meilenstein in seiner Karriere in der Nacht zu Dienstag hätte es dafür gar nicht gebraucht. Beim 6:1-Sieg der Edmonton Oilers gegen die Winnipeg Jets löste Draisaitl mit einem Tor und einem Assist Sturm als besten deutschen Scorer der NHL-Geschichte ab. Draisaitl benötigte für seine 510 Punkte in Hauptrunde und Play-offs nur knapp sieben Jahre, während Sturm in 14 Spielzeiten insgesamt 509 Punkte gesammelt hatte.
„Es war nur eine Frage der Zeit“, sagte Ex-Bundestrainer Sturm ohne Anflug von Frust: „Es werden noch einige Punkte dazukommen, das ist für Leon erst der Anfang.“
Franz Reindl, der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes, beglückwünschte dessen Aushängeschild zum „weiteren bedeutenden Karriere-Meilenstein“: Darauf könne der 25-Jährige „wirklich stolz sein, wir sind es auch“.
Dass Draisaitl ihn irgendwann überflügeln würde, hat Sturm schon lange gewusst. Der Oilers-Stürmer sei auch für NHL-Verhältnisse „ein sehr spezieller Spieler“, der in dieser Saison „noch besser, noch kompletter geworden“sei, meinte der CoTrainer der Los Angeles Kings. Auch
Bundestrainer Toni Söderholm hat erkannt: „Leon übernimmt in dieser Saison noch mehr Verantwortung im Spiel.“
In der aktuellen NHL-Rangliste nimmt der Top-Scorer der Vorsaison Platz zwei (66 Punkte) ein, einzig sein kongenialer Teamkollege Connor McDavid (81) liegt vor Draisaitl. Das herausragende Zusammenspiel der beiden Ausnahmekönner ist Edmontons größter Trumpf im Kampf um den Stanley Cup, für den Leon Draisaitl alle persönlichen Auszeichnungen und Ehrungen eintauschen würde. „Sie können es auf jeden Fall schaffen“, glaubt Sturm. „Sie sind konstanter geworden.“Sollten die talentierten Oilers anders als in den Vorjahren auch in den Play-offs die Nerven behalten, „haben sie eine echte Chance“.
Die wichtigste Trophäe im WeltEishockey ist Leon Draisaitls oberstes Ziel. Deshalb wollte er auch gar nicht lange über die persönliche Bestmarke nachdenken – „logischerweise richtet sich der Blick wieder aufs nächste Spiel“. Ob er sich vor dem Schlafengehen nicht aber vielleicht doch ein Kölsch gönnen würde, ließ der gebürtige Kölner offen: „Das behalte ich lieber für mich.“