Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die richtige Verpackung ist die nachhaltigste
Projekt der Hochschule Sigmaringen soll Wissen in Unternehmen und Gesellschaft tragen
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SIGMARINGEN - Die Salatgurke gibt es im Supermarkt mit und ohne Verpackung aus Kunststoff. Mit ist sie länger haltbar, doch die Hülle landet später im Müll. Die Diskussion über nachhaltige Verpackungen läuft mit Blick auf Mikroplastik im Meer und verschmutzte Strände schon länger. Biologisch abbaubare Kunststoffe bieten Potenzial. Doch was macht eine nachhaltige Verpackung aus?
Mit dieser Frage beschäftigt sich an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen das eigens dafür gegründete Institut für nachhaltige Verpackungen (Sustainable Packing Institute, SPI). In der Modellfabrik auf dem Gelände der ehemaligen Graf-Stauffenberg-Kaserne untersuchen Forscherinnen und Forscher unterschiedliche Materialien, die Verpackungen nachhaltiger machen sollen. Mit dem Projekt Pack-Mit will die Hochschule in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung der Stadt Sigmaringen (WFS) einen Weg finden, das Wissen in Unternehmen und Gesellschaft zu tragen.
„Wir wollen Firmen in die Lage versetzen, in Zukunft selbst den richtigen – und im besten Fall nachhaltigen – Packstoff für ihre Produkte zu finden“, beschreibt Projektleiterin Mara Strenger das Ziel von Pack-Mit. Dafür entwickelt das Forschungsteam über die kommenden drei Jahre
TRAUERANZEIGEN ein zertifiziertes Fortbildungskonzept. Kurz gesagt, wird ein neuer Ausbildungsberuf entworfen.
Packmittelinformationsvermittler lautet die Bezeichnung. „Sie sollen als Multiplikatoren in Unternehmen oder in der Gesellschaft dienen, die am Ende der Fortbildung erklären können, welches Verpackungsmaterial für das Produkt passt und warum es nachhaltiger ist als andere“, so Strenger. Weniger sperrig könnte der Beruf auch als Verpackungsberater bezeichnet werden.
„Kompetente Beratungen für Unternehmen gibt es bereits, jedoch keine Standards“, bemängelt die Projektleiterin.
Mit einer zertifizierten Ausbildung könne die Informationsvermittlung standardisiert werden. Im Mai 2024 sollen in der Endphase des Projekts bereits die ersten Interessierten ausgebildet werden.
Die Unternehmen aus der Region sollen während des Entwicklungsprozesses eingebunden werden. Hier ergänzen sich die Projektpartner Hochschule und WFS, die die Kontakte herstellen wird. „Das Ziel, nachhaltiger zu verpacken, ist ein Zusammenspiel aus Produzenten, Konsumenten und staatlichen Regulierungen“, sagt WFS-Geschäftsführer Uwe Knoll.
Laut Strenger bieten biobasierte Kunststoffe, die am SPI der Hochschule erforscht werden, großes Potenzial. Noch seien sie für die Unternehmen aber nicht wirtschaftlich – unter anderem, weil sie andere Eigenschaften besitzen als herkömmliche Verpackungen aus erdölbasiertem Kunststoff. „Als Richtwert bei Lebensmitteln steht, dass 90 Prozent der Ressourcen im Produkt und 10 Prozent in der Verpackung stecken. Das Ziel muss also sein, die 10 Prozent mit Blick auf die 90 Prozent zu optimieren“, erläutert Strenger den ganzheitlichen Ansatz der Forschungsarbeit.
Dementsprechend wenig nachhaltig wäre es, eine Salatgurke ohne Kunststoffhülle zu kaufen, wenn sie am Ende weggeschmissen werden muss, weil sie zu schnell verdirbt. So würden 100 Prozent der Ressourcen, die in die Produktion geflossen sind, im Müll landen. Ähnlich wäre es, wenn eine biologisch abbaubare Verpackung nicht den gleichen oder gar einen besseren Schutz vor dem Verderben bietet. „Um abzuwägen, was sich lohnt, schauen wir auch darauf, welche Ressourcen für die Herstellung der Verpackung eingesetzt werden müssen“, sagt Strenger.
Die Kosten für die Entwicklung des Fortbildungskonzepts übernimmt vollständig das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. „Dieses Projekt ist nur ein Mosaikstein, den die Modellfabrik für die Zukunft liefern wird“, verspricht Knoll. Sein Ziel ist es, das Ausbildungskonzept „mindestens in Baden-Württemberg zu etablieren“. Mittel- bis langfristig sollen durch das Forschungsprojekt neue Arbeitsplätze um Sigmaringen entstehen.
Strenger betont, dass in der Ausbildung ausschließlich wissenschaftlich fundierte Ergebnisse Platz finden sollen: „Wir wollen keine Interessen von bestimmten Zielgruppen bespielen.“Die Forschungsgruppenleiterin sieht im neuesten Plastikverbot auch politischen Aktionismus. Sie folge bei ihrer Arbeit dem Grundsatz: „So viel Verpackung wie nötig, so wenig wie möglich.“