Schwäbische Zeitung (Biberach)
Völlig daneben
W● er sein Wochenende vor allem draußen in der Sonne verbracht hat, wird sich vermutlich ein wenig schwertun, in die aktuelle Aufregung einzusteigen. Es geht in der Affäre um Boris Palmer nämlich einerseits um weggelassene Anführungszeichen, um die Echtheit von Social-Media-Konten, um Reaktionen auf Äußerungen, die Reaktionen auf vorherige Äußerungen waren. Eine ziemlich verworrene Angelegenheit also, in deren Zentrum ein allerdings sehr eindeutiges und absolut unmögliches Wort steht.
Und damit geht es wiederum um einen ziemlich einfachen Sachverhalt: Wie nämlich sollte sich ein führender Politiker wie der Oberbürgermeister einer Universitätsstadt im öffentlichen Raum – und ein solcher ist auch Facebook – ausdrücken? Schon unabhängig von der Frage, wie rassistisch die Wortwahl Palmers war und ob er damit selbst ein Rassist ist, steht fest, dass seine Sprache seines Amtes unwürdig war. Dass er glaubte, mit Klischees übelster Art ironische Wortspiele treiben zu können, macht es noch schlimmer.
Erschwerend kommt hinzu, dass es sich nicht um einen einmaligen Ausrutscher handelt. Palmer scheint sich darin zu gefallen, seine Partei und den interessierten Rest des Landes in regelmäßigen Abständen in Aufregung zu versetzen. Die Grünen sind nun nicht mehr bereit, ihre alte Diskussionsfreude mithilfe des Tübinger Provokateurs auszuleben, was natürlich auch daran liegt, dass das Kanzlerinnenamt in Reichweite scheint. Ihr Wunsch nach einem harten Schnitt ist also verständlich, aber klug wäre das nicht.
Zum einen hat sich das Instrument Parteiausschluss schon in der Causa Thilo Sarrazin (SPD) als ungeeignet für die angestrebte rasche Klärung erwiesen. Die Distanzierung der Grünen-Spitze einschließlich Kanzlerkandidatin Annalena Bae-rbock war wichtig; sie kam schnell und unmissverständlich. Ihr Wert wird sich nun aber allein daran bemessen, wie schnell es gelingt, Palmer auch tatsächlich aus der Partei zu schmeißen. Es wäre viel gewonnen, würde Palmer einsehen, dass er verbal völlig danebengegriffen hat.