Schwäbische Zeitung (Biberach)
Das Nagetier im Hohen Haus
Für die einen ist sie ein etwas groß geratenes Mäuschen, für die anderen der Horror in Nagetiergestalt: die Ratte. So wirkt sie auf viele Menschen unsympathisch, weil sie sich als Lebenskünstlerin besonders dort tummelt, wo gemeinhin die Sonne nicht scheint. Also im Unterirdischen, im Kanalsystem, wo die Reste unserer Zivilisation ihr reichlich Nahrung bieten.
In parlamentarischen Zusammenhängen kommen Ratten eher selten vor. Umso aufregender, wenn es dann einmal doch passiert: Neulich tauchte eine Ratte im andalusischen Regionalparlament in Sevilla auf. Die dortige Parlamentspräsidentin heißt Marta Bosquet und stieß
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● während einer Sitzung einen spitzen Schrei aus, als sie den langschwänzigen Schadnager bemerkte. Sogleich kam Leben in die ansonsten etwas bräsige Sitzung: Frauen setzten sich mit angezogenen Beinen auf Tische, Männer lachten und scheuchten heldenhaft das Vieh vor sich hin. Am Ende gab die Ratte auf und verließ das Parlament.
Haustiere sind in den meisten Parlamenten verboten, da beißt die Maus keinen Faden ab. Dabei ist es erwiesen, dass ein geliebtes Tier sehr besänftigend auf seinen Besitzer wirkt und die Stimmung aufzulockern vermag. Ein parlamentarischer Hamster, den die Abgeordneten zur Beruhigung nach hitzigen Debatten streicheln dürften, wäre also eine wünschenswerte Sache. Und vom Hamster ist der Weg zur Ratte ja nicht mehr weit. In diesem Licht betrachtet, war der Zwischenfall in Sevilla vielleicht nur der Versuch, das starre Haustierverbot ein wenig aufzulockern. (nyf)