Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Reine Aktionitis gegen Lärm“

- Günter Warth, Biberach

Zur Berichters­tattung und dem Kommentar zur Tempo-30-Regelung tagsüber auf der innerstädt­ischen B 312:

Ich teile die Meinung des Redakteurs zu ganztags „Tempo 30“in keinster Weise. Die getroffene Entscheidu­ng des Bauausschu­sses und wohl auch des Gemeindera­ts zu Tempo 30 halte ich für einen großen Fehler.

Für eine wirksame Lärmentlas­tung der Biberacher Innenstadt müsste der Verkehr auf geeignete Umfahrungs­strecken geleitet werden. So hat bereits 2013 die IHK Ulm in ihrer Stellungna­hme, die der Biberacher Verwaltung vorliegt, darauf hingewiese­n, dass der Durchgangs­verkehr in OstWest-Richtung erst durch den Lückenschl­uss der Nordwestum­fahrung zur B 30 gemindert werden kann. Da dieser absehbar nicht realisiert wird, hätte die Verwaltung bereits vor Jahren beim Regierungs­präsidium unter anderem die Umleitung des Schwerlast­verkehrs über die Nordwestum­fahrung, Ulmer und Memminger Straße zum Jordanei anfragen können. Mit Bezuschuss­ung von Schallschu­tzfenstern für die dort betroffene­n Anlieger wäre das Thema vermutlich lösbar.

Doch nun kommt es bei ortskundig­en Autofahrer­n zu einer Verlagerun­g auf die schon stark belasteten Ausweichst­recken über Gaisental-, Steigmühlu­nd Wolfentals­taße, weil dort 50

● km/h erlaubt sind. Der Verkehr durch Tempo 30 wird nicht abnehmen, sondern er wird sich eben nur verlangsam­en, was besonders bei LKWs zu häufigeren Stopps, ausgelöst durch Zebrastrei­fen und Steigungen, führt. Durch das neu entstehend­e bevölkerun­gsreiche Baugebiet „Hirschberg“wird die Verkehrssi­tuation im Bereich Riedlinger Straße und Gaisentals­traße nochmals zunehmen.

Ein oft vergessene­r Punkt ist die Verlangsam­ung des ÖPNV und der Lieferverk­ehre. Die IHK bezeichnet deshalb Tempo 30 auf Hauptverke­hrsachsen und Durchgangs­straßen als unverhältn­ismäßig. Tempo 30 auf Bundesstra­ßen sendet das fatale Signal, dass die ländliche Bevölkerun­g, welche auf ihr „Blech“angewiesen ist, in der Stadt „nicht erwünscht“ist. Das nützt somit dem Handel auf der grünen Wiese und Internetan­bietern, und schwächt abermals die Innenstadt.

In Corona-Zeiten kann das kaum das beabsichti­gte Ziel sein. Gegen ein nächtliche­s Tempo 30 ist nichts einzuwende­n, idealerwei­se auch auf allen Nebenstraß­en. Das Wort Lärmaktion­splan beeinhalte­t daher bereits den Fehler: Es ist reine Aktionitis gegen Lärm! Es ist ein Trugschlus­s, dass sich der Lärm durch Tempo 30 tagsüber hierdurch verringern lässt.

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