Schwäbische Zeitung (Biberach)
Vermieter sollen die Hälfte der Kosten für CO2-Preis zahlen
Bundesregierung erhöht auf Druck des Bundesverfassungsgerichts ihre Klimaschutzziele – Scharfe Kritik von Haus- und Grundbesitzern
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BERLIN - Bundesumweltministerin Svenja Schulze strahlt an sich einen gewissen Optimismus aus – entweder trotz oder wegen ihres Jobs. Doch so beschwingt wie am Mittwoch tritt selbst sie selten auf. Die SPD-Politikerin stellte in Berlin in der Bundespressekonferenz das novellierte Klimaschutzgesetz der Bundesregierung vor. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein, das ist das Kernziel des novellierten Gesetzes. Zugleich werden darin klare Zwischenziele formuliert: Bis 2030 soll eine Minderung der Treibhausgase um 65 Prozent (bislang 55 Prozent) erreicht werden im Vergleich zu 1990. Für 2040 wurde ein neues Zwischenziel benannt, nämlich 88 Prozent weniger CO2-Äquivalente zu emittieren. „Mit diesem Gesetz schaffen wir mehr Generationengerechtigkeit, mehr Planungssicherheit und einen entschlossenen Klimaschutz, der die Wirtschaft nicht abwürgt, sondern umbaut und modernisiert“, sagte Schulze.
Zugleich will die Bundesregierung ein Sofortprogramm zur Umsetzung der Klimaziele auf den Weg bringen. Darin sind bis zu acht Milliarden Euro vorgesehen, um die Einsparziele in den verschiedenen Sektoren, unter anderem im Sektor Gebäude, voranzutreiben. Der begleitende Beschluss sieht zudem vor, dass die Mieter entlastet werden, weil die Vermieter die Hälfte der Zusatzkosten durch den CO übernehmen müssen, der das Heizen mit Öl und Gas verteuert. Damit sei der „Unfug abgeschafft“, allein die Mieter für die höheren Kosten des Heizens bezahlen zu lassen, betonte Schulze.
Zugleich verspricht sich ihr Ministerium dadurch einen Anreiz für Vermieter, mehr in die energetische Sanierung von Gebäuden zu investieren. Auch Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) begrüßte, dass die Kosten der CO2-Bepreisung künftig je zur Hälfte von Mietern und Vermietern getragen werden.
Scharfe Kritik kam dagegen von den deutschen Grundstückseigentümern.
Die geplante Kostenaufteilung „ist nicht akzeptabel“, teilte Kai Warnecke, Präsident des Grundstückseigentümerverbands Haus und Grund, mit. Der Vermieter habe keinen Einfluss darauf, wie viel der Mieter heizt oder wie viel Warmwasser er verbraucht. Klimaschutzpolitisch sei dieser Beschluss daher kontraproduktiv. Das Geld, das der Vermieter für den CO2-Preis ausgeben müsse, werde künftig für energetische Sanierungen fehlen. Er rechne zudem damit, dass viele Vermieter nun die Mieten erhöhen müssten, um die zusätzliche finanzielle Belastung kompensieren zu können. Warnecke kündigte an, die Regelung verfassungsrechtlich prüfen zu lassen.
Umweltverbände begrüßten die Novelle des Klimaschutzgesetzes, kritisierten aber, auch die neuen Vorgaben
reichten nicht aus, damit Deutschland seinen Beitrag leistet, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimavertrags zu erreichen. Sie erneuerten ihre Forderungen nach insgesamt höheren und für einzelne Sektoren konkreteren Einsparzielen, einem schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und einem Ausstieg aus der Kohle im Jahr 2030 statt 2038. Die Bewegung Fridays for
Future teilte via Twitter mit, im Ergebnis zeige das Klimagesetz: „Unsere Regierung möchte die 1,5-GradGrenze nicht einhalten.“
Das neue Klimaschutzgesetz ist die Folge eines Bundesverfassungsgerichtsurteils vor wenigen Tagen. Darin hatten die Karlsruher Richter beanstandet, dass die Bundesregierung den kommenden Generationen zu hohe Lasten im Kampf gegen den
Klimawandel aufbürde und dadurch ihre Freiheitsrechte unverhältnismäßig eingeschränkt seien. Dem Gesetzgeber wurde aufgetragen, bis Ende 2022 die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. „Das Urteil war eine Überraschung, aber für den Klimaschutz eine gute Überraschung“, so Schulze.
Um die neuen Ziele auf dem Weg zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 zu erreichen, muss der Ausstoß an Treibhausgasen künftig sehr viel schneller reduziert werden als in den vergangenen 25 Jahren. Die Regierung setzt dabei auf mehr Strom aus erneuerbaren Energien, aber auch einen Ausbau der sogenannten natürlichen Senken wie Wälder und Moore. Nach 2050 soll Deutschland mehr Treibhausgase binden, als es ausstößt.
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) nannte die neuen Sektorziele für die Landwirtschaft ambitioniert, „aber ich halte sie für unseren Bereich für machbar“. Konkret bedeutet die Anpassung der Ziele, dass im Agrarsektor bis 2030 nur noch 56 statt 58 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Vergleich zu 1990 ausgestoßen werden dürfen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sieht die Änderungen im Klimaschutzgesetz kritisch: Sie stellten die Rolle der Ernährungssicherung infrage und erhöhten die Importabhängigkeit Deutschlands, teilte Rukwied mit.
Klar ist auch: Auf die Wirtschaft kommen größere Anstrengungen zu. So sieht das Gesetz etwa für die Energiebranche eine zusätzliche Emissionsverringerung von 67 Millionen Tonnen Treibhausgasen im Jahr 2030 vor. In Industrie und Verkehr werden dann Einschnitte von minus 22 Millionen Tonnen und minus zehn Millionen Tonnen fällig – gemessen an den Vorgaben des bisherigen Klimagesetzes. Und: Sollte sich in den kommenden Wochen herausstellen, dass die Klimaziele der EU noch strenger ausfallen, muss vielleicht sogar nachgeschärft werden.