Schwäbische Zeitung (Biberach)
„An Haydns ,Schöpfung‘ kann man sich nie satthören“
Benjamin Lack über die Aufgaben als Leiter des Bregenzer Festspielchors
BREGENZ - Am kommenden Montag, 26. Juli, um 19.30 Uhr erklingt im ersten Orchesterkonzert der Bregenzer Festspiele Joseph Haydns beliebtes Oratorium „Die Schöpfung“. Andrés Orozco-Estrada stellt sich im Festspielhaus als der neue Chefdirigent der Wiener Symphoniker vor und hat sich für dieses Konzert ausdrücklich die Zusammenarbeit mit Sängerinnen und Sängern aus der Region gewünscht. Benjamin Lack hat die Choreinstudierung übernommen und die Ensembles des Bregenzer Festspielchors und des Kornmarktchors mit Singbegeisterten aus der freien Chorszene zu einem rund 80köpfigen Chor verbunden. Katharina von Glasenapp sprach mit ihm über das Werk, die Aufgaben der Choreinstudierung und über die besonderen Herausforderungen der Chorarbeit in Zeiten von Corona.
Herr Lack, Sie sind seit 2009 Leiter des Bregenzer Festspielchors. Was unterscheidet dieses Konzert von den anderen Auftritten?
Der Festspielchor hat in erster Linie die Aufgabe, als darstellender Chor auf der Seebühne zu singen (Anm.: während der Prager Philharmonische Chor im Festspielhaus singt). In „Rigoletto“wirken nur die Herren des Festspielchors auf der Bühne mit. Dass man uns jetzt in der Jubiläumssaison der Festspiele dieses Oratorienkonzert anvertraut, freut mich sehr und zeugt von hoher Wertschätzung. Der Kornmarktchor ist ebenfalls eng mit der 75-jährigen Geschichte der Festspiele verzahnt, er wurde immer wieder in den Operettenaufführungen der Ära Pountney eingesetzt. Zusammen mit erfahrenen Choristen, Studierenden und Gesangspädagogen ergibt sich eine gute Mischung von Menschen, die eng mit den Festspielen und der in Vorarlberg höchst lebendigen Chorszene verbunden sind.
Hatten Sie vorab gemeinsame Proben oder gemeinsame Absprachen mit dem Dirigenten Andrés Orozco-Estrada?
Ich habe den Chor in kurzen intensiven Probenphasen musikalisch vorbereitet, dann hatten wir Ende Mai eine Probe mit ihm. Die lief sehr gut.
Er arbeitet sehr energetisch, ist sympathisch und mitreißend und kommt gleich auf den Punkt. Meine Leute haben ihn gleich geliebt. Danach war klar, in welche Richtung es geht. Er war sehr zufrieden und weiß, worauf er aufbauen kann. Andrés OrozcoEstrada wählt durchweg frische Tempi und verlangt ein hohes Maß an Beweglichkeit. Ab Freitag haben wir dann noch gemeinsame Proben mit dem Orchester.
Haydns „Schöpfung“singt ja wahrscheinlich jeder gern, wie geht es Ihnen damit?
Es ist in erster Linie ein großartiges, dankbares Stück, gerade für diese Konstellation. Ich liebe es in seiner Frische und Genialität, man kann sich nie daran satthören und der immer neu ansetzende Jubel steckt an. Zugleich begeistern mich die schöne Balance zwischen Solisten und Chor, aber auch die Dramatik, wenn zu Beginn aus dem Chaos und der Verzweiflung eine neue Welt entsteht. Ich freue mich sehr, auch auf die frische Lesart von Andrés OrozcoEstrada,
und bin gespannt, wie es zusammen mit dem Orchester klingt.
Sie bereiten den Chor vor und geben ihn dann an den Dirigenten ab. Reizt es Sie nicht, selbst zu dirigieren oder mitzusingen?
Natürlich kenne ich die „Schöpfung“in- und auswendig, sie begleitet mich schon lange. Aber es macht mir riesengroße Freude, wenn ich mit so guten Musikern wie Orozco-Estrada zusammenarbeiten kann. Mit der Choreinstudierung trage ich eine enorme Verantwortung, die Spielregeln sind klar formuliert. Für den Dirigenten bin ich der Ansprechpartner, für den Chor der Fürsprecher, das ist zum Beispiel in szenischen Produktionen sehr wichtig. Wenn ich selbst als Sänger involviert wäre, würde mir die Distanz fehlen, die es für diese Vermittlungsposition braucht. Aber ich kann mich auch dran freuen, wenn alles funktioniert, und habe grundsätzlich kein Problem damit, mich im Hintergrund zu halten.
Nun liegt durch die Corona-Pandemie eine extrem schwierige Zeit hinter uns, gerade für die Chorszene. Wie ist es Ihnen ergangen?
Die Bregenzer Festspiele haben ein striktes und strenges Hygienekonzept für alle Mitwirkenden und ich bin überzeugt, dass es nicht anders geht. Man ist so dankbar, dass dieser Festspielsommer überhaupt stattfinden kann, dass man nichts aufs Spiel setzen will. Bis vergangene Woche liefen alle Proben mit Maske ab. Nach einem Probenwochenende brummt einem da schon der Schädel! Das Problem beim Singen mit der Maske ist, dass Dynamik, Artikulation und Klang verschluckt werden. Ich freue mich darauf, endlich wieder zu spüren, wie der Chor ohne Maske klingt. Ich bin voll Freude und Dankbarkeit, dass wir wieder auftreten können, und Haydns „Schöpfung“ist genau das richtige Werk für diesen Neubeginn und die Wiederauferstehung der Kultur!