Schwäbische Zeitung (Biberach)
Gestrandet im Paradies
Laupheimerin sitzt mit Corona in Quarantäne auf Ibiza fest – Sie erhebt Vorwürfe gegen den Reiseveranstalter
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LAUPHEIM - Das Drama nahm am letzten Urlaubstag seinen Lauf. Kurz bevor die Laupheimerin Stefanie Baur (37) mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in den Flieger zurück nach Deutschland steigen wollte, schlug der Corona-Test an.
Das war am vorletzten Samstag. Seither sitzt sie fest, alleine in einem Hotel auf Ibiza. Wann sie ausreisen darf, kann ihr der Reiseveranstalter nicht sagen. Und das, obwohl sie bei der Tui das Rundum-Sorglos-Paket gebucht hat.
Ibiza hat es den Baurs angetan. Sie sind Stammgäste in einem Hotel auf der Mittelmeer-Insel. Dass sie trotz Corona in diesem Jahr wieder einen Besuch wagten, lag nicht nur an den niedrigen Inzidenzen dort, sondern auch am Angebot der Tui, sagt Baur.
Die vierköpfige Familie (Kinder drei und sechs Jahre) buchte bei dem Reiseveranstalter einen speziellen Corona-Schutz-Tarif dazu, eine Art Rundum-Sorglos-Paket. Damit, so sei ihr im Reisebüro versichert worden, „wären wir im Fall des Falles auf der sicheren Seite“, sagt Baur. Sprich: Sie müssten sich bei einer Infektion oder einer angeordneten Quarantäne quasi um nichts kümmern. Anfallende Zusatzkosten würde eine Versicherung übernehmen.
Gegen Corona ließen sich Stefanie Baur und ihr Mann aus persönlichen Gründen vor dem Flug nicht impfen. Eine Corona-Leugnerin sei sie aber nicht, versichert die 37-Jährige. Für sinnvoll halte sie die Impfung auf jeden Fall für Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen. Für sich selbst schätzte sie die Gefahr,
ANZEIGEN die von einer Infektion ausgeht, als relativ gering ein.
Der Schock ereilte die Familie am
Samstag vorletzter Woche, nach einem, wie Baur sagt, „herrlichen Urlaub mit Sonne satt“. 14 Tage genossen die Laupheimer den mediterranen Flair der Insel. „Traumhaft“sei es gewesen.
Bevor sie ins Flugzeug steigen konnte, musste die Familie zum obligatorischen Corona-Test. Und der fiel überraschenderweise positiv aus. Jedoch nur für die junge Mutter. Tochter, Sohn und Ehemann waren laut Tests nicht infiziert.
Die Familie stand plötzlich aber sprichwörtlich auf der Straße. Aus dem Hotel hatten sie ausgecheckt. Nun saßen die Baurs auf ihren Koffern und wussten nicht, wohin. Fliegen durften sie nicht. Der Arzt habe ihnen mitgeteilt, dass er den positiven Test melden müsse.
In dieser Situation erinnerte sich die Mutter an das bei der Tui gebuchte Kümmerer-Versprechen. Die Hoffnung: Dass der Reiseveranstalter ihnen helfen und Wege aus dem Schlamassel aufzeigen würde.
Die Baurs hatten viele Fragen: Wo sollen sie unterkommen mit den zwei Kindern? Wer bezahlt den unfreiwillig verlängerten Aufenthalt auf der Insel, gilt die Garantie tatsächlich? Und vor allem: Wie lange müssen sie noch auf Ibiza bleiben – was bedeutet das: Quarantäne in Spanien?
Bis heute habe sie darauf von der Tui leider keine vernünftigen Antworten erhalten, sagt Baur enttäuscht. Bis zu sechs Stunden habe sie dann an den folgenden Tagen jeweils telefoniert. Doch gelandet sei sie entweder bei überforderten CallCenter-Mitarbeitern („sind nicht zuständig“) oder direkt im Reisebüro in Deutschland, in dem sie den Trip gebucht hatten. Dieses hätte zwar alle Hebel in Bewegung gesetzt, sei mit seinen Bemühungen letztlich aber erfolglos geblieben.
Am meisten ärgert sich Baur über die Reiseleitung vor Ort auf Ibiza. Auch diese habe keine Antworten gehabt auf ihre vielen Fragen, sondern sich ihrerseits bei der Familie erkundigt, wie diese denn nun weiter vorzugehen gedenke.
Immerhin: Am Dienstag konnten ihr Mann (37) und die Kinder ausreisen. Deren Tests seien stets negativ gewesen, sagt Baur. An Alltag in der Heimat sei aber noch nicht zu denken. Ihr Mann konnte nicht arbeiten, begab sich in häusliche Quarantäne. Auch muss er sich um die Kinder kümmern. Außerdem verpasste er den Trainingsauftakt seiner Fußballmannschaft, die in die Vorbereitung zur neuen Saison starten wollte. Ein aus diesem Anlass von ihm geplantes Weißwurstfrühstück musste ohne ihn als Trainer stattfinden.
Und was sagt die Tui zu den Vorwürfen? Immerhin wirbt sie auf ihrer Homepage mit einer 24/7-Notfallhotline und ärztlicher Teleberatung, die Kunden wie Stefanie Baur wählen können, sollten sie sich im Urlaub in einer misslichen Corona-Situation wiederfinden.
Ein Tui-Sprecher teilt mit, dass es ihm „leid tut“, wenn bei der Laupheimerin der Eindruck entstanden sei, dass seine Firma nicht erreichbar gewesen sei. Die „Schwäbische Zeitung“lässt er wissen, dass sich das „Team auf Ibiza“umgehend mit der Kundin in Verbindung setzen werde, „um alle offenen Fragen zu klären“. Dieses Versprechen hält die Tui tatsächlich ein.
Nur wenige Minuten, nachdem es per Mail ausgesprochen war, klingelte bei der Laupheimerin das Telefon. Am anderen Ende ein bemühter TuiMitarbeiter, der auf der Nachbarinsel Mallorca sitzt. Er verspricht der jungen Mutter, sich schleunigst um noch offene Fragen zu kümmern.
Allzu viel bringt das Stefanie Baur nicht mehr. Doch sie schätzt das Bemühen der Tui, auch wenn es für sie deutlich zu spät kommt. Alle Fragen rund um die Quarantäne und die spanischen Corona-Vorgaben hat sie mittlerweile auf eigene Faust ermittelt.
Was gut klingt: Der Tui-Sprecher verspricht auch, dass die Kosten für die verlängerte Unterbringung und die entsprechenden Rückflüge über die Versicherung abgewickelt würden, „sodass hier keine finanzielle Belastung entsteht“. Außerdem wünscht er „schnelle Genesung“. Geplagt wird Stefanie Baur unter anderem von Kopfschmerzen.
Und sie ist immer noch eingesperrt in ihrem Hotelzimmer. Immerhin jedoch mit deutschem TV, Internet, außerdem sei die Versorgung durch das Personal exzellent. Sie fühle sich wohlbehütet.
Eine Ungewissheit jedoch bleibt: Sie wisse noch immer nicht, wann und unter welchen Umständen genau sie das Hotel verlassen und zu ihrer Familie nach Deutschland fliegen darf. Womöglich aber, hofft sie, schon Anfang dieser Woche.
Ihr Tipp an alle, die demnächst eine ähnliche Reise antreten werden: auf jeden Fall eine Zusatz-Versicherung buchen. Und schon vor Reiseantritt verbindlich klären, dass auf jeden Fall jemand vor Ort bereitsteht, der im Corona-Notfall helfen kann.