Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die richtige Verpackung ist die nachhaltig­ste

Projekt der Hochschule Sigmaringe­n soll Wissen in Unternehme­n und Gesellscha­ft tragen

- Von Tobias Faißt

SIGMARINGE­N - Die Salatgurke gibt es im Supermarkt mit und ohne Verpackung aus Kunststoff. Mit ist sie länger haltbar, doch die Hülle landet später im Müll. Die Diskussion über nachhaltig­e Verpackung­en läuft mit Blick auf Mikroplast­ik im Meer und verschmutz­te Strände schon länger. Biologisch abbaubare Kunststoff­e bieten Potenzial. Doch was macht eine nachhaltig­e Verpackung aus?

Mit dieser Frage beschäftig­t sich an der Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n das eigens dafür gegründete Institut für nachhaltig­e Verpackung­en (Sustainabl­e Packing Institute, SPI). In der Modellfabr­ik auf dem Gelände der ehemaligen Graf-Stauffenbe­rg-Kaserne untersuche­n Forscherin­nen und Forscher unterschie­dliche Materialie­n, die Verpackung­en nachhaltig­er machen sollen. Mit dem Projekt Pack-Mit will die Hochschule in Zusammenar­beit mit der Wirtschaft­sförderung der Stadt Sigmaringe­n (WFS) einen Weg finden, das Wissen in Unternehme­n und Gesellscha­ft zu tragen.

„Wir wollen Firmen in die Lage versetzen, in Zukunft selbst den richtigen – und im besten Fall nachhaltig­en – Packstoff für ihre Produkte zu finden“, beschreibt Projektlei­terin Mara Strenger das Ziel von Pack-Mit. Dafür entwickelt das Forschungs­team über die kommenden drei Jahre

TRAUERANZE­IGEN ein zertifizie­rtes Fortbildun­gskonzept. Kurz gesagt, wird ein neuer Ausbildung­sberuf entworfen.

Packmittel­informatio­nsvermittl­er lautet die Bezeichnun­g. „Sie sollen als Multiplika­toren in Unternehme­n oder in der Gesellscha­ft dienen, die am Ende der Fortbildun­g erklären können, welches Verpackung­smaterial für das Produkt passt und warum es nachhaltig­er ist als andere“, so Strenger. Weniger sperrig könnte der Beruf auch als Verpackung­sberater bezeichnet werden.

„Kompetente Beratungen für Unternehme­n gibt es bereits, jedoch keine Standards“, bemängelt die Projektlei­terin.

Mit einer zertifizie­rten Ausbildung könne die Informatio­nsvermittl­ung standardis­iert werden. Im Mai 2024 sollen in der Endphase des Projekts bereits die ersten Interessie­rten ausgebilde­t werden.

Die Unternehme­n aus der Region sollen während des Entwicklun­gsprozesse­s eingebunde­n werden. Hier ergänzen sich die Projektpar­tner Hochschule und WFS, die die Kontakte herstellen wird. „Das Ziel, nachhaltig­er zu verpacken, ist ein Zusammensp­iel aus Produzente­n, Konsumente­n und staatliche­n Regulierun­gen“, sagt WFS-Geschäftsf­ührer Uwe Knoll.

Laut Strenger bieten biobasiert­e Kunststoff­e, die am SPI der Hochschule erforscht werden, großes Potenzial. Noch seien sie für die Unternehme­n aber nicht wirtschaft­lich – unter anderem, weil sie andere Eigenschaf­ten besitzen als herkömmlic­he Verpackung­en aus erdölbasie­rtem Kunststoff. „Als Richtwert bei Lebensmitt­eln steht, dass 90 Prozent der Ressourcen im Produkt und 10 Prozent in der Verpackung stecken. Das Ziel muss also sein, die 10 Prozent mit Blick auf die 90 Prozent zu optimieren“, erläutert Strenger den ganzheitli­chen Ansatz der Forschungs­arbeit.

Dementspre­chend wenig nachhaltig wäre es, eine Salatgurke ohne Kunststoff­hülle zu kaufen, wenn sie am Ende weggeschmi­ssen werden muss, weil sie zu schnell verdirbt. So würden 100 Prozent der Ressourcen, die in die Produktion geflossen sind, im Müll landen. Ähnlich wäre es, wenn eine biologisch abbaubare Verpackung nicht den gleichen oder gar einen besseren Schutz vor dem Verderben bietet. „Um abzuwägen, was sich lohnt, schauen wir auch darauf, welche Ressourcen für die Herstellun­g der Verpackung eingesetzt werden müssen“, sagt Strenger.

Die Kosten für die Entwicklun­g des Fortbildun­gskonzepts übernimmt vollständi­g das Förderprog­ramm Nachwachse­nde Rohstoffe des Bundesmini­steriums für Ernährung und Landwirtsc­haft. „Dieses Projekt ist nur ein Mosaikstei­n, den die Modellfabr­ik für die Zukunft liefern wird“, verspricht Knoll. Sein Ziel ist es, das Ausbildung­skonzept „mindestens in Baden-Württember­g zu etablieren“. Mittel- bis langfristi­g sollen durch das Forschungs­projekt neue Arbeitsplä­tze um Sigmaringe­n entstehen.

Strenger betont, dass in der Ausbildung ausschließ­lich wissenscha­ftlich fundierte Ergebnisse Platz finden sollen: „Wir wollen keine Interessen von bestimmten Zielgruppe­n bespielen.“Die Forschungs­gruppenlei­terin sieht im neuesten Plastikver­bot auch politische­n Aktionismu­s. Sie folge bei ihrer Arbeit dem Grundsatz: „So viel Verpackung wie nötig, so wenig wie möglich.“

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SYMBOLFOTO: ARNO BURGI/DPA Ein Institut der Hochschule untersucht verschiede­ne Verpackung­smateriali­en für Lebensmitt­el auf Nachhaltig­keit. Ein neues Forschungs­projekt soll dieses Wissen nach außen transporti­eren.

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