Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mit „Aufwind“Wissenslücken schließen
Rund 50 Mentoren unterstützen Schüler bei ihren schulischen Leistungen
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OCHSENHAUSEN - Viele Schülerinnen und Schüler sind wegen der coronabedingten Schulschließungen seit März 2020 beim Lernstoff zurückgefallen. Um die Wissenslücken schließen zu können, hat das regionale Bildungsbüro des Landkreises zum Schuljahresbeginn 2020 ein Mentorenprogramm mit dem Namen „Aufwind“in die Wege geleitet. Schülerinnen und Schüler, die während der Zeit des Online- und Wechselunterrichts den Anschluss verloren haben, sollen durch Tandem-Patenschaften unterstützt werden. In der Grundschule Ochsenhausen erklären Mentorin, Projektleiterin und Schulleiterin, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert waren und warum der Bedarf an Unterstützung weiterhin anhält.
Das Projekt zielt darauf ab, Schülerinnen und Schüler beim Aufarbeiten des Unterrichtsstoffs zu unterstützen und die schulischen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Der Fokus liegt auf der schulischen Unterstützung, wobei die soziale und persönliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen durch die persönliche Förderung ein natürlicher Bestandteil ist. Die Treffen der sogenannten Tandems finden einmal wöchentlich für zwei bis drei Stunden statt und werden in Absprache mit der zuständigen Lehrkraft anhand eines Förderplans vorbereitet.
Angelika Kiefer ist 65 Jahre alt und hat sich gleich zu Beginn des Projekts für die Mentorenschaft beworben. „Ich habe den Aufruf in der Zeitung gelesen und nach mehreren inneren Anläufen habe ich mich entschieden, mal anzurufen. Anfangs dachte ich, dass ich für das Programm schon zu alt wäre, aber nach der Kick-off-Veranstaltung war es mir klar, dass ich das machen will.“Fremd ist das Unterrichten der 65Jährigen nicht. Kiefer hat vor ihrer Pensionierung im Landwirtschaftsamt in Ravensburg gearbeitet und an der Fachschule für Hauswirtschaft unterrichtet. Mit dem Mentorenprogramm unterrichtet sie wieder, aber auf eine andere Art.
Kaum begann das Projekt, musste Kiefer von Dezember bis Anfang April eine gezwungene Unterbrechung einlegen: Wegen hohen Infektionszahlen durfte sie ihre damalige Schülerin nicht mehr in Präsenz unterrichten. „Weil sie auch kein Endgerät zu Hause hatte, konnten wir die Nachhilfe auch nicht digital umsetzen“, bedauert Kiefer. Derzeit unterstützt sie Antonio, der die Grundschule Ochsenhausen besucht und hier bereits in der vierten Klasse ist. „Unter der Anleitung der Klassenlehrerin
mache ich mit Antonio Übungen oder bereite ihn für Klassenarbeiten vor.“, so Kiefer. Antonio ist elf Jahre und habe keinerlei Sprachprobleme, benötige aber einen geregelten Ablauf bei der Erledigung seiner Aufgaben und vor allem mehr Struktur, erklärt Angelika Kiefer. Dafür, dass sie sich wegen der Corona-Krise nicht allzu oft treffen konnten, hatten sie gemeinsam aber schon ihre ersten „kleinen Erfolge“.
Die rund 50 Mentoren, die im ganzen Landkreis Biberach Schüler verschiedenen Alters an unterschiedlichen Schulen unterstützen, sind alle mitten in der Corona-Krise zum Einsatz gekommen. „Der erste Lockdown war im März und daraufhin haben wir uns entschieden, das Aufwind-Programm ins Leben zu rufen“, sagt Katharina Jehle vom regionalen Bildungsbüro Biberach. Unwissend, dass noch weitere Schulschließungen folgen, die noch größere Löcher einreißen würden. „Wir kennen das von anderen Mentorenprogrammen, dass viele Kinder einfach Unterstützung brauchen und uns war klar, wenn so eine lange Schulschließung erfolgt, dann wird auch der Bedarf wachsen.“
Für ältere Schüler konnte die Nachhilfe zeitweise digital stattfinden, bei den Kleinen eher nicht: „Irgendwann wurde es auch bei den Älteren schwierig, weil sie alles nur noch digital machen mussten und die Luft irgendwann raus war. Von 50 Mentoren konnte aber etwa ein Drittel den Kontakt auch in der schwierigen Phase halten, was sehr erfreulich ist“, sagt Jehle.
„Wir sind unbedingt darauf angewiesen, dass außerschulische Ansprechpartner da sind“, betont Stephanie Albrecht, Schulleiterin der Grundschule Ochsenhausen. Am Programm Aufwind schätze sie besonders, dass es sich auf Menschen stütze, „die sich ehrenamtlich dafür entschieden haben“Kindern und Jugendlichen zu helfen. „Momentan ist es für die Kinder hauptsächlich wichtig, im sozial-emotionalen Bereich eine Stabilität zu bekommen. Also, dass nicht nur das kognitive Lernen allein im Vordergrund steht.“
Das Projekt „Aufwind“läuft offiziell nur bis zu den Sommerferien, aber alle, die ihre Patenschaften im nächsten Schuljahr weiterführen wollen, können dies auch weiterhin machen, erklärt Katharina Jehle, allerdings werde das Programm dann in das normale Paten-Schüler-Programm übergehen und nicht mehr „Aufwind“heißen. Finanziell wird das Projekt vom Bundesverband Deutscher Stiftungen mit seinem Programm Chancen Patenschaften gefördert.