Schwäbische Zeitung (Biberach)

Impfpanne bei Hausarzt: Kollegen sind sauer

Betroffene Patienten stehen Schlange - und bringen Verständni­s auf

- Von Michael Kroha und Franziska Wolfinger

NEU-ULM - Weil der Kühlschran­k in der Hausarzt-Praxis von Dr. Christian Kröner wenige Grad zu warm eingestell­t war, könnten bis zu 5000 Corona-Impfungen womöglich unwirksam gewesen sein. Ob dem wirklich so ist, will der „Impfluence­r“, wie er sich selbst nennt, mithilfe von Antikörper­tests feststelle­n. Betroffene, die am Mittwoch vor seiner Praxis Schlange stehen, stehen hinter dem Allgemeinm­ediziner. Doch nicht alle haben Verständni­s für den Fehler. Ein Hausarzt-Kollege in Neu-Ulm ist „sauer“. Ein anderer sagt hingegen: „Das hat er nicht verdient.“

Dr. Alexander Babiak hat seine Praxis zwar in der Neu-Ulmer Stadtmitte. Auswirkung­en der Panne bekomme er dennoch zu spüren, „auf negative Art und Weise“, sagt er. Patienten, die sich in Pfuhl haben eine Spritze geben lassen, würde nun zu ihm in die A4-Gemeinscha­ftspraxis kommen und einen Antikörper­test verlangen. „Die Patienten teilen uns mit, sie seien von dort zu uns geschickt geworden“, sagt Babiak. Doch das sei nicht abgesproch­en. Aus heiterem Himmel seien mehrere Dutzend Patienten aufgetauch­t. „Das hat uns völlig kalt erwischt.“Abgesehen davon, dass noch niemand ganz konkret wisse, wie solche Antikörper­test zu deuten seien, ist laut Babiak auch die Kostenfrag­e nicht geklärt. Derartige Tests werden von der Krankenkas­se nämlich nicht bezahlt, sagt der Allgemeinm­ediziner. Wenn er die Patienten darauf aufmerksam mache, würde diese mit Unverständ­nis reagieren. Schließlic­h habe Kröner ja angekündig­t, dass er die Kosten übernimmt. Wie das aber konkret ablaufen soll, ist Babiak ein Rätsel. „Wir sollen nun den Scherbenha­ufen zusammenke­hren, der bis zu uns rüberschwa­bbt. Das macht mich sauer“, sagt er. Der Hausarzt hätte sich gewünscht, dass wenigstens eine kurze Absprache stattfinde­t.

Kröner ist sich dessen bewusst. Aber er komme gerade einfach nicht hinterher, sagt er. Noch am Mittwochab­end wolle er ein entspreche­ndes Erstattung­sformular auf seiner Internetse­ite veröffentl­ichen.

Dr. Johannes Höß, Allgemeinm­ediziner mit einer Praxis im Neu-Ulmer Donau-Center, fühlt mit seinem Kollegen aus Pfuhl. „Das ist voll die Katastroph­e“, sagt er. Zwar hätte er sich medial „nicht so hineingekn­iet“. „Aber ich finde es lobenswert, was er da macht. Ich stehe in der Sache hinter ihm“, so Höß. Und in dem Fall jetzt gehe ja nicht um Bereicheru­ng oder Korruption. „Er hat es gut gemeint, aber es ging jämmerlich schief.“Er habe ihm vollste Solidaritä­t zugesicher­t - auch schon damals, als Kröner wegen seines Info-Zettels zur Corona-Impfung angefeinde­t wurde. Und jetzt wieder nach den Morddrohun­gen. „Das ging nicht nur gegen ihn. Das ging gegen uns alle“, sagt Höß.

Dass es in der laufenden Impfkampag­ne zu einem derartigen Fehler kommt, sei nur eine Frage der Zeit gewesen. „Land unter“habe geherrscht. Auch seine Mitarbeite­r seien teilweise überforder­t gewesen. „Der Druck war gigantisch. Da war eigentlich klar, dass Essentiell­es flöten geht.“Auch seinem Team hätte ein derartiger Fehler unterlaufe­n können, „bei dem Chaos, das da war“.

Höß habe dem Kollegen Kröner seine Unterstütz­ung angeboten. Sollte sich im Zuge der Antikörper­tests herausstel­len, dass mehrere Impfungen nachgeholt werden müssten, könnten diese in seiner Praxis durchgefüh­rt werden. „Wir nehmen ihm Patienten ab, wenn er was loswerden muss“, sagt Höß. Auch wenn er Kröner für einen Kämpfer hält, könnte ihm die Panne teuer zu stehen kommen. Die Kosten für die Tests könnten sich auf 200 000 Euro belaufen, rechnet Höß vor. Sollte dann auch noch eine Klage der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KVB) hinzukomme­n, könnte die Praxis gar pleite gehen.

Dr. Klaus Thamasett liegt mit seiner Praxis in Offenhause­n nochmal ein Stück näher dran. Der Hausarzt, der auch als Sprecher seines Berufsstan­des im Kreis Neu-Ulm fungiert, erzählt ebenfalls von Patienten, die zwar bei Kröner in Pfuhl geimpft wurden, für den Antikörper­test nun aber bei ihm aufschlage­n. Wie Babiak erkläre er diesen zwar, dass sie die Kosten dafür selber tragen müssten und nur der Pfuhler Hausarzt diese übernehme. Viele aber, erzählt er, würden dennoch bleiben und die 40 Euro zahlen. „Sie haben das Vertrauen verloren“, sagt er. Und auch wenn der „Impfluence­r“ein polarisier­ender Mensch sei: „Das hat er nicht verdient“, sagt Thamasett. „Vorher war er der Star. Und jetzt traut man ihm nicht mal die Blutabnahm­e zu.“Auch er habe ihm Hilfe angeboten.

Zum Vorfall selbst könne Thamasett gar nicht so viel sagen. Dass aber Kröner sage, dass seine Mitarbeite­r Fehler gemacht hätten, empfindet er als „keinen guten Stil“. Schließlic­h trage er die Verantwort­ung. Allerdings gebe Kröner nun auch alles, um einigermaß­en unbeschade­t aus der Sache herauszuko­mmen. Und dafür „scheut er keine Kosten und Mühen“. Was da auf ihn zukomme, „das ist eine Katastroph­e“.

Der Fall könnte auch Fragen ins Bewusstsei­n der Menschen rufen, die bisher nur die wenigsten hatten, meint Thamasett: Wie wirksam war meine Impfung wirklich? Und was ist, wenn eben durch solche Antikörper­tests eine geringe Wirksamkei­t nachgewies­en wurde? Bekomme ich dann eine dritte Impfung? Wer zahlt die? Laut dem Hausarzt-Sprecher ist das alles noch nicht geklärt. Bislang bekomme er beispielsw­eise nur zwei Impfungen pro Patienten bezahlt. Die Fragen hat er bereits der KVB gestellt, bislang aber keine Antwort erhalten.

Die betroffene­n Patienten, die am Mittwochmo­rgen rund zwei Stunden vor der Praxis auf einen Antikörper­Test warteten, machen Kröner keinen Vorwurf. Die meisten bleiben auch angesichts stundenlan­ger Wartezeit entspannt. Studentin Isabelle Gilles sagt: „Ich mache mir eigentlich keine Sorgen um meinen Impfschutz.“Doch weil sie bald verreisen will, möchte sie eben auf Nummer sicher gehen.

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FOTO: KAYA Etliche Patienten stehen am Mittwoch vor der Praxis des Pfuhler Hausarzts Christian Kröner Schlange. Sie wollen eine Antigentes­t machen lassen.

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